"Heidelberger" statt "Dachsenfranz"

Nach 55 Jahren wechselt der Fohlenmarkt das Festbier

Die Stimmung in Zuzenhausen ist getrübt. Im Sinsheimer Rathaus ist man überzeugt, alles richtig gemacht zu haben. Die Veränderung ist Stadtgespräch.

12.05.2022 UPDATE: 13.05.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 7 Sekunden

Von Tim Kegel

Sinsheim. Ende einer Tradition beim Traditionsfest: Zum Fohlenmarkt ab dem 26. Mai wird ein neues Festbier gezapft, dem alten wurde der Hahn zugedreht. Es gibt nun "Heidelberger" anstelle des bisherigen "Dachsenfranz" – und zwar überall, sowohl im Festzelt als auch an den Bierständen am Rummelplatz. Die Veränderung ist Stadtgespräch und sorgt für höchst unterschiedliche Reaktionen.

"Rausgedrückt worden" sei Tilman Werner mit seiner Zuzenhäuser Brauerei, "wenigstens die Stände hätte man ihm lassen können", sagt ein Sinsheimer Gewerbetreibender, der den Heidelberger-Geschäftsführer Michael Mack kennt und, wie er betont, auch schätzt: Doch dessen deutlich größere Brauerei sei ohnehin "in fast jeder Wirtschaft und bei fast jedem Fest" auf Sinsheimer Boden vertreten, fährt er fort und findet: "Da ist die Stadt übers Ziel hinausgeschossen."

Doch die Angelegenheit wird auch anders gesehen: Mack sei "seit Jahren" um Sinsheim bemüht, engagiere sich sowohl sozial als auch für die heimische Gastronomie und für Events und sei schließlich "auch ein Sinsheimer". So heißt es ebenfalls oft und dass die Entscheidung deshalb folgerichtig wäre. Kaum Gegenstand der Debatte ist das eigentlich wichtigste daran: das Bier.

Die Stimmung ist getrübt in Zuzenhausen: "Getroffen" hat die Absage Tilman Werner vor allem deshalb, weil er davon "zuerst über Kanäle und dann aus der Zeitung" erfahren haben will: "Ich habe vollstes Verständnis, dass wir das Festzelt nicht bekommen haben, aber das mit den Bierständen schmerzt uns sehr", beklagt Werner. Schon sein Großvater hatte "vor 55 Jahren" erstmals Festbier an Willi Lowingers Buden geliefert, inzwischen schmecke der Fohlenmarkt für viele nach dem Zuzenhäuser Kellerbier. Seit dem Jahr 2011 kümmerte sich die damalige Adlerbrauerei, die heute "Dachsenfranz Biermanufaktur" heißt, zusätzlich ums Festbier in der Halle. Und als der Fohlenmarkt in den Folgejahren unter einem Publikumsrückgang litt und 2014 unter städtischer Regie mit Beteiligung der Fleischer-Innung neu auflebte, habe Werners Brauerei, ist dieser überzeugt, "auch keine Nebenrolle gespielt", als sich alles über den gelungenen Neustart überschäumend freute.

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Alles richtig gemacht zu haben – davon ist man im Rathaus überzeugt: Die "Heidelberger Braukunst" habe sich als Sponsor der Heimattage 2020 in Sinsheim mehr als verdient gemacht, wie Oberbürgermeister Jörg Albrecht schildert, jedoch mit der Absage des Landesfests herbe Verluste eingefahren. Tatsächlich habe seinerzeit zunächst "die Staatsbrauerei Rothaus als gesetzt für die Festbierlieferungen gegolten". Einiges an Klinkenputzen sei nötig gewesen, um das Ministerium "davon zu überzeugen, dass wir selbst gute Brauereien in der Region haben", sagt Albrecht. Nach einer öffentlichen Ausschreibung unter der Handvoll Brauer, an der sich auch Dachsenfranz beteiligt hatte, gab Macks Brauerei am Ende das wirtschaftlichste Angebot ab.

Mack, der aus Dühren stammt und in dem Stadtteil lebt, hat ein Näschen für regionales Marketing, auch weil er sich "emotional mit Sinsheim stark verbunden" fühlt, wie er betont. Seinerzeit ließ er Sinsheimer Bürger das Festbier mit entwickeln. Eine Gruppe sei daraus entstanden, "die sich noch heute trifft". Zuvor schon hatte Mack als Premium-Sponsor einen deutlich fünfstelligen Geldbetrag in die Heimattage gesteckt und schließlich einen Bierabsatz in ähnlicher Dimension in Aussicht – beim Ausschank während Großveranstaltungen wie dem Landesfestumzug, dem Baden-Württemberg-Tag, dem Festakt zur Eröffnung und weiteren. Es blieb kaum mehr als ein schaler Nachgeschmack.

Das bittere Ende, das schließlich die Corona-Landesverordnung bewirkte, beschreibt Albrecht so: "Am Ende musste Michael Mack das Festbier in den Kanal kippen. Neben dran ein Zollbeamter auf einem Klappstuhl, der guckt, dass es auch wirklich da rein fließt." Allein "rund 200 Fässer Heimattage-Bier" hat Mack vernichten müssen, sagt dieser. Und er räumt ein, dass er in dieser Zeit "sehr viel Geld verloren" hat. Für Albrecht ist der Zuschlag an Mack deshalb "ein Gebot des Anstands, erst recht von einer Stadt". Nach der Absage der Heimattage wolle die Verwaltung "als fairer Partner auftreten". Dies gelte speziell für Unterstützer, die auch nach der Absage "dabei geblieben" seien und ihr Sponsoring aufrecht erhalten hätten. Dass das offizielle Festbier auch an dem Rummelplatz gezapft wird, ist laut Albrecht "dem einheitlichen Eindruck" geschuldet. Betreiber Lowinger hält sich aus der Angelegenheit raus: Man wolle "dem Wunsch der Stadt" entsprechen und sei "froh, dass es wieder einen Fohlenmarkt gibt".

Trotzdem sitzen sowohl Mack als auch Werner durch die Entscheidung ein wenig zwischen den Stühlen: Sie kennen und duzen sich, keiner will dem anderen schlecht; als vergleichsweise kleine Brauereien weiß man von den Sorgen und Nöten des jeweils anderen.

"Man spricht über uns", will Mack dem Wechsel "etwas Gutes" für beide Seiten abgewinnen. Auch sei der Fohlenmarkt noch nicht in den Händen der großen Industriebierkonzerne. Er selbst habe "als Sinsheimer nun die Chance gekriegt, etwas in Sinsheim zu machen". Es habe Jahre gegeben, "in denen das nicht so war" und in denen man "anderen den Vorzug gegeben" habe, schildert Mack.

Unklar bleibt, ob es sich bei der Geste um etwas Dauerhaftes handelt: Von "einem Jahr, zwei oder auch länger" spricht Mack, Konkretes wisse er auch nicht. Albrecht sagt: "Darüber haben wir uns noch keine Gedanken gemacht."

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