Stele erinnert an jüdische Ladenburger
Stadtverwaltung bezieht mit Werk "Unser Auftrag!" Position. Das Konzept ist von Gudrun Schön-Stoll, die Umsetzung von Birgit Dursy.

Von Silke Beckmann
Ladenburg. "Unser Auftrag!" ist die schlanke weiße Marmor-Stele benannt, die an das Schicksal der jüdischen Bürger Ladenburgs erinnern und damit ein weiteres Zeichen gegen ein Vergessen setzen soll. Platziert ist sie im Aufgangsbereich zu Veranstaltungsräumen und Ratssaal im Domhof und damit am meist frequentierten Ort des Rathauses: "Unübersehbar, unverrückbar, unmissverständlich", betonte Bürgermeister Stefan Schmutz im Rahmen der gut besuchten Feierstunde. Dabei wurde das von Künstlerin und Ideengeberin Gudrun Schön-Stoll konzipierte und Steinmetz- und Steinbildhauermeisterin Birgit Dursy umgesetzte Kunstwerk erstmals öffentlich präsentiert.
Die Botschaft sei zeitlos und werde an Relevanz nichts einbüßen, sagte Schmutz angesichts Einstehens für ein "’Nie wieder‘ und für ein gleichberechtigtes, friedliches Miteinander in einer freiheitlichen Demokratie." Und so war auch das Datum der Präsentation bewusst gewählt. Denn genau 82 Jahre zuvor hatte die Geschichte jüdischen Lebens auch in Ladenburg geendet. Am 22. Oktober 1940 wurden die 27 letzten jüdischen Mitbürger in das Konzentrationslager nach Gurs deportiert, von denen nur acht Menschen den Holocaust überlebten: "Kein Gemeindemitglied kehrte dauerhaft nach Deutschland zurück", erinnerte der sichtlich bewegte Bürgermeister. Heute erinnern Gedenktafeln und Stolpersteine in Ladenburg an sie.
Solche Erinnerungssteine wurden im Jahr 2006 auch vor der Weinheimer Straße 20 verlegt, wo Gudrun Schön-Stoll mit ihrer Familie lebt, die durch diese Aktion überhaupt erst von der Geschichte ihres Hauses erfuhr. Denn dort wohnten bis zu ihrer Deportation die jüdischen Familien Krell und Löwenfels. Tief und nachhaltig hat sich Schön-Stoll der Tag der emotionalen Stolperstein-Verlegung eingeprägt, zu der eigens die Krell-Töchter Lea Weems und Ruth Steinfeld mit ihren Familien angereist waren. "Wir werden diesen Tag niemals vergessen", sagte die Künstlerin in Erinnerung an dieses Zusammensein ohne jegliche Schuldzuweisung oder Feindseligkeit. "Wir mochten uns." Die beiden Frauen hätten einen "wunderbaren Schritt gemacht, indem sie an das Gute glaubten" und mit ihrer Rückkehr an den Ort voller schmerzlicher Erinnerungen allen "die Chance geben, zu zeigen, dass wir anders sind" und "alles dafür tun, dass das, was die Nationalsozialisten verbrochen haben, nicht wieder vorkommen wird".
Schön-Stoll hat dieses wichtige Thema nicht losgelassen, fortan begleitete sie die Frage nach einem zugleich erinnernden wie auch auffordernden Denkmal für die Opfer. Schließlich verband sie ihren Entwurf mit einer nun auf der Stele eingebrachten Poesie, die verdeutlicht, dass Nächstenliebe und Respekt unabdingbare Voraussetzung für ein friedvolles Miteinander sind. Eine Tafel mit der englischen Übersetzung von Brigitte Walkenbach befindet sich an der benachbarten Wand. Die weiße Farbe des grob geschliffenen Marmors stehe für die Unschuld der Opfer, wie die Künstlerin erklärte, die aufliegenden Steine in den Farben Schwarz, Rot und Gold symbolisieren Deutschland und seine Bevölkerung.
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Bürgermeister Schmutz hatte Schön-Stoll als "meinungsstarke Bürgerin und zugleich anerkannte Künstlerin und Poetin" kennengelernt, "die der Stadt etwas sagen möchte und auch etwas zu sagen hat". Als sie ihm Mitte vergangenen Jahres erstmals ihr Vorhaben unterbreitete, war eine Situation wie die derzeitige, die "unser liberales und demokratisches Wertesystem in seinen Grundfesten herausfordern würde", nicht vorstellbar. In dieser Hinsicht sei das von der Stadt finanzierte und weit über 600 Kilogramm hinaus gewichtige Werk "Unser Auftrag" aktueller denn je. Es gehe um Pflege und Zusammenhalt einer sich gegen Hass und Hetze, Spaltung und Intoleranz immunisierenden Stadtgesellschaft: "Es geht um einen Auftrag, die Verantwortung, die uns die Geschichte gelehrt hat, zu kennen, zu bewahren und weiterzugeben. Es geht um Demokratievorsorge."
Schmutz dankte insbesondere dem Arbeitskreis Jüdische Geschichte für die intensive Aufarbeitung jüdischen Lebens in Ladenburg, namentlich Ingrid Wagner und Dr. Jürgen Zieher, die sich unermüdlich gegen das Vergessen einsetzten. Die Basis der Erinnerungskultur habe sich vorrangig auf bürgerschaftliches Engagement gegründet; wichtig war dem Bürgermeister, dass die Stadtverwaltung dies nicht nur unterstützt, sondern selbst klar Position bezieht.
Ingrid Wagner oblag schließlich die Enthüllung der Stele im Rahmen der von Ira Stoll (Geige) und Barbara Instinsky musikalisch begleiteten Feier. "Ich finde es fantastisch", sagte die Arbeitskreis-Sprecherin über das Kunstwerk, "das bedeutet mir ganz viel." Schließlich trage es, genauso wie das Denkmal am Eingang zum jüdischen Friedhof sowie die mit einer Tora versehene Sandsteinstele auf dem Marktplatz, dem Ort der damaligen Deportation, dazu bei, "dass noch mehr Menschen mit diesem Thema konfrontiert werden und sich ihre Gedanken machen". Wie sie berichtet, ist auch das Interesse an Führungen durch das jüdische Ladenburg nach wie vor ungebrochen. Den Entwurf für "Unser Auftrag!" habe ihr Gudrun Schön-Stoll schon vor Jahren gezeigt: "Gut, dass sie da drangeblieben ist."