Oldtimer-Fans brachten Wiesloch zum Beben
Freunde historischer Fahrzeuge feierten 130 Jahre Benz-Patent-Motorwagen und 25 Jahre Bertha-Benz-Skulptur - Maibaum-Einweihung

Die legendäre "Tank-Szene" 1888 an der Stadtapotheke wurde von Anne Asbree als Bertha Benz sowie Lukas Broghammer (li.) und Leandro Eller nachgestellt. Foto: Pfeifer
Wiesloch. (seb) "Und dann hat’s mich gefressen." So beschreibt Lutz Dietrich augenzwinkernd den Effekt, den alte Motoren, blitzendes Chrom und die geschwungenen Linien der Karosserien auf Oldtimer-Enthusiasten haben. Und dass diese Faszination ansteckend ist, wurde am Samstag in der Wieslocher Innenstadt deutlich, in der sich zahllose Fans ebenso tummelten wie Neugierige, die Hanomag, Karmann-Ghia oder Cadillac eigentlich nur als willkommene Kulisse für ein Foto nutzen wollten - und dann doch eine Weile blieben und die Schmuckstücke bewunderten.
Der Verein der Freunde historischer Fahrzeuge feierte "130 Jahre Benz-Patent-Motorwagen" und das 25-jährige Bestehen der Bertha-Benz-Skulptur vor der Stadtapotheke, Kirch- und Marktplatz waren mit Veteranen der Automobilgeschichte gefüllt. Angesichts der Besucherscharen sagte Bürgermeister Ludwig Sauer später zu den Oldtimer-Freunden: "Es ist euch wieder gelungen, die Stadt zum Beben zu bringen."
Mit seinem Studebaker von 1958 zog Lutz Dietrich die Blicke an und führte viele Gespräche, "das ist toll hier, wirklich". In seinem Museum in Haßloch stellt er 14 dieser amerikanischen Legenden aus, auch für andere alte Wagen kann er sich begeistern, "aber in die Studebaker habe ich mich verliebt. Die sind ein Stück Zeitgeschichte", meint Dietrich. Auch ein Le Zebré, 1912 in Frankreich gebaut, war neben einem Jaguar XK 120 SE von 1952 zu sehen, ehe der Passant einen Messerschmitt-Kabinenroller und eine BMW Isetta erblickte. Die Band "Loch Ness All Stars" war vor ihrem Konzert noch mit Mercedes, Cadillac und Buick aus den 60ern und 70ern vorbeigekommen, frönte ihrer Leidenschaft und trommelte für das Loch Ness, dem das Aus droht. Unter ihnen war Stephan Bayer aus Reilingen, der seinen Chrysler New Yorker von 1956 präsentierte. Der V8 sei praktisch unverwüstlich, erklärte er, und an Verschleißteilen wie Bremsen und Kupplung könne man viel selber machen. Das bestätigte ein Besucher: "An den Autos heute brichst du dir nur die Finger."
Interessant auch die Ausstellung des MG-Sportwagens im Rathaus, den Hubert-Sternberg- und Realschüler mit den Freunden historischer Fahrzeuge restauriert hatten. Dass die jungen Leute sich von diesem Projekt motiviert und bereichert fühlen, zeigten ihre ausgestellten Projektberichte.
Einen "Urvater" all dieser Fahrzeuge konnten die Besucher in Aktion erleben: den originalgetreuen Nachbau des Patent-Motorwagens von Carl Benz, Modell III. Das Stuttgarter Mercedes-Benz Classic Center, Museum der Daimler AG, hatte ihn den Freunden historischer Fahrzeuge zum Geschenk gemacht. Adolf Suchy, Vorsitzender der Freunde historischer Fahrzeuge und Mann der heutigen Stadtapothekerin Jutta Suchy, spielte den "Tankwart", der Bertha Benz auf ihrer Überlandfahrt 1888 mit Treibstoff ausgeholfen hatte. Das SWR-Fernsehen filmte das Geschehen. Anne Asbree, die Frau des Pressebeauftragten der Freunde historischer Fahrzeuge Peter Asbree, der die Moderation übernahm, lenkte als Bertha Benz den Wagen, unterstützt von Lukas Broghammer und Leandro Eller aus Dielheim als Benz-Söhne Eugen und Richard. Die Jungs fanden das Ganze interessant und spaßig. "Schade, dass ich nicht drauf darf", bedauerte Lukas.
"Wir finden toll, dass die Erinnerung an diese legendäre Fahrt und diesen Urknall der Automobilgeschichte wach gehalten wird." Das sagte Gerhard Heidbrink vom Mercedes-Benz Classic Center. Das Bewahren der historisch interessanten Wagen ist ebenso seine Aufgabe wie die Öffentlichkeitsarbeit. Da gehörte es sich, die "erste Tankstelle der Welt" zu würdigen. "Die Freunde historischer Fahrzeuge sind sehr rührig", lobte er. Und, ergänzte er augenzwinkernd, "sie waren hartnäckig genug, dass wir gesagt haben: Ihr kriegt einen Patent-Motorwagen". Adolf Suchy bedankte sich herzlich und überreichte Heidbrink eine Druckgrafik von Pit Elsasser.
Für das nächste Highlight rückte dieser wohlbekannte Künstler in den Fokus. Pit Elsasser hatte 1991 die beliebte Skulptur von Bertha Benz geschaffen. Die Idee stammte von ihm, lässt er sich doch gerne von Oldtimern begeistern: "Das ist unsere Kindheit, der Austin-Healey ’Froschauge’ war doch als Student unser Traum." Elsasser war auch entzückt von einem in Wiesloch alltäglichen Anblick: Kinder hatten die Bertha-Benz-Skulptur erklommen und beobachteten das Geschehen. "Das bereitet mir immer wieder Vergnügen." Bürgermeister Sauer, selbst Oldtimer-Freund, dankte abschließend herzlich allen Beteiligten.
Später hatte noch jemand Grund zum Feiern: Der Handwerk- und Gewerbeverein weihte seinen Maibaum ein. Das "schöne Fest" der Oldtimer-Freunde zu nutzen, habe sich angeboten, so Pressesprecher Rainer Göpferich. Man wolle nämlich ein Signal aussenden, dass Wiesloch enger zusammenrücken müsse, kulturelle Vereine, Stadtmarketing, Verwaltung und "alle, die sich für Wiesloch verantwortlich fühlen". Zum Beispiel gehe es darum, die Innenstadt zu beleben. "Wir wollen die positiven Seiten von Wiesloch herausstellen."



