Kultusministerin in Wiesloch

Dialog mit den Schulleitern der Region

Für Susanne Eisenmann spielen Grundschulen zentrale Rolle

03.04.2017 UPDATE: 04.04.2017 06:00 Uhr 3 Minuten, 30 Sekunden

"Frontalunterricht" der besonderen Art: Im Filmsaal des OHG sprach Kultusministerin Susanne Eisenmann erst vor und dann mit 23 Schulleitern aus der Region. Foto: Helmut Pfeifer

Wiesloch. (teu) "Es ist schön, dass Sie heute den Weg aus dem feinstaubbelasteten Stuttgart in den Luftkurort Wiesloch gefunden haben!" Mit einem Augenzwinkern begrüßte Karl Klein Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) im Ottheinrich-Gymnasium zum Schulleitergespräch, zu dem der CDU-Landtagsabgeordnete des hiesigen Wahlkreises seit zwölf Jahren mit schöner Regelmäßigkeit einlädt. Das Eis war schnell gebrochen. Dennoch hatten sowohl die Ministerin als auch die 23 Schulvertreter aus der Region so manches heiße Eisen im Gepäck. Im Mittelpunkt des Dialogs standen die weitere Entwicklung der verschiedenen Schularten sowie die Verbesserung von Bildungsqualität, Inklusion und beruflicher Bildung.

Vor dem eigentlichen Austausch hatte jedoch zunächst einmal die Kultusministerin alleine das Wort - sie referierte in guter alter Frontalunterricht-Manier ("Das war nicht meine Idee!"), die Schulleiter hörten brav zu. "Lesen, Schreiben, Rechnen - da sind wir nicht auf dem Niveau, auf dem wir es uns vorstellen", ging Susanne Eisenmann denn auch direkt ans Eingemachte. Die allgemeinbildenden Schulen in Baden-Württemberg bis Klasse neun hätten ein "Qualitätsproblem", wie der letzte bundesweite Ländervergleichstest eindeutig gezeigt habe. Die bittere Bilanz: "Wir rangieren jetzt im unteren Mittelfeld, in der Nähe von Bremen und Berlin. Irgendwie haben wir wohl vor einigen Jahren eine Abzweigung verpasst." Bildungspolitik lasse sich zwar "nicht im Hauruckverfahren" umsetzen, aber: "Wir müssen schauen, welche Weichen gestellt werden müssen, damit der Zug wieder aufs richtige Gleis kommt."

Doch wie können Qualität und Leistungsstärke der Schulen im Land gestärkt werden? Der Ministerin zufolge kommt hier den Grundschulen eine zen-trale Rolle zu. Neben der Einrichtung zusätzlicher Deputate und Poolstunden müsse insbesondere auch die Rechtschreibung an den Grundschulen wieder mehr Gewicht erhalten: "Schreiben nach Gehör geht gar nicht." Angesichts von Lehrermangel und angespannter Haushaltslage warf die 52-Jährige zudem einen kritischen Blick auf die Grundschulstruktur im Südwesten mit seinen knapp 2500 Standorten: "Wir haben zwar nicht vor, über die Schließung von Grundschulen im ländlichen Raum zu diskutieren. Aber wenn wir die Kleinteiligkeit erhalten wollen, können wir das Problem von Unterrichtsausfällen sicher nicht lösen."

Ein weiterer Schritt in Richtung Qualitätsverbesserung betreffe die Grundschulempfehlung, die ab dem kommenden Jahr wieder verbindlicher werden soll, wie Susanne Eisenmann erklärte - und was bei OHG-Hausherrin Svenja Kuhfuß spontan auf Zustimmung stieß, schließlich müsse doch der "zunehmenden Heterogenität in den Klassen" Rechnung getragen werden. Die neue grün-schwarze Landesregierung will das Beratungsverfahren neu regeln. Eltern sollen künftig der aufnehmenden Schule die Grundschulempfehlung vorlegen müssen. Ist darin die gewünschte Schulart nicht aufgeführt, soll die weiterführende Schule ein zusätzliches Beratungsgespräch mit den Eltern durchführen. Die bräuchten nicht um die Zukunft ihres Nachwuchses bangen: "Die berufliche ist gegenüber der akademischen Ausbildung gleichwertig. Und außerdem funktioniert die Durchlässigkeit unseres Schulsystems."

Die Stärkung aller bestehenden Schularten stehe im Fokus der Landesregierung, betonte die Ministerin in Wiesloch. Neben den allgemeinbildenden achtjährigen Gymnasien werde vor allem auch auf die beruflichen Gymnasien und die Realschulen ("Ein starkes Signal sind die über 600 zusätzliche Deputate") gesetzt. Nur über die Gemeinschaftsschule wurden an diesem Vormittag ungewohnt wenig Worte gemacht. Susanne Eisenmann stellte vielmehr klar: "Für diese Schulart muss ich nicht täglich Räucherkerzchen anzünden. Die Gemeinschaftsschulen sind jetzt eine eigenständige Schulart, die endlich raus muss aus der Glasglocke."

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Um den "großen Berg", vor dem das Kultusministerium derzeit stehe, bewältigen zu können, müsse ab sofort die "Schwarmintelligenz" stärker genutzt werden, betonte Eisenmann abschließend. "Wir sind und bleiben im Gespräch mit denjenigen, die Schule gestalten, und wir müssen die Schulleitungen stärker ertüchtigen, um mit den neuen Herausforderungen klarzukommen."

Die Schulleiter der Region nahmen das Gesprächsangebot gerne an. "Unsere Eltern stehen voll und ganz hinter G9", unterstrich Ulrike Sauer-Ege vom Leibniz-Gymnasium Östringen, das einen neunjährigen Zug anbietet. "Es ist schön, wenn einige Schulen erfolgreich mit diesem Modell arbeiten. Aber flächendeckend bleibt es bei G8", erteilte Susanne Eisenmann dem neunjährigen Gymnasium landesweit eine freundliche, aber bestimmte Absage.

Ein großes Thema brachte Patrick Merz, Rektor der Leimbachtalschule in Dielheim, auf den Punkt: "Die inklusive Beschulung ist in der Praxis sehr schwer umzusetzen, da die Sonderschulpädagogen dünn gesät sind." Und Wieslochs OB Dirk Elkemann sprach die wirtschaftlichen Aspekte der Inklusion an, insbesondere beim Wechsel inkludierter Schüler an Regelschulen. "Die Inklusion ist erst seit zwei Jahren im Schulgesetz verankert, also immer noch ein ’lernendes Gesetz’. Fakt ist aber: Wir müssen uns stärker zur gruppenbezogenen Inklusion bekennen", war von der Kultusministerin zu hören. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf ihren für Juli vorgesehenen Bericht im Landtag zur Entwicklung der Inklusionsbestrebungen.

Weitere Themen im Rund der Rektoren: Wann kommt der Informatikunterricht als Pflichtfach, wann das Profilfach "Informatik, Mathematik, Physik" (IMP), wann der verpflichtende Ethikunterricht ab Klasse fünf und der Islamunterricht? "Wir wollen künftig den gesamten mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bereich stärken", lautete die frohe Kunde. Informatik werde es in absehbarer Zukunft in allen Schularten geben, so Susanne Eisenmann, das Fach IMP sei "theoretisch noch für das kommende Schuljahr" möglich. Nicht ganz so optimistisch gab sich die Ministerin hinsichtlich der Einführung eines islamischen Religionsunterrichts ("Keine Ahnung, wann der kommt"), aber: "Ethik bräuchten wir eigentlich schon in der Grundschule, das will ich nicht auf die lange Bank schieben."

Die Kultusministerin hatte in Wiesloch ein offenes Ohr für die Vertreter der Schulen und nahm sicherlich viele Anregungen mit nach Stuttgart. Susanne Eisenmann warb aber auch um Verständnis, "nicht alles leisten zu können": "Seien Sie versichert, ich kämpfe um jede einzelne Ressource durchaus kreativ und bissig. Aber ich muss auch schauen, welche Ressourcen wegfallen können. Dies zu sagen, gehört zur Ehrlichkeit dazu."

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