Kultusministerin Eisenmann: "Ja, die Grundschulen habe ich im Blick"

Kultusministerin Eisenmann will Erwartungen deutlicher formulieren - Kleinteiligkeit einiger Standorte problematisch - Lehrermangel: Schulversuche werden hinterfragt

31.03.2017 UPDATE: 01.04.2017 06:00 Uhr 3 Minuten, 31 Sekunden

"Für Rechtschreibung sind Klasse 7 und 8 etwas spät": Eisenmann will Erwartungen an Grundschulen klarer formulieren. Fotos: Pfeifer/dpa

Von Sören S. Sgries

Wiesloch. Wenn sich Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) mit Lehrern oder Schulleitern - wie am Freitag in Wiesloch - trifft, sind die Wunschlisten lang. Schwierig, musste die 52-Jährige doch schon bei den letzten Haushaltsverhandlungen mit harten Bandagen um ihre Mittel kämpfen.

Frau Eisenmann, aus den Schulen gibt es viele Wünsche, gleichzeitig verlangt das Finanzministerium von Ihnen weitere Einsparungen in Höhe von 46 Millionen Euro im Doppelhaushalt. Wie geht das zusammen?

Ja, diese Zahlen sind richtig. Die Einsparungen werden das Kultusministerium jährlich mit gut 22 Millionen Euro treffen. Ich bekenne mich dazu: Auch mein Ministerium wird seinen Teil zur Haushaltskonsolidierung beitragen. Aber das wird nicht leicht, weil bei uns rund 86 Prozent des Etats Personalkosten sind. Schon jetzt sind wir bei der Unterrichtsversorgung kritisch aufgestellt. Ich werde nicht akzeptieren, dass die Haushaltskonsolidierung zur weiteren Belastung der Unterrichtsversorgung im Pflichtunterricht führt.

Die Lehrer-Schüler-Betreuungsrelation ist im Ländervergleich recht gut. Gerade ist der Landesrechnungshof bei Ihnen im Haus: Wird er dort nicht Sparpotenzial erkennen?

Richtig. Der Landesrechnungshof ist seit Anfang des Jahres bei uns im Haus, bewertet, wo Ressourcen sind und wo wir durch Umschichtungen neue Schwerpunkte setzen können. Er ist aber nicht dazu da, um uns Einsparungen zu benennen. Er bewertet uns gutachterlich.

Wie also bewerten Sie die Lage beim Personal?

Wir müssen neue Aufgaben dadurch bewältigen, dass wir unsere Lehrerinnen und Lehrer an anderer Stelle entlasten. Zum Beispiel haben wir, quer durch alle Schularten, unglaublich viele Schulversuche im Land. Wenn wir die nicht in die Fläche tragen wollen, dann sollten wir sie abschaffen. Es gibt beispielsweise vielerlei unterschiedliche Modelle für den Ganztag. Wenn man da vereinheitlicht, kann man Ressourcen freisetzen. Wir überprüfen außerdem die Frage, ob Englisch und - an der Rheinschiene - Französisch in der Grundschule Sinn ergibt. Ab Klasse drei ist das gesetzt. Aber in den ersten beiden Klassen kann man durch Streichung des Fremdsprachenunterrichts eine nicht unbeträchtliche Deputatszahl freisetzen, um diese Deputate dann zur gezielten Stärkung unserer Grundschulen weiterhin dort zu belassen.

Kritik am Fremdsprachunterricht, am Schreiben nach Gehör: Es scheint, als hätten Sie im ersten Amtsjahr besonders den Unterricht an Grundschulen im Blick.

Ja, die Grundschulen habe ich im Blick - aber nicht, weil ich glaube, dass sie ihre Arbeit besonders schlecht machen. Es ist ein unterstützender Blick. Für Rechtschreibung sind Klasse 7 und 8 etwas spät, um damit anzufangen. Auf den Anfang kommt es an! Ich habe vollstes Vertrauen, dass die Grundschullehrer Kompetenzen gut vermitteln. Wir müssen aber deutlicher sagen, welche Kompetenzen ein Schüler haben muss.

Es gilt das Prinzip "Kurze Beine, kurze Wege", was die vielen kleinen Grundschulen im ländlichen Raum sichert. Ist das aus finanziellen und pädagogischen Gründen sinnvoll?

Es gibt den verständlichen Wunsch der Eltern und Kommunen, eine möglichst nahe Beschulung zu sichern. Für die Kinder ist es sinnvoll, jeden der knapp 2500 Grundschulstandorte zu erhalten - aber nicht unbedingt, was den Ressourceneinsatz und die Pädagogik angeht. In anderen Bundesländern sind 200 Schüler für einen Standort notwendig. In Baden-Württemberg gibt es sogar Schulen mit insgesamt nur 30 Schülern und zwei Lehrern. Wir sollten politisch nicht zu Zusammenschlüssen zwingen. Man muss sich aber bewusst sein: Wenn wir die Kleinteiligkeit erhalten wollen, ist beispielsweise das Problem von Unterrichtsausfällen nicht zu lösen. Insofern beraten wir die Kommunen gerne, was Weiterentwicklungen oder Bündelungen angeht.

Es sind Standorte, wo Sie auch keine Lehrer finden. Verschärft das die Problematik nicht?

Im ländlichen Raum haben wir oft keine Bewerber. Lehramtsbewerber lassen sich auch kaum überreden. Wir stellen inzwischen so früh ein wie kein anderes Bundesland. Und wir haben im ländlichen Raum die "schulscharfen" Stellenausschreibungen zum Teil auf nahezu 100 Prozent erhöht, weil wir glauben, dass Schulen dadurch mit ihren Konzepten und Persönlichkeiten noch einmal anders werben können. In den ländlichen Raum zwingen kann man niemanden - auch wenn es die wenigsten hinterher bereuen.

Aus dem Gemeindetag gab es den Vorstoß, "Schulleiter auf Zeit" zu ermöglich. Was ist von Ihnen zu erwarten?

Ich halte das für unrealistisch, dass einer ein paar Jahre eine Schule leitet und dann wieder ins Glied zurücktritt. Ich kann da den Markt nicht erkennen. Wir schauen, wie wir entlasten können - etwa bei der Verwaltung. Ein Problem ist doch, dass die Leitungsstrukturen nicht mehr zu den Realitäten passen.

Eine Verbesserung der Schulleiter-Vergütung wäre möglich?

Ich würde es ja gerne machen. Aber wo soll denn das Geld herkommen? Meine begrenzten Mittel werden aufgrund der schwierigen Haushaltslage strukturell eher weniger denn mehr. Wenn wir in bestimmten Bereichen investieren wollen, werden wir sicher einige andere Dinge nicht mehr machen können. Wenn ich die Prioritäten benenne, dann werde ich auch Posterioritäten benennen. Dann bin ich gespannt, wie die Reaktionen sein werden.

Können Sie diese "Posterioritäten" schon nennen?

Nein.

In den letzten Haushaltsverhandlungen hatten Sie die Einführung des flächendeckenden Informatikunterrichts in Frage gestellt. Wird diese jetzt wieder geschoben?

Nein. Wir müssen auf der einen Seite langfristig Einsparungen umsetzen. Auf der anderen Seite investieren wir aber auch - das sehen Sie im aktuellen Haushalt, in dem wir trotz Konsolidierung zusätzliche Stellen geschaffen haben. Ich brauche für die flächendeckende Einführung der Informatik 100 weitere Deputate. Da müssen wir sehen, wo wir die herbekommen.

Informatik kommt?

Ich werde es beantragen. Wir brauchen weitere Deputate, um das aufsteigende Realschulkonzept umsetzen zu können. Wir brauchen zusätzliche Stellen in der Inklusion, für den Ganztag. All diese Themen kommen auf die Tagesordnung. Für alle werde ich kämpfen. Aber nicht alles ist möglich. Die Schuldenbremse hat Verfassungsrang - und Baden-Württemberg gehört definitiv zum Hoheitsgebiet des Grundgesetzes.