Vom "Rolling-Stone"-Rocker zum Ritter
Als Sänger der Gruppe verkörperte er Sex, Drugs & Rock’n’Roll wie kein Zweiter.

Von Welf Grombacher
Heidelberg. Bei der erfolgreichen US-Tour der Stones fragte eine Reporterin 1969 den jungen Mick Jagger in Anspielung auf den größten Hit der Band "(I Can’t Get No) Satisfaction", ob er denn inzwischen befriedigt sei? Der erwiderte mit verhuschtem Grinsen, ob sie "sexuell" oder "philosophisch" meine? – um dann doch konkreter zu werden: "Yeah, wir sind befriedigter jetzt, sexuell … finanziell aber unbefriedigt … und philosophisch gesehen noch auf der Suche."
Die Episode charakterisiert Mick Jagger ganz gut. Lang schon ist er ebenso Rockstar wie Geschäftsmann und verdammt noch mal nicht auf den Kopf gefallen. Wie er heute wohl auf die Frage antworten würde? An diesem Mittwoch, 26. Juli, feiert er – kaum zu glauben – seinen 80. Geburtstag. Der Mann, der mit 22 sagte, "ich wäre lieber tot, als mit 45 noch ,Satisfaction‘ zu singen".
Geboren 1943 in Dartford, in der englischen Grafschaft Kent, entstammt er einem gutbürgerlichen Elternhaus. Vater Joe ist Sportlehrer und so erklärt sich nicht nur, warum der damals noch Mike gerufene Sohnemann Kapitän in der Basketballmannschaft wird, sondern bis heute ein echter Fitnessfanatiker geblieben ist.
Nach dem Abi fängt er ein Studium an der London School of Economics and Political Science an. Bis er den alten Schulfreund Keith Richards auf dem Bahnsteig trifft, der ihn auf die neuesten Schallplatten von Muddy Waters und Chuck Berry in seiner Tüte anspricht, und die beiden beschließen, eine Band zu gründen. Die Szene ist der Gründungsmythos der Rolling Stones.
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Lange verkörpert Jagger das Leben eines Rockstars mit Sex, Drugs & Rock’n’Roll. Mehr als tausend Frauen sollen mit ihm geschlafen haben. Er ist mit dem Model Chrissie Shrimpton liiert, den Sängerinnen Marianne Faithfull und Marsha Hunt. Heiratet Bianca Pérez-Mora Macías und später Jerry Hall.
Insgesamt wird er mit fünf Frauen acht Kinder zeugen. Sogar mit Madonna, Angelina Jolie und Carla Bruni-Sarkozy werden ihm Verhältnisse nachgesagt. Letztere wird zitiert: "Ich war eine der 4000 anderen Frauen in seinem Leben. Er ist wie Don Juan." Selbst mit Bandkollege Brian Jones und David Bowie soll er ins Bett gestiegen sein. Die Boulevardblätter haben jedenfalls immer was zu schreiben.
Zuletzt sorgt Jagger für Schlagzeilen, als er sich mit der 43 Jahre jüngeren Balletttänzerin Melanie Hamrick verlobt. Über eine Hochzeit wird ebenso gemutmaßt, wie darüber, ob er wirklich der Vater von Olaf Schubert sei, wie der Komiker jüngst dargelegt hat.
"Hey, haben wir uns nicht schon mal gesehen?", ruft der Sänger Linda McCartney in den 70ern auf einer Party zu. "Yeah, ich habe dich in New York gevögelt", antwortet die ungezwungen. Es war eine andere Zeit, an #MeToo nicht mal zu denken. Heute unvorstellbar, nach den Ereignissen um Till Lindemann.
Waren es die Umstände, oder Mick Jaggers Charme, die ihn vor einer Bruchlandung bewahrt haben? Er wurde zwar wie seine Bandkollegen 1967 wegen des Besitzes von Amphetaminen verurteilt. Der frühe Drogentod von Gitarrist Brian Jones aber wirkte für ihn wie ein Warnschuss.
Vielleicht ist Jagger der erste professionelle Rockstar der Musikgeschichte. Er ernährt sich bis heute gesund, macht täglich seine Workouts. Wenn die Stones in München spielen, sieht man ihn durch den Englischen Garten joggen.
Es ist kein Zufall, dass Mick Jaggers schwülstige Lippen und seine Zunge zum Logo seiner Band wurden. Er drückte den Rolling Stones den Stempel auf und wurde mit Keith Richards zum zweitwichtigsten Songschreiber-Duo der Geschichte. Seine Band ist ein Wirtschaftsunternehmen und setzt Millionen um.
In den 80ern aber stritten die Glimmer Twins, Jagger verfolgte Filmprojekte wie "Burden Of Dreams" (1982), "Running Out Of Luck" (1987) oder "Fitzcarraldo" (aus dem ihn Werner Herzog wieder rausschnitt). Und er startete mit "She’s The Boss" (1985) eine Solokarriere. Drei weitere Alben folgen.
2003 fand er endlich die Zeit, sich zum Ritter schlagen zu lassen ("Ich fühle kalte Wut über seine blinde Dummheit", sagte Keith Richards dazu). Ein Foto, das ihn kniend vor Prinz Charles zeigt, will Mick Jagger jedoch nicht veröffentlicht sehen. Es sei sehr schön, Ritter zu sein, lässt er verlauten. Man dürfe es nur nicht zu ernst nehmen.