Weinheim

Beim Corps-Empfang holte OB Just zum großen Rundumschlag aus

Die Corpsstudenten hörten sich im Ratssaal an, wie die "große Politik" einer Kommune das Leben schwer macht.

10.05.2024 UPDATE: 10.05.2024 04:00 Uhr 2 Minuten, 35 Sekunden
Beim Empfang der Corpsstudenten las OB Manuel Just (l.) der Bundespolitik die Leviten. Foto: Dorn

Von Günther Grosch

Weinheim. Sie sind wieder da: Bis zu 3000 junge Männer in den bunten Farben und Uniformen ihrer Corps. Weil viele von ihnen zum ersten Mal in Weinheim sind und weil es sich zum guten Ton wie zu den Pflichten eines jeden Gastgebers gehört, die Stadt, ihre Bürger, deren Sorgen und Nöte wie Freuden und Annehmlichkeiten näherzubringen, stand am offiziellen Beginn der jährlichen, knapp viertägigen "Weinheimtagung von WVAC und WSC" der festliche Empfang der Stadt. Der fand traditionell im Großen Ratssaal des ehemaligen von Berckheim’schen Schlosses statt. Dort, wo zuletzt die "Lady of Crime", die Kriminalschriftstellerin Ingrid Noll, zur Ehrenbürgerin ernannt worden war.

Man habe sich auch in diesem Jahr auf dieses Wiedersehen mit seinen alten Bekannten und hoffentlich bald neu gewonnenen Freunden des Weinheimer Verbandes Alter Corpsstudenten gefreut (WVAC), sagte Oberbürgermeister Manuel Just in seiner Begrüßung stellvertretend für alle Gäste zu dessen Vorsitzendem Daniel Saftig, und dem Ersten Vorort-Sprecher des Weinheimer Senioren-Convents (WSC), Patrick Largent.

"Sie alle stehen für Geschichtsbewusstsein und Tradition, zugleich aber auch für Weltoffenheit und Toleranz", so Just. Gerade in diesen Tagen, in denen gesellschaftlich wieder einmal vieles aus den Fugen zu geraten scheint, in denen Politiker Attacken fürchten müssten, müsse man zusammen stehen, um wehrhaft die demokratischen Werte zu verteidigen, mahnte der OB.

Nicht zuletzt in den Corpsstudenten, ihren traditionellen Werten und ihrem demokratischen Selbstverständnis sehe er einen starken Partner. Das "nicht mehr verhandelbare Ziel der Klimaneutralität", die daraus folgende kommunale Wärmeplanung der Stadt und die Sanierung der Sporthalle des Bonhoeffer-Schulzentrums als aktuell größte kommunale Baumaßnahme nannte Just in seinem Parforceritt genauso wie die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit Deutschlands und seiner Unternehmen. Schlechte und praxisferne Gesetze trieben ihm "Tränen der Verzweiflung in die Augen" und bereiteten "ernsthafte Sorgen".

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Dabei nannte er den seit mehr als einem dreiviertel Jahr defekten Aufzug am Windeckplatz als Beispiel: "Weil zu dessen Wiederinbetriebnahme in einem so hoch technologisierten Industrieland wie Deutschland schlicht und ergreifend die Ersatzteile fehlen."

Ähnliches gilt für den neuen Fahrstuhl im Schloss. Nachdem man das Denkmalamt nach Monaten der Verhandlungen und der Auswahl unter 13 Varianten davon überzeugen konnte, dass mehr als 400 öffentliche Veranstaltungen pro Jahr einen Aufzug rechtfertigen, warte man auch hier aufgrund von Lieferschwierigkeiten seit mehreren Monaten auf den Einbau. Wie wolle man die Klimakrise in 15 Jahren bewältigen, wenn man für den Einbau eines Lifts schon drei Jahre benötigt, fragte Just.

Nicht selten versprächen Bund und Land die Erfüllung von Aufgaben, die sie dann den Kommunen zuwiesen – ohne die finanziellen Mittel, vom Personal ganz zu schweigen, bereitzustellen. Wie gut, so der OB, dass vor ihm ein ganzer Saal voll von jungen Akademikern sitze, die Deutschland wirtschaftlich, technisch und nicht zuletzt organisatorisch wieder voranbringen können. "Wir zählen auf Sie!", nahm Just die Corpsstudenten in die Pflicht. Es müsse sich wieder einiges ändern in diesem Land, und dafür brauche es einen erfrischenden und vor allem pragmatischen Blick.

Nicht unerwähnt ließ Just den am 9. Juni gemeinsam mit den Kommunal- und Europawahlen anstehenden Bürgerentscheid zum Bau eines Parkhauses und Hotels am Miramar. Dabei kam er auch auf die von der Stadt zu leistenden Investitionen zur Unterbringung von Flüchtlingen zu sprechen: Derzeit leben 435 Personen in einer sogenannten kommunalen Anschlussunterbringung.

Gleichzeitig habe man aber nicht nur noch einen Rückstand auf die der Stadt zugewiesene Quote von 130 Menschen. Im laufenden Jahr sei zudem mit weiteren rund 220 Flüchtlingen zu rechnen. Außerdem steige die Zahl der Obdachlosen – gegenwärtig knapp 150 –, deren Unterbringung gleichfalls zur Pflicht der Stadt gehört.

Die gute Nachricht zum Schluss: Mit der Bewilligung eines Sonderzuschusses durch den Gemeinderat in Höhe von 66.000 Euro steht dem Abschluss der Mauersanierung am südlichen Treppenaufgang der Wachenburg nichts mehr im Wege. Diese Entscheidung sei im Gremium ohne eine Gegenstimme getroffen worden, lobte Just. "Am Ratstisch wurde von allen Fraktionen sogar sehr deutlich die Wertschätzung gegenüber den Weinheimer Corpsstudenten geäußert".

Er könne sich dem nur anschließen: "Wir sind froh und glücklich darüber, dass und wie Sie dieses Wahrzeichen im Sinne der Stadt in Schuss halten." Dass die Stadt hierzu ihren eigenen Beitrag leistet, sei "schlicht und einfach selbstverständlich".

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