Wie zwei Wieslocher 2000 Kilometer durch Deutschland reisten
Alfonso D’Avanzo und Annette Löffler erlebten auf ihrer Reise im August so einiges.



waren mit dem 9-Euro-Ticket unterwegs
Von Lisa Wieser
Wiesloch. Alfonso D’Avanzo und Annette Löffler aus Wiesloch hatten im August beschlossen, das Neun-Euro-Ticket zu testen und quer durch den Norden und Osten Deutschlands zu reisen. Alfonso D’Avanzo ist Berufsschullehrer in Bruchsal, interessiert sich für alles, was mit "Werkeln" zu tun hat, und ist erfüllt von einer weiteren Passion: Reisen mit dem Rucksack, ein paar Planungen, dann starten und sehen, was passiert.
Annette Löffler arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim, schließt gerade ihre Promotion ab, geht als Ausgleich oft in die Natur. Beide lieben unkomplizierte Urlaube, sind offen für das, was sie erwartet, und lassen sich auf neue Menschen und unbekannte Städte ein.
Von ihrem Wohnort Wiesloch aus sind sie zu der Neun-Euro-Ticket-Reise gestartet, und nach drei erlebnisreichen Wochen mit interessanten Begegnungen, überwältigenden Naturerlebnissen und manchen Überraschungen zurückgekommen. Im Gespräch mit der RNZ erzählen sie von ihrem Trip, von Erlebnissen, Erfahrungen und von Mitreisenden.
Sie wollten das Neun-Euro-Ticket testen, damit drei Wochen lang auf Deutschlandtour in den Norden und Osten fahren, und sind nach Festlegung der Route im August gestartet. Wohin ging es?
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Auf der ersten Etappe nach Göttingen, Lübeck, Rostock, Rügen und Saßnitz. Auf der zweiten Etappe ging es weiter nach Stettin in Polen und Halle. Und auf der dritten von Halle über Bamberg wieder zurück nach Heidelberg und Wiesloch.
Wie viele Kilometer kamen zusammen?
Wir haben mal alles zusammengefasst und schätzen circa 1500 bis 2000 Kilometer. Aber eher 2000, weil wir mit den Regionalzügen der DB immer wieder auf andere Bahnlinien wechseln mussten. Wir haben rund 32 Stunden im Zug verbracht. Und immer mit Maske.
Haben Sie konkrete Vorplanungen getroffen oder alles auf sich zukommen lassen?
Wir reisen generell etwas anders. Wir lieben entschleunigtes Reisen, und wenn damit noch ein Mini-Abenteuer oder sogar ein großes Abenteuer verbunden ist, umso besser. Die Routen haben wir allerdings komplett geplant und auch die Übernachtungen in zentralen Hotels, die in der Nähe der Bahnhöfe waren, vorher gebucht. Wir sind nicht allzu anspruchsvoll, aber die Hotels sollten schon komfortabler sein als die Zeit im Zug.
Waren Sie vorbereitet auf Verspätungen, Zugausfälle und mögliche Not-Übernachtungen auf Bahnhöfen oder hat Sie das weniger abgeschreckt?
Nee, die Vorstellung hat uns nicht abgeschreckt. Wir haben das Neun-Euro-Ticket genommen, uns in den Zug gesetzt und mit Spannung beobachtet, was passiert.
Was haben Sie auf der 2000 Kilometer langen Fahrt in den Regionalbahnen durch die Bundesländer erlebt, und wie haben Sie die 32 Stunden Zugfahrt verbracht?
Entspannt! Mit Lesen, Landschaften kennenlernen und die Umgebung beobachten. Wir sind fast problemlos durchgefahren, vor allem auf der Hinfahrt, weil die Züge noch nicht so voll waren. Auf der Rückfahrt war es bereits ab Timmendorfer Strand allerdings sehr eng. Die Bahn hat vorgeplant und Ersatzbusse bereitgestellt, damit die Massen verteilt werden. In unserem Zug ging nichts mehr vor- oder rückwärts. Manchmal gab es ein Gedränge, wenn Reisende mit ihren Fahrrädern zusteigen wollten, aber in den Fahrradwaggons kein Platz mehr war. Damit die Leute im Zug durchkamen, haben wir unsere großen Rucksäcke auf den Sitz neben uns gestellt. Wir waren fürchterlich eingequetscht, haben es aber ertragen, sind ruhig geblieben und waren heilfroh, dass wir überhaupt Sitzplätze hatten.
Was waren Ihre beeindruckendsten Erlebnisse?
Es gab viele, aber besonders beeindruckend war das "Segelschiff-Event Hanse-Sail 2022" in Rostock. Wir sind auf der Kieler Hansekooge mitgesegelt. Sie ist der Nachbau einer im Jahr 1380 gebauten Kooge, eines der ältesten Handelsschiffe in Europa. Es gab auch viele andere tolle Erfahrungen und Erlebnisse. Unter anderem, dass wir am voll besetzten Timmendorfer Strand den letzten Strandkorb bekommen haben (lachen).
Städte und die Natur- wie haben Sie das erlebt?
Das Spannendste war der Hundertwasser-Bahnhof in Uelzen, in der Lüneburger Heide, der im Zuge eines Expo2000-Projekts entstanden ist. In Lübeck hat uns das Hanse-Museum gefallen, eine entspannte Atmosphäre erlebten wir in Göttingen mit seinen Grünflächen und der interessanten Kunstszene. In Rostock und Stettin waren die Seglerwochen, deshalb haben wir viel Zeit im Hafen und am Wasser verbracht. Außerdem ist dort die Architektur interessant: prachtvolle Häuser neben DDR-Plattenbauten. Und was die Natur betrifft: Die Kreidefelsen in Rügen und Saßnitz sind wunderschön. Man kann sehr lange an der Kreideküste wandern, die Natur ist gigantisch. Wir haben wieder erlebt, dass man durch entschleunigtes Reisen ein viel besseres Gefühl für Zeit, Entfernungen und Eindrücke bekommt. Trotzdem ist man konstant auf Reisen, erlebt die Kultur und den Pulsschlag der Städte, deren Besonderheit und Mentalität, Gastfreundschaft und Offenheit.
Wie erlebten Sie die Mitreisenden im Zug? Gestresst oder entspannt?
Alles ist ziemlich glatt gelaufen, die Fahrt war relativ problemlos, und die Leute waren in der Mehrzahl doch recht entspannt. Einmal kam während der Fahrt im brechend vollen Zug die Durchsage, dass eine Frau namentlich gesucht und aufgefordert wird, sich bei der Bundespolizei zu melden. Wir Mitreisenden hatten nur einen Gedanken: Oje, hoffentlich wird jetzt der Zug nicht angehalten. Oder noch schlimmer: Jetzt wird der Zug nach der Frau durchsucht, das kann ja Stunden dauern.
Haben Sie Tipps für andere, die auch einmal so reisen möchten?
Ganz wichtig: Sich nicht abschrecken lassen von Berichten, dass etwas nicht klappen könnte. Außerdem reist es sich entspannter, wenn die Route gut geplant ist und wenn man abends weiß, wo man übernachtet. Vor allem wenn Hochsaison ist oder Züge Verspätungen haben können. Es wäre ein enormer Stressfaktor, wenn man abends nicht weiß, wo man unterkommt.
Sollte das Neun-Euro-Ticket wieder eingeführt werden, und würden Sie eine solche Reise wieder machen?
Wieder einführen, auf jeden Fall! Und ja, wir würden es sofort wieder machen.