Weinheim

Bürgermeister Fetzner und Stadtführer Piva sammelten fürs Tierheim

Der Erste Bürgermeister machte sich mit einem Stadtführer auf die Socken, um bei Erklärungen über tierische Sprichwörter Spenden zu sammeln.

03.06.2023 UPDATE: 03.06.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 34 Sekunden
Fetzner (l.) stimmte „Hoch auf dem gelben Wagen“ an, als Piva (r.) eine Redewendung mit Pferden erklärte. Foto: Kreutzer

Weinheim. (keke) Franz Piva ist nicht nur ein Stadtführer, dem niemand ein X für ein U vormachen oder eine Katze im Sack verkaufen kann. Der 83-Jährige ist auch ein großer Tierfreund. Umso mehr schreckte ihn vor Kurzem die Nachricht auf, dass sich das Weinheimer Tierheim am Limit befinde. "Das war wie ein Weckruf für mich", erklärt Piva, warum er sich dieser Tage mit dem "singenden" Bürgermeister Torsten Fetzner auf einen Streifzug durch die Altstadt machte, um mit dem unterwegs gesammelten Geld dem Tierheim zu helfen.

Gelohnt hat sich der gut zweieinhalbstündige Einsatz: für die knapp 20 Gäste, die sich dem Duo an die Fersen hefteten und zwischen Ulner Kapelle, Rabenhaupter Hof und Judengasse viel Geschichtliches erfuhren. Aber auch das Tierheim, das sich – von Piva und Fetzner "glatt gestellt" – über 500 Euro freuen durfte. Tiere begleiteten die Menschen von Anfang an, so Piva. "Teils kennen wir sie aus der Wildnis, teils sind sie zu Haus- und Nutztieren geworden." So schrieb man ihnen mit der Zeit Eigenschaften zu, die man von Menschen kennt. Andersrum fand der Mensch tierische Eigenschaften an sich selbst. "Listig wie ein Fuchs sein" oder "du blöde Kuh" schimpfen zum Beispiel. Einige Redewendungen sind historisch gewachsen: wie das "Bauen einer Eselsbrücke", um dem Lasttier den Weg über ein Gewässer zu ermöglichen. Ähnlich verhält es sich mit dem "Kater", so Piva. Dieses Gefühl nach einem Abend mit zu viel Alkohol stelle ein Wortspiel dar, das an "Katarrh" (Entzündung der Schleimhäute) angelehnt ist.

"Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts" geht nicht auf ein Tier, sondern auf einen Menschen zurück: den Heidelberger Studenten Karl Victor Hase, der 1854 einem Kommilitonen mit seinem Studentenausweis zur Flucht verhalf. Vor Gericht erklärte er seine "Erinnerungslücken" mit: "Mein Name ist Hase. Ich verneine die Generalfragen. Ich weiß von nichts." Die Kurzform wurde zum Allgemeingut. Vor dem Marktplatzbrunnen, den ehemals Kutscherpferde als Tränke nutzten, hatte Piva mehrere Redensarten auf der Pfanne: Hier habe man schon "Pferde kotzen sehen, obwohl Pferde dies im Gegensatz zu Kühen nicht können". Fetzner nutzte die Gelegenheit, um "Hoch auf dem gelben Wagen" anzustimmen, die Gäste fielen begeistert ein. Nach einer von David Kunerth gereichten flüssigen Stärkung in der Ulner Kapelle war der Amtshausplatz eine weitere der sieben Stationen. Zwischen Deutschordenshaus und Blick auf die Burgen gab es Aufklärung darüber, was es mit "Da brat mir doch einer einen Storch", dem "Pechvogel" und dem "Frosch im Hals" auf sich hat. Fetzner erfüllte seinen Part mit dem Lied von den "Fünf wilden Schwänen".

In der Judengasse und vor dem Adelshof Karl von Rabenhaupts erfolgte Aufklärung darüber, warum das Schwein als Glückssymbol gilt. Dabei war früher jemand, der (ein) "Schwein hatte", auf Schützenfesten als untalentiert zu erkennen. Gab es doch ein Ferkel ebenso wie einen "geschossenen Bock" als Trostpreis. Ein Ständchen der Spaziergänger galt im 1582 errichteten Büdinger Hof dem dort gerade feiernden Geburtstagskind Jessica. Der Hof selbst diente zeitweise als Zunfthaus der Gerber. An der Stelle seines Nebengebäudes befand sich im Mittelalter vermutlich die Synagoge der 1298 erstmals erwähnten jüdischen Gemeinde.

Weiter ging es ins Gerberbachviertel, wo einst die Rot- und Weißgerber sowie "Lohkästrippler" schufteten. Dazwischen stets ein Lied auf den Lippen, für das sich hier und da ein Fenster mit neugierigen Zuhörern öffnete. Die nächste Lehrstunde folgte darüber, was es mit dem Ausdruck "Hier zieht es wie Hechtsuppe" auf sich hat. Die "Hechtsuppe" stammt aus dem Hebräischen und heißt eigentlich "hech supha". Übersetzt: "Sturmtief". Der Ausdruck wurde in den jiddischen Sprachgebrauch übernommen, wenn es bei geöffneten Fenstern und Türen zog, so Piva.

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Die Teilnehmer zeigten sich begeistert: Man habe viel Neues dazugelernt, waren sich Gabi und Fritz Herling sowie Karlheinz und Ingrid Krether einig. Nach dem Kerwehaus und der "Kleinen Kneipe in unserer Straße" bildet der Hutplatz, das ehemalige Gelände der Hutmacher, die letzte Station.

Hier war das "Badner Lied" der Taktgeber. Dessen Zweiburgenstädter Strophe lautet ab sofort: "In Weinheim steht die Wachenburg, die Windeck obendrein, im Hermannshof die Blumen blühn, noch schöner kann es nirgends sein."

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