Wiesloch: Bertha-Benz-Fahrt lockte mit rund 60 Oldtimern viele Neugierige an

"Schnauferl" erinnern an die Pionierfahrt - Ältestes Gefährt stammte aus dem Jahr 1898

02.08.2015 UPDATE: 03.08.2015 06:00 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden

Den Besuchern in der Wieslocher Fußgängerzone bot sich mit den 60 Oldtimern (erbaut zwischen 1898 und 1930) ein buntes Bild. Fotos: Karl-Heinz Pfeiffer

Wiesloch. (hds) Es war an einem Augusttag des Jahres 1888. Die Schulferien hatten gerade begonnen. Der Vater schlief noch, als kurz nach 5 Uhr am Morgen drei wagemutige Menschen zu einer abenteuerlichen Reise aufbrachen, die in die Automobilgeschichte eingehen sollte. Bertha Benz und ihre Söhne Eugen und Richard machten sich auf den Weg von Mannheim nach Pforzheim, ohne das Wissen von Berthas Mann Carl mit dem Patent-Motorwagen, einem dreirädrigen Gefährt. Bertha Benz wollte der Welt beweisen, dass dem "pferdelosen Wagen" die Zukunft gehört. Noch am gleichen Abend ging ein Telegramm in Mannheim ein: "Fahrt nach Pforzheim gelungen - Wir sind bei der Oma angekommen."

127 Jahre sind seitdem vergangen, vergessen ist die Fahrt aber nicht. Weit über 60 historische Fahrzeuge bis zum Baujahr 1930 waren jetzt wieder unterwegs, um im Rahmen der "Bertha-Benz-Fahrt", vom Allgemeinen Schnauferl Club Mannheim veranstaltet, auf den Spuren der Pionierin unterwegs zu sein. Der obligatorische Halt wurde an der Stadtapotheke in Wiesloch eingelegt, wo Bertha einst Treibstoff kaufte, schlichtes Waschbenzin mit Namen "Ligroin". "Tankwart" war in jenen Tagen ein gewisser Willy Ockel, der Stadtapotheker der Weinstadt.

Diesmal schlüpfte wieder Adolf Suchy, der Vorsitzende des Vereins "Freunde historischer Fahrzeuge" in Wiesloch, in die damalige Kleidung. Bertha Benz (Anne Asbree, ebenfalls Mitglied im Verein) fuhr in einem hochwertigen Nachbau unter dem Beifall der dicht am Wegesrand gedrängten Zuschauer vor. Und zwar in einem Benz-Motorwagen der ersten Stunde.

Aber es war nicht nur der nachgestellte Tankstopp, der an diesem Tage für Begeisterung sorgen sollte (siehe unten stehenden Bericht). Mit leichter Verspätung trafen dann auch die ersten "Schnauferl" im Herzen der Weinstadt ein, mit Geknatter und Getöse, um eine kleine Pause einzulegen, und viele Kameras wurden gezückt.

Der zweite Vorsitzende der Freunde historischer Fahrzeuge, Gerd Uwe Sauer, informierte mit Wissenswertem über die anrollenden Fahrzeuge und so konnten die Zaungäste beispielsweise erfahren, dass ein Benz Velo (Baujahr 1898) das älteste Gefährt bei der diesjährigen Rundfahrt war. Besonders freuen durfte sich Oliver Sperling, Gründungsmitglied des Wieslocher Vereins, denn er hatte die Ehre, das betagte Auto an diesem Tage zu steuern.

Das Fahrzeug ist im Besitz des Allgemeinen Schnauferl Clubs, der im Jahr 1900 ins Leben gerufen wurde. Unter den Gründungsmitgliedern befanden sich unter anderem bekannte Namen wie Horch, Borgward, Bosch und auch die Gebrüder Opel, die alsbald die Automobilindustrie prägen sollten.

Die Idee, sich zusammen zu tun, entstand im Rahmen einer Technikmesse in Nürnberg und wurde bei einem Spargelessen in der Quadratestadt zementiert. Anfangs war denn auch ein Spargel das erste Logo des Clubs, der als Vorreiter der vielen folgenden Vereine gilt und sich ältester Automobil-Club Deutschlands nennen darf.

Die Bezeichnung "Schnauferl" wird übrigens vom Geräusch der damaligen Ventile abgeleitet. Diese wurden über Unterdruck geöffnet, der beim Ansaugtakt im Brennraum entsteht. Am Ende des Ansaugtakts wurde es durch eine Feder wieder geschlossen. Dieses Geräusch brachte den Ventilen den Beinamen "Schnüffelventil" ein, aus dem dann der Begriff "Schnauferl" als Oberbegriff für die heutigen Oldtimer abgeleitet wurde.

Den Besuchern am Rande des evangelischen Kirchplatzes wurde ein buntes Bild geboten. Messingteile an vielen Fahrzeugen, von der Sonne ins rechte Licht gerückt, beeindruckten, aber auch die Kleidung der Insassen. Strohhüte und betagte Lederkappen prägten das Bild.

So manches "Ah" und "Oh" war zu hören, als Ford-T-Modelle, Buicks, Opel, Franklins, Renaults und Benz-Gefährte sich den Weg durch Wieslochs Innenstadt bahnten. Die meisten Fahrzeuge befinden sich laut Aussage von Gerd Uwe Sauer im Privatbesitz und sind nach seinen Worten von erschwinglich bis unbezahlbar auf einer nach oben offenen Skala einzuordnen.

"Der Markt ist überschaubar und wächst naturgemäß nicht", sagte Sauer der RNZ. Das Fahren auf öffentlichen Straßen wird seiner Aussage zufolge auch immer problematischer "Wir fahren bei den älteren Modellen noch mit Handgas und auch die Bremsen entsprechen natürlich nicht den modernen Anforderungen", gab er zu bedenken. Man sei auf die Rücksicht der anderen Verkehrsteilnehmer angewiesen, um sich sicher im Verkehr bewegen zu können.

Und doch sind die Schnauferl nach wie vor ein Anziehungspunkt für Jung und Alt. Das wurde in Wiesloch mal wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Für alle Teilnehmer gab es von Dr. Adolf Suchy die begehrte Urkunde und Ehefrau Jutta überreichte an die Fahrer noch ein Reagenzglas - mit Ligroin gefüllt.

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