Wiesloch

Historische Spurensuche im "oberen Wiesloch"

Das Kulturforum Südliche Bergstraße hatte wieder zum Rundgang durch Altwiesloch mit Dr. Ludwig Hildebrandt eingeladen

20.08.2019 UPDATE: 21.08.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 28 Sekunden

Ein Blick in die historische Pankratiuskapelle mit ihren kunstvollen Wandmalereien aus dem 15. Jahrhundert. Foto: Sabine Hebbelmann

Von Sabine Hebbelmann

Altwiesloch. Nach dem großen Interesse im Mai hat das Kulturforum Südliche Bergstraße die Führung "Altwiesloch im Mittelalter" wiederholt. Bei der Begrüßung durch Jürgen Grimm vom Kulturforum und Bürgermeister Ludwig Sauer drängen sich 45 Teilnehmer auf dem Platz vor dem Bürgerhaus. Der um 1575 erbaute Herrensitz wurde ab der Mitte des 19. Jahrhunderts von der Gemeinde Altwiesloch als Rat- und Schulhaus genutzt.

Der Geologe und Heimatkundler Dr. Ludwig Hildebrandt wohnt selbst im Stadtteil und ist ein gefragter Kenner und unterhaltsamer Botschafter der Heimatgeschichte. Unter dem Arm trägt er einen Ordner voller Pläne, Karten und Ansichtsmaterial. "Wer ist noch aus Altwiesloch?", fragt er und rund ein Dutzend Teilnehmer recken die Hände in die Höhe. Viele wüssten es gar nicht, sagt Hildebrandt und zeigt eine Karte, auf der er die Grenze zwischen den Wieslocher "Stehkräge" und den Altwieslocher "Birekuche" eingezeichnet hat. Wie die zu ihrem Spitznamen gekommen sind, erzähle die Sage vom "Altwieslocher Birekuche" des Heimatdichters Wilhelm von der Bach, nachzulesen auf der Website des Stadtteilvereins.

Genannt wird der Ort zum ersten Mal 1269. Dabei sei Altwiesloch gar nicht der älteste Siedlungskern Wieslochs, so der Heimatforscher. Der Name komme vielmehr von lateinisch altus für hoch und bezeichne das "obere Wiesloch". Zum Schutz des mittelalterlichen Silberbergwerks wurde im frühen 12. Jahrhundert eine Burg gebaut, um die herum sich der Ort entwickelte.

Alte Zeichnungen zeigen einen Torturm und einen mehrstöckigen Wohnturm. Heute ist davon auf den ersten Blick nichts mehr zu sehen. Wie Hildebrandt berichtet, wollte ein Bauer 1888 den Wohnturm als Pferdestall nutzen und schlug eine Öffnung in die Mauer, woraufhin die Nordhälfte in sich zusammenstürzte. Der ebenfalls baufällig gewordene Torturm wurde zehn Jahre später gesprengt.

Bei dem ehemaligen Schlosshof handelt es sich um Privatgelände, üppig ranken hier Efeu und wilder Wein und hinter den behutsam ausgebauten alten Gebäuden öffnen sich weitläufige Gärten. "Willkommen" haben Kinder mit Kreide auf das Pflaster gemalt und bei der Linde steht zur Erfrischung der Teilnehmer Wasser bereit. Die verbliebenen Reste des Wohnturms sind in eine Scheune integriert und werden von der Gruppe in Augenschein genommen. Besichtigt werden darf auch ein Keller mit Tonnengewölbe aus dem 14. Jahrhundert, ebenso wie Mauerreste und eine Quelle in einem der Gärten.

Für durchaus glaubhaft hält der Referent die "Glocken-Sage": Der Sohn eines Augenzeugen habe 1773 zu Protokoll gegeben, dass ein Jesuit 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg drei Glocken vor den Franzosen schützen wollte und sie im Burggraben versenkte. Sie müssten in drei Meter Tiefe noch zu finden sein, glaubt Hildebrandt.

Im 14. Jahrhundert entstand unweit der Burg die Pankratiuskapelle, die später schrittweise erweitert wurde. Ab 1450 ließ Schwarz Reinhard von Sickingen die Kirche kunstvoll ausmalen. Um eines der Familienwappen, die sich in den Ecken des quadratischen Chores finden, rankt sich eine nette Anekdote: Zwei verfeindete Brüder wetteiferten darum, wer es wohl schaffe, fünf Schneebälle auf einem Schild zu platzieren. Der Verlierer ist geflohen und wurde hernach Flehinger genannt, während der Sieger fortan den Namen Sickinger - und die fünf Bälle im Wappen - trug. Was die Herren von Ehrenberg in Wiesloch getrieben haben, deren Wappen nicht nur den Schlussstein in der Sakristei ziert, sondern auch einen Wappenstein am einstigen Herrensitz Freihof, bezeichnet er als Rätsel.

Hildebrandt bedauert, dass es beim Umbau der Kapelle Mitte der 1970er Jahre keine Bauuntersuchung und keine Dokumentation gegeben hat. Dass der Bau viele Fragen aufwirft, macht ihn für den Heimatforscher jedoch auch spannend.

Auf einer Zeichnung von 1870 ist außen an der Ostwand ein Aborterker (diente als Toilette, zwei davon gibt es beim Freihof) zu sehen. "Ich kenne keine Kirche mit Aborterker", sagt der Heimatforscher. Möglicherweise habe ein Messdiener sein Gelass dort gehabt. Im Gewölbe der Sakristei ist eine schmale Tür eingelassen - der einzige Durchgang zum Obergeschoss. "Da müsste mal jemand hoch und nach dem Sitz gucken", sagt der Heimatforscher, streicht sich über den Bauch und fügt grinsend hinzu, er selbst habe in den letzten Jahren zu sehr zugelegt.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.