Windpark-Bürgerentscheid

Der ganze Rhein-Neckar-Kreis blickt auf Meckesheim

Das Interesse an den Plänen ist riesig: In der voll besetzten Auwiesenhalle fand eine Einwohnerversammlung statt. Vor dem Bürgerentscheid gab es Infos aus erster Hand.

07.07.2023 UPDATE: 07.07.2023 06:00 Uhr 4 Minuten, 9 Sekunden
Grafik: Forum Energiedialog BW

Von Nicolas Lewe

Meckesheim. Bevor am 23. Juli mit einem Bürgerentscheid über die Verpachtung von Waldflächen für Windräder abgestimmt wird, gab es am Mittwochabend eine Einwohnerversammlung in der Auwiesenhalle. Bürgermeister Maik Brandt freute sich "außerordentlich" darüber, rund 400 Besucher begrüßen zu dürfen, darunter auch Amtskollegen aus umliegenden Gemeinden sowie die Landtagsabgeordneten Hermino Katzenstein (Grüne) und Jan-Peter Röderer (SPD). Nicht in persona anwesend war Albrecht Schütte (CDU), jedoch fand seine kürzlich in Bezug auf den Lammerskopf getroffene Aussage, der Bau von Windrädern im Wald sei "gegen die ökologische Vernunft", mehrfach Erwähnung.

Rund 400 Bürger aus Meckesheim und den umliegenden Kommunen waren in die Auwiesenhalle gekommen, um sich über die Vor- und Nachteile eines Windparks mit bis zu sechs Anlagen auf Meckesheimer Gemarkung informieren zu lassen. Foto: Alex

Der "Meckesheimer Weg"

"Der ganze Rhein-Neckar-Kreis blickt auf Meckesheim", stellte Brandt angesichts des Bürgerentscheids am 23. Juli und dessen Ausgang fest. Für die Einwohnerversammlung am Mittwochabend gab der Bürgermeister das Motto vor, so transparent und so umfassend wie möglich zu informieren. Dass es überhaupt einen Bürgerentscheid gebe, sei nicht selbstverständlich, doch dies sei von Anfang der Überlegungen an "der Meckesheimer Weg" gewesen. Mit Blick zum Beispiel ins benachbarte Dielheim sehe man, dass solche weitreichenden Entscheidungen andernorts auch ohne Bürgerbeteiligung getroffen werden.

Die Moderation des Abends übergab Brandt an Jakob Lenz vom Forum Energiedialog Baden-Württemberg. Im Vorfeld habe man sich dazu entschieden, die Infoveranstaltung auch für Bürger der Nachbarkommunen zu öffnen. Vor allem Wiesenbach, Mauer und Lobbach wären vom Bau eines Windparks auf Meckesheimer Gemarkung unmittelbar tangiert.

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Das Dialogforum Energiewende und Naturschutz, das Regierungspräsidium Karlsruhe, das Landratsamt Rhein-Neckar sowie die Bürgerinitiative "Pro Wald Pro Wind" beleuchteten bei der Einwohnerversammlung im direkten Austausch mit den Bürgern das Für und Wider von Windkraft im Wald. Ebenso mit Ständen vertreten waren die Bürgerenergiegenossenschaft Kraichgau sowie der Verband Region Rhein-Neckar.

Strom für bis zu 24.000 Haushalte

"Es gibt noch keinen Pachtvertrag", betonte Bürgermeister Brandt. Man habe sich im Gemeinderat nach einem umfangreichen Verfahren auf die RWE als möglichen Projektierer und Betreiber festgelegt. Für einen Vertrag, der mit Hilfe der Kommunalberatung Rheinland-Pfalz GmbH als externem Dienstleister ausgehandelt werden würde, sei ein positiver Bürgerentscheid die Grundlage. Bei einem Nein der Bürger werde man sich, vorausgesetzt das Quorum wird erreicht, natürlich auch an dieses Votum halten.

Julia Wolf, Projektleiterin von RWE, warb am Mittwochabend dafür, dem Windpark eine Chance zu geben. Die geplanten sechs Anlagen könnten klimaneutralen Strom für bis zu 24.000 Haushalte in der Region produzieren. Meckesheim könne über 25 Jahre Betriebsdauer mit Einnahmen von 37,5 Millionen Euro rechnen. Bürger können sich beteiligen und sollen auch einen Bürgerstromtarif angeboten bekommen, der klar unter dem Marktpreis liege.

Wolf betonte, wie zuvor schon Brandt, den Aspekt der Eins-zu-Eins-Wiederaufforstung. Nach Betriebsende des Windparks gebe es nach dem kompletten Rückbau so gesehen sogar mehr Wald als vorher. Auch müsse man die 4,5 Hektar, die man während des Betriebes dem Wald wegnehme, in Relation setzen.

Brandt erklärte, dass die Potenzialfläche 171 Hektar umfasst. Nehme man die gesamte Waldfläche in diesem Bereich nördlich von Meckesheim inklusive angrenzendem Staatswald und Wald im Besitz der Kirchenschaffnei, komme man sogar auf rund 470 Hektar. "4,5 Hektar sind weniger als ein Prozent", so der Bürgermeister.

"Gute alte Zeiten" sind vorbei

Brandt erläuterte auch, warum er persönlich inzwischen für die Umsetzung eines Windparks im Wald ist. Ebenso wie der Gemeinderat, dessen Fraktionsvorsitzende sich anschließend in kurzen Stellungnahmen an die Versammelten wandten, habe auch er noch bis vor Kurzem gesagt "Windräder im Wald, das geht gar nicht". Jedoch seien das "die guten alten Zeiten" gewesen. "Der Wald leidet, der Klimawandel hinterlässt Spuren."

Erneuerbare Energien seien ein Weg, dem entgegenzusteuern. Wie RWE-Projektleiterin Wolf verwies auch er auf die bis 2030 von Bund und Land gesteckten Ziele, 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Der Rathauschef ließ keinen Zweifel daran, dass Windräder in der Nachbarschaft – und auch im Wald – so oder so gebaut werden.

Der Vorteil, wenn dies auf Meckesheimer Gemarkung geschehe, bestehe darin, "dass wir das Heft des Handelns in der Hand behalten", hob Brandt hervor. Inge Hanselmann (CDU) nahm diesen Ball auf und befand in Anbetracht der in Aussicht gestellten jährlich 1,5 Millionen Euro für die Gemeinde: "Die Einnahmen könnten wir gut gebrauchen." Ob der Wind in diesem Bereich ausreichend stark sei – für die Bürgerinitiative ist er das nicht –, müssten Experten entscheiden. Mache man es nicht, verpasse man "eine einmalige Gelegenheit", meinte Jürgen Köttig (MuM). "Uns gefallen die Windräder nicht, trotzdem sind sie notwendig", so Steffen Nahler (M2). Hans-Jürgen Moos (SPD) bezeichnete das RWE-Angebot als "gut". Und das Waldgebiet bleibe "größtenteils unberührt".


Muss es wirklich im Wald sein?

Bürger nutzten das Angebot, um kritische Fragen zu stellen.

Das Fragerecht bei der Einwohnerversammlung war ausschließlich Meckesheimer Bürgern vorbehalten. Drei Fragen stachen besonders hervor:

Gibt es Alternativen zu Windrädern im Wald? 

Nina Grimaldi von der Stabsstelle Energiewende, Windenergie und Klimaschutz beim Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe sagte: "Der Ausbau erneuerbarer Energien ist politischer Wille. Es wird nicht darüber diskutiert, ob wir Windräder bauen, sondern wo und wie viele." Stand 2022 habe es in ganz Baden-Württemberg 762 Windenergieanlagen gegeben, davon aber nur 79 im Bereich des RP Karlsruhe. "Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, brauchen wir mehr Windräder."

Zum Thema Bau im Wald bemerkte Luca Bonifer vom Dialogforum Energiewende und Naturschutz: "Wir haben 40 Prozent Waldfläche in Baden-Württemberg." Für das Ziel, bis 2030 rund zwei Prozent des Stroms aus Windkraft zu gewinnen, "wird es ohne Anlagen im Wald nicht gehen". Bonifers wichtigstes Anliegen war ein Verschieben der Anlagen in weniger sensible Bereiche. Zudem forderte sie ein Abschalten der Anlagen, etwa in Zeiten hoher Fledermausaktivität.

Wie viel Wald muss gerodet werden?

Edith Wolber, Sprecherin der Bürgerinitiative "Pro Wald Pro Wind" erklärte entschieden: "Wir stellen uns gegen die Rodung." Angeblich finde diese im Namen des Klimaschutzes statt. "Doch wir wissen nicht, auf was wir uns einlassen, wenn wir dem zustimmen", so Wolber.

Auch mehrere Fragesteller äußerten ihre Skepsis. RWE-Projektleiterin Wolf erklärte, während der Bauphase müssten 7,5 Hektar gerodet werden, wovon 3 Hektar sofort wieder aufgeforstet würden. Unterm Strich verliere man also "nur" 4,5 Hektar Wald. Das entspreche sechseinhalb Fußballfeldern.

Wie ist das mit dem Schall und dem Abstand?

Der Abstand zu geschlossenen Siedlungen beträgt dem aktuellen Planungsstand zufolge überall mindestens 1,1 Kilometer. Der Lärmpegel für Bewohner liege bei etwa 35 Dezibel, Auswirkungen auf die Gesundheit seien deswegen nicht zu befürchten, so Wolf. Sie ergänzte: "Schallwerte müssen eingehalten werden."

Sollte der Schall doch einmal zu laut sein, werde man die Rotoren zeitweise abstellen oder diese zumindest drosseln. Generell sei es auch so, dass die Windräder nicht das ganze Jahr über rund um die Uhr in Betrieb sind. Die "Lärmbelästigung" liege zwischen einem Flüstern und einer ruhigen Wohnung.

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