So steht es um den Tourismus in Neckargemünd
Es fehlt nur ein "touristischer Leuchtturm" - Konzept soll erarbeitet werden - Neckarriedkopf-Hütte soll eröffnet werden

Jedes Jahr werden in Neckargemünd rund 100 Führungen für Touristen angeboten - so wie hier auf dem Hochwasserpfad. Foto: Katzenberger-Ruf
Von Christoph Moll
Neckargemünd. Wohin steuert der Tourismus in der Stadt am Neckar? Bereits im September 2018 hatten die Grünen ein "touristisches Gesamtkonzept" für Neckargemünd beantragt. Nun beschäftigte sich der Gemeinderat in einer Sondersitzung mit dem Thema.
Der Tourismus sei grundsätzlich ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, sagte Petra Holzer vom Stadtmarketing. Die Übernachtungszahlen in der Metropolregion sind zuletzt um fast vier Prozent gestiegen, wobei der Tagestourismus das größte Segment sei. Jeder Tagesgast gebe im Durchschnitt 35,90 Euro aus. Tourismus sei ein wichtiger Standort- und Imagefaktor und verbessere auch die Lebensqualität der Einheimischen durch mehr Gastronomie- und Freizeitangebote.
Neckargemünd punkte durch seine gute Lage, seine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, als Station der Ausflugsschiffe der Weißen Flotte und mit der Tourist-Info in der Altstadt, so Holzer. Zudem sei die Stadt Mitglied in mehreren Touristikgemeinschaften und in Netzwerken. "Zahlreiche Übernachtungsbetriebe sind aber derzeit im Umbruch", sagte Holzer und sprach damit zum Beispiel die unklare Zukunft des Hotels Kredell an.
Im Jahr 2017 - das sind die aktuellsten Zahlen - habe es rund 55.000 Übernachtungen in der Stadt gegeben. Erfasst seien aber nur Betriebe mit mindestens zehn Betten - also auch alle Campingplätze, aber nicht die rund 50 Ferienwohnungen im Stadtgebiet. Hinzu kämen durch diese geschätzt noch einmal 19.000 Übernachtungen.
Auch interessant
Neckargemünd verfüge über eine "vielfältige Gastronomie mit Engpässen in der Mittagszeit", über viele Magneten wie die historische Altstadt und die Bergfeste Dilsberg mit 22.000 Besuchern jährlich, so Holzer. Jedes Jahr gebe es rund 100 Führungen für Touristen. Attraktiv seien zudem Ausflüge auf dem Neckar, Besuche des Sinnen- und Hochwasserpfades sowie das Nutzen der Rad- und Wanderwege, wobei der Trend zum "E-Bike-Tourismus" gehe.
Die Auszeichnung des Neckarsteigs zum schönsten Wanderweg Deutschlands habe im vergangenen Jahr zu einer großen Nachfrage geführt. Zudem gebe es eine "große Zahl hochwertiger Veranstaltungen", so Holzer. Es fehle aber ein "touristischer Leuchtturm", also ein Alleinstellungsmerkmal.

Die Hütte auf dem Neckarriedkopf soll im Frühjahr wieder öffnen. Foto: Alex
In diesem Jahr soll bekanntlich die Neckarriedkopfhütte am Neckarsteig ab April wieder in Betrieb genommen werden, wofür die Stadt einen Pächter sucht. Es wäre die erste bewirtete Hütte am Neckarsteig. "Bisher müssen die Wanderer Essen und Trinken selbst mitnehmen", sagte Holzer. Zudem solle in diesem Jahr ein Konzept für eine bessere Beschilderung erarbeitet werden.
Apropos Schilder: Auch die Informationstafeln aus den 1980er Jahren an historischen Gebäuden sollen demnächst erneuert werden. "Wir wollen ein Gesamtkonzept aus einem Guss", sagte Holzer. "Das braucht ein bisschen Zeit."
Hintergrund
Räte: Alleinstellungsmerkmale sollen herausgearbeitet werden
Die Grünen hatten ein "touristisches Gesamtkonzept" für Neckargemünd beantragt, das in der Sondersitzung des Gemeinderates behandelt wurde (siehe Artikel rechts). Und damit eine Diskussion
Räte: Alleinstellungsmerkmale sollen herausgearbeitet werden
Die Grünen hatten ein "touristisches Gesamtkonzept" für Neckargemünd beantragt, das in der Sondersitzung des Gemeinderates behandelt wurde (siehe Artikel rechts). Und damit eine Diskussion über die Zukunft des Tourismus in der Stadt ausgelöst.
Thomas Schmitz (Grüne) betonte, dass Neckargemünd eine touristische Marke sein müsse und einen "Leuchtturm" benötige. "Alles, was bisher getan wird, fördert den sanften Tourismus wie Wandern, Radfahren und Freizeitangebote auf dem Wasser", meinte er. "Wir werden uns aber Gedanken machen müssen, wie wir unsere Originalität und Unverwechselbarkeit herausstellen können." Die Idee sei hierzu zunächst abstrakt.
Schmitz sah eine "momentane Verstreuung der Aktivitäten auf Tourisitikgemeinschaften, die nicht dem Ziel einer Markenbildung für Neckargemünd gerecht wird". "Wir gehen in der Masse unter und müssen etwas Originelles finden", sagte er. Schmitz sah Anknüpfungspunkte in der Historie der Stadt wie die - seit einigen Jahren leerstehende - Griechische Weinstube. "Das war einmal ein Anziehungspunkt - heute ist das anders", so Schmitz. "Es muss gelingen, wieder so etwas zu finden und Besucher nach Neckargemünd zu locken." Dafür brauche man aber kein "x-tes Gutachten". Neckargemünd werde dann auch für die eigene Bevölkerung attraktiver.
All das nutze aber nichts, wenn Touristen nicht in Neckargemünd übernachten können. Es müsse deshalb alles getan werden, um die bestehenden Betriebe am Leben zu erhalten. Dafür gelte es, Fantasie und Hirnschmalz zu investieren.
Positives hervorheben, nicht auf Defizite aufmerksam machen
Winfried Schimpf (SPD) sah das Kleingemünder Terrassenfreibad mit Naturbecken als touristischen Höhepunkt. "Wir haben bei den Besucherzahlen einzelne Freibäder in Heidelberg überholt", betonte er und fragte, ob man das Bad noch besser bewerben müsse. "Unsere Stärke liegt im Wasser", meinte Schimpf. "Die müssen wir ausbauen, indem wir Positives hervorheben und nicht auf Defizite aufmerksam machen."
Jürgen Rehberger (Freie Wähler) stimmte Thomas Schmitz zu: "Wir können uns zwar nicht von den Tourismusorganisationen abkoppeln, aber Neckargemünd muss eine eigene Marke werden und sich deutlich abheben." Dafür müsse man die touristischen Aktivitäten auch besser präsentieren.
Steffen Wachert (Freie Wähler) brachte die Gründung einer "Neckargemünd Zukunfts-Projekt-Betriebsgenossenschaft" ins Spiel. Diese Idee trage er schon länger mit sich herum, so Wachert. Die Genossenschaft könne die Stadt auch im Hinblick auf den Tourismus finanziell und personell helfen. Ziel müsse der Erhalt von Traditionshäusern, Nahverkehr und Tourismus sein. "Wir müssen unsere Alleinstellungsmerkmale herausarbeiten", forderte auch Wachert. Dafür müsse man die Bürger einbinden, wofür die Genossenschaft eine "optimale Möglichkeit" sei. Die Initiative zu einer Gründung sollte aber aus allen Fraktionen kommen. Die Genossenschaft könne viele Experten wie Anwälte, Notare, Steuerberater und Banker unter ein Dach bringen, die ein langfristiges Konzept für die Stadt entwickeln wollen. Es gehe aber nicht darum, die Stadtverwaltung finanziell und personell zu ersetzen. Mit einem Anteil von 100 Euro habe jeder Bürger ein Mitspracherecht in der Genossenschaft.
Auf Nachfrage von Jürgen Rehberger (Freie Wähler) sagte die Fachfrau, dass auch ein Parkleitsystem - allerdings ohne aktuelle Anzeige der noch verfügbaren Parkplätze wie man es zum Beispiel aus Heidelberg kennt - in Arbeit sei. Auf die Anregung von Joachim Bergsträsser (SPD), Schilder für Gäste aus den entsprechenden Partnerstädten auch auf Französisch und Tschechisch zu beschriften, hieß es, dass dann die Schrift zu klein werde und nicht mehr lesbar sei. Von der Bildung eines touristischen Netzwerks - die erste Sitzung fand bereits statt - erhoffe man sich zum Beispiel Verbesserungen bei der Gastronomie durch Absprache von Ruhetagen.
Noch nicht klar sei die Finanzierung von Liegeplätzen für Gästeboote an der Elsenzmündung, so Holzer. Nachbesserungsbedarf gebe es bei E-Bike-Ladestationen, das bereits fertige Radwegekonzept solle umgesetzt und das Mountainbike-Netz ausgeweitet werden. Hierzu kritisierten Joachim Bergträsser (SPD) den "lebensgefährlichen Neckartal-Radweg" bei Neckarhäuserhof und Karlheinz Streib (Freie Wähler) den neuen Radweg ab Wiesenbach, der in Langenzell ohne Fortsetzung Richtung Dilsberg ende.
Hermino Katzenstein (Grüne) bemängelte den Neckartal-Radweg zwischen Rainbach und der Schleuse Neckarsteinach, der beim Campingplatz unter dem Dilsberg nur geschottert sei. Holzer versprach, dass dieser unter die Lupe genommen werde. Dilsbergs Ortsvorsteher Bernhard Hoffmann berichtete, dass man sich seit Monaten um eine Asphaltierung bemühe. Das Grundstück gehöre dem Neckarsteinacher Baron von Warsberg, mit dem noch kein Gespräch zustande gekommen sei, so Hoffmann.
Holzer berichtete, dass mehrere überregionale Behörden und Tourismusorganisationen aktuell ihre Konzepte überarbeiten. "Wir warten ab, bis die Ergebnisse vorliegen und erarbeiten dann in Workshops ein eigenes touristisches Konzept", schlug Holzer vor. "Bis dahin überprüfen wir unsere eigenen Angebote." Bürgermeister Frank Volk sagte, dass 2019 für den Tourismus "ein Jahr des Wandels und der Neukonzeption" sei. "Der Tourismus ist für Neckargemünd eine Chance, die wir nutzen müssen", sagte er.