Über 70 Oldtimer durchqueren Wiesloch
Bertha-Benz-Fahrt führte traditionell an der Wieslocher Stadtapotheke vorbei - "Tankvorgang" durch Freunde historischer Fahrzeuge

Eine große Menschenmenge bestaunte die Schnauferl in der Wieslocher Hauptstraße. Sehr zu ihrer Freude waren viele der Teilnehmer, ihre Gäste und ihre tierischen Begleiter passend gekleidet. Fotos: Karl-Heinz Pfeiffer
Wiesloch. (hds) Etwas mehr als einen Liter Fleckenwasser, als Waschbenzin bekannt, kippte Apotheker Willy Ockel vor nunmehr 129 Jahren in den Tank des Patent-Motorwagens, mit dem Bertha Benz an jenem 5. August von Mannheim nach Pforzheim unterwegs war. Mit ihrem dreirädrigen Gefährt war ihr bei Wiesloch der Sprit ausgegangen, aber Ockel wusste zu helfen. Er holte eine Glasflasche aus der Apotheke, in der sich die begehrte Flüssigkeit befand, fachlich korrekt als Ligroin bezeichnet. Die Stadtapotheke war damit als "erste Tankstelle der Welt" etabliert und als Zwischenstopp durfte sie bei der "Bertha Benz Fahrt" des Allgemeinen Schnauferl Clubs Baden-Württemberg, Pfalz, Saar und des Automuseums Dr. Carl Benz Ladenburg natürlich nicht fehlen.
Über 70 Oldtimer, von denen einige bereits mehr als 120 Jahre auf ihren Achsen hatten, knatterten durch die Hauptstraße. Die Modelle wurden von Gerd Uwe Sauer, dem zweiten Vorsitzenden der "Freunde historischer Fahrzeuge Wiesloch", vorgestellt, der die Lenker nebst Begleitung begrüßte und auch eine Urkunde und symbolisch eine kleine Phiole überreichte - in der aber kein Ligroin enthalten war, sondern eher Hochprozentiges.
Zuvor hatte Dr. Adolf Suchy, Vorsitzender der Freunde historischer Fahrzeuge, den damaligen Tankvorgang am vereinseigenen Nachbau des Benz-Patentmotorwagens nachgestellt. Bertha Benz in Person von Vereinsmitglied Anne Asbree erzählte kurz von der heimlichen Ausfahrt in Richtung Pforzheim, ehe dann die fein rausgeputzten Oldtimer anrollten. "Es gab auch schon damals starke Frauen", meinte Anne Asbree und berichtete, Bertha Benz habe die Ausfahrt lediglich mit ihren Söhnen Eugen und Richard angetreten. Ehemann Carl lag noch schlafend im Bett, als die mutige Dame zu ihrer abenteuerlichen Fahrt startete. Wegweiser gab es in jenen Tagen noch nicht und so fuhr die kluge Bertha entlang von Wasserläufen und Bahnlinien - bis ihr eben der Treibstoff ausging und sie in Wiesloch Halt machen musste.
Bei der Neuauflage spielte das Wetter mit, als kurz nach 12 Uhr die Schnauferlparade durch die Hauptstraße rollte. Mit dabei unter anderem ein Benz Viktoria aus dem Jahre 1893, ein Renault XB, gebaut 1905, und natürlich durfte der Opel Doktorwagen nicht fehlen, der 1908 erstmals über die Straßen rollte. Citroëns, Buicks, einige Ford-Modell und auch ein Studebaker konnten bestaunt werden. Die Fahrer selbst waren aus allen Himmelsrichtungen gekommen, selbst aus der Schweiz und Österreich.
"Wir hätten heute keine Dieseldiskussion, würden wir weiterhin Leichtbenzin tanken", sagte Suchy scherzhaft und Klaus Rothenhöfer, der in seiner Eigenschaft als stellvertretender Bürgermeister die Teilnehmer der Gedächtnisfahrt begrüßte, erinnerte an den ersten, elektrischen Antrieb in Autos, der bereits 1888 erfunden und in Betrieb genommen worden war. Allerdings verschwand diese Technologie alsbald aus den Autos, der Verbrennungsmotor wurde weiterentwickelt. Offensichtlich eine Fehlentwicklung, wie die derzeitigen Diskussionen zeigen.
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Die gute Laune ließ man sich von der aktuellen, politischen Auseinandersetzung nicht verderben. Viele Insassen in den Fahrzeugen hatten sich historisch gewandet, so manches Sonnenschirmchen, lederne Kappen oder bunte Hüte waren zu sehen, Messing blinkte und "geschnauferlt" wurde unüberhörbar.



