Weinheim

Stadt-Promis sammelten Geld für Wohnungslose

Mundart, Märchen und Musik: Markus Weber, Torsten Fetzner, Elsbeth Wagner und Franz Piva sammelten bei einer Adventsführung 2050 Euro.

23.12.2022 UPDATE: 23.12.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 26 Sekunden
Literatur von Markus Weber, Musik von Torsten Fetzner, Kunst von Elsbeth Wagner und Wissen von Franz Piva (v.l.): Vier Stadt-Promis starteten in der Ulner Kapelle eine Führung. Foto: Dorn

Von Günther Grosch

Weinheim. Das Märchen der Brüder Grimm vom "Sterntaler" kennt wohl jedes Kind. Doch dass das "kloane Mädsche in dem kloane Dorbogezimmer iwwer der schdeili Drebb, der Hölleschdaffl, glei hinner de evoangelisch Schdadtkärsch" gewohnt hat, das wissen auch viele Erwachsene nicht. Markus Weber, promovierter Altphilologe, Pharmazeut, Kabarettist und Chansonnier, hat das Märchen vom "Woinemer Schderndaler-Mädsche" nicht nur dorthin verortet, wo es sich tatsächlich hätte abspielen können. Er machte mit seiner "Gschichd uff Woinemerisch" auch den furiosen Auftakt zu einer nicht weniger schönen Episode uneigennützigen Tuns.

Stadtführer Franz Piva, Weinheims singender Erster Bürgermeister Torsten Fetzner, die ehemalige Lehrerin Elsbeth Wagner und Weber hatten sich diese Woche an zwei aufeinanderfolgenden Abenden zusammengetan, um es – ähnlich wie im Märchen – "Taler", sprich Euro, regnen zu lassen. "In Wort, Bild und musikalischer Tat wollen wir etwas für die in Weinheim und Umgebung lebenden Wohnungslosen tun", begründete Piva das Ansinnen. Denn, so Weber: "S’gibt a heit noch mener Mensche, dene es net gut geht, als ma dengt."

Piva (4.v.r.) erläuterte die Geschichte und Nutzung alter Gebäude und die Traditionen rund um die Adventszeit, Fetzner (rechts daneben) begleitete die Führung musikalisch. Foto: Dorn

Gesagt, getan. Weber las aus seinen "Weinheimer Märchen". Wagner stellte mehr als ein halbes Hundert selbst gemalter Aquarell-Weihnachtskarten zum Mindest-Stückpreis von fünf Euro zur Verfügung. Während Piva und Fetzner zu einem musikalisch-informativen Spaziergang durch die Altstadt einluden, um aus dem Spendenerlös das Weihnachtsessen der Caritas für Obdachlose mitzufinanzieren.

Zweimal gut drei Stunden waren die jeweils rund drei Dutzend Mitwanderer am Dienstag und Mittwoch zu den Sehenswürdigkeiten der im abendlichen Lichterglanz funkelnden Stadt unterwegs. Dass es sich gelohnt hat, bewies der noch am späten Abend von Piva und Fetzner vorgenommene Kassensturz, der – ergänzt um private Spenden – 1453 Euro ergab. Weitere 597 Euro steuerte Fetzner als Solist auf von ihm besuchten Weihnachtsfeiern bei. Macht unter dem Strich 2050 Euro.

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28 Stufen hinunter und hinauf: In der unweit der Höllenstaffel gelegenen, 1368 erstmals urkundlich erwähnten Ulner Kapelle war es losgegangen. Vorbei am Deutschordenshaus und heutigen Stadtmuseum mit dem aus dem 16. Jahrhundert stammenden Wappen zog man weiter zum ältesten erhaltenen Fachwerkhaus zwischen Rhein, Main und Neckar, dem "Molitorschen" Haus von 1344. Nicht allein die Gebäude standen im Mittelpunkt von Pivas Erläuterungen. Mehr Raum als üblich widmete er dem Advent, etwa den "Rau"- "Sperr"- und "Dunkelnächten". Bei den Sperrnächten handele es sich um die zwölf Nächte vor der Wintersonnwende am 21. Dezember, so Piva. Der Überlieferung nach endete in dieser Zeit die Arbeit. Haus und Hof wurden winterfest gemacht. Was man nicht zwingend benötigte, sperrte man weg. Die Dunkelnächte dauern von der Sonnwende bis Dreikönig.

Fetzner begleitete die Sängerschar auf der Gitarre. In der Ulnerschen Kapelle und dem benachbarten früheren Spital, das einst Wohnungslosen und Pilgern Herberge gewährte, machte er mit Leonard Cohens "Hallelujah uf Kurpälzisch" den Auftakt. "Maria hot dort en Borschd geborn, s’war so kalt, der wär’ fascht erfror’n", so Fetzners Version: "Und der liewi Gott, der is ahnschein’d soin Vadder." Für viele neu war die "Erfindung" des Adventskalenders. So wurden von den Eltern oft 24 Kreidestriche an Wand oder Wohnungstür gemalt, von denen die Kinder täglich einen wegwischten. "Oder es wurden Strohhalme in eine Krippe gelegt." Der schwäbische Pfarrerssohn Gerhard Lang entwickelte Anfang des 20. Jahrhunderts den ersten, fensterlosen Adventskalender. Der bestand aus zwei Blättern. Auf einem waren Zahlen, auf dem anderen Bilder mit Engeln genäht. Jeden Tag wurde ein Engel ausgeschnitten und auf eine Zahl geklebt.

Andere Quellen berichten, dass der erste gedruckte Adventskalender 1902 von einer Buchhandlung in Hamburg mit einer "Weihnachtsuhr" für Kinder versehen wurde. Seit etwa 1920 erscheinen die Adventskalender mit Türchen. Um 1960 gab es die ersten "Schoko-Kalender". Heute kann man in bundesweit 94 Millionen verkauften Adventskalendern (2021) beinahe jede Art von Überraschung entdecken, so Piva: "Aber am schönsten sind die selbst gebastelten." Beim zum Abschluss gesungenen "Stille Nacht" und dem "Badener Lied" auf dem Hutplatz öffneten sich einige Fenster umliegender Häuser. "Taler" regnete es allerdings nicht.

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