Ladenburg

Heimatbund führt über den Friedhof

Rund 50 Teilnehmer verfolgten das Angebot von Heimatbund-Vorstandsmitglied Renate Kircheisen.

05.10.2021 UPDATE: 06.10.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden
Gut besucht war die Friedhofsführung des Heimatbundes. Am Eingang wurden jüngst die drei Findlingen mit den Namen der gefallenen Soldaten aufgestellt. Foto: Sturm

Von Axel Sturm

Ladenburg. Immer wieder bekommen Friedhöfe den Status eines Weltkulturerbes. Bestattungskultur spielt seit jeher eine wichtige Rolle für Menschen. Ein Weltkulturerbe ist der parkähnliche Ladenburger Friedhof zwar nicht, einen hohen Stellenwert hat er trotzdem für die Römerstadt und ihre Geschichte. Das sieht auch der Heimatbund so. Schon in den Jahrbüchern 2011 und 2012 befassten sich Ulrich Erhardt und Horst Müller mit den wichtigsten Gräbern. Und im vergangenen Jahr lies der Verein das Kriegerdenkmal, das bis in die 1960er-Jahre am Schriesheimer Tor gestanden hatte, wieder aufbauen. Am Samstag hatte der Heimatbund zum Rundgang mit Vorstandsmitglied Renate Kircheisen eingeladen.

Ihr war es wichtig, nicht nur die Gräber zu beschreiben, sondern "einen Bogen in die Stadt zu schlagen", um die Bedeutung der Grabstätten zu betonen. So erläuterte sie am Anfang, dass sich die Bestattungskultur stark verändert hat. Früher sei es üblich gewesen, aufwändig gestaltete Grabsteine als Zeichen des Respekts und Dankbarkeit auf die Gräber zu stellen. Heute sei auch im Bestattungswesen eine neue Zeitrechnung angebrochen. Waldbestattungen, Grabfeldbestattungen aber auch Seebestattungen sind inzwischen keine ungewöhnlichen Alternativen mehr.

Kircheisen zeigte den rund 50 Rundgangsteilnehmern zuerst die kunstvoll gestalteten Grabsteine einiger bekannter Ladenburger Familien. Es ist dem Heimatbund zu verdanken, dass die Grabsteine an der nördlichen Mauer der Friedhofskapelle wieder aufgestellt wurden. Dort steht der der Familie Diehl, die um 1850 durch Weinhandel ein stattliches Vermögen aufgebaut hatte. Auch der Grabstein der aus Italien eingewanderten Familie Scola ist ein Blickfang. Sie wurden reich durch den Gewürzhandel und aus Dankbarkeit unterstützten sie die Altkatholische Gemeinde in Ladenburg.

Das bekannteste Grab auf dem Friedhof ist sicherlich das Ehrengrab von Bertha und Carl Benz. Der Autoerfinder und seine Frau Bertha verbrachten ihren Lebensabend in Ladenburg und fanden hier auch ihre letzte Ruhe. Kircheisen beschrieb die letzte Reise von Carl Benz, dessen Sarg an seinem Todestag am 4. April 1929 von der Benz-Villa zum Friedhof getragen wurde. Hunderte Ladenburger standen demnach an den Straßen, um Benz die letzte Ehre zu erweisen. Das Ehrengrab werde immer wieder von Touristengruppen besucht, die sich auf die Spuren von Benz begeben.

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Eine mächtige Grabstätte hat auch die Fabrikantenfamilie Agricola, die mit der Herstellung von Zigarren aus Ladenburger und Heddesheimer Tabak ein Vermögen verdienten. Das bekannteste Familienmitglied war Rudolf Agricola, der zusammen mit Theodor Heuss und Hermann Knorr nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Rhein-Neckar-Zeitung die erste deutsche Tageszeitung im damaligen Württemberg und Baden herausgeben konnte. Rudolf Agricola wurde allerdings nicht in Burg, sondern an seinem Alterssitz ins Greifswald beerdigt. Oft besucht wird auch das Grab des katholischen Stadtpfarrers Häußler (1887-1960), der sich auch um weltliche Dinge kümmerte wie die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Häußler ist auch als "Süßmost-Pfarrer" bekannt, denn es war eine Leidenschaft des Pfarrers, Apfelsaft herzustellen.

Kircheisen machte ebenso einen Halt am Grabmal der gefallenen Soldaten des Badischen Revolutionskrieges. Die Neckarbrücke war damals ein wichtiges strategisches Bauwerk, das von den badischen Soldaten und den Kämpfern des Deutschen Bundes 1848 heftig umkämpft wurde. Unter anderem musste Hauptmann von Schreeb aus Mecklenburg sein Leben in Ladenburg lassen, wo er auch seine letzte Ruhestätte fand.

Ladenburg schrieb nicht zuletzt als Stadt der Baumschulen Geschichte. Auf dem Friedhof begraben sind auch die Gründer der Baumschulen Huben, Ruckelshausen und Kahle.

Die Rundgangsteilnehmer besuchten mit Kircheisen auch das Grab der Kinderärztin Dr. Maria Triebskorn (1908-1986), die ihr Vermögen dem Heimatbund vermacht hatte. Aus den Mitteln der Stiftung wurde jüngst das Projekt Römergarten des Lobdengau-Museums mitfinanziert.

Friedhofsführerin Kircheisen zeigte dann eine Besonderheit, die eigentlich nur auf Friedhöfen im Chiemgau zu finden sind. Auf dem Grab des Künstlers Emil Maul (1914-2010) steht ein schmiedeisernes Kreuz. Auf der Rückseite befindet sich ein sogenanntes "Seelen-Fenster", in das die Hinterbliebenen Botschaften hineinlegen konnten.

Den Abschluss des Rundgangs bildete der Besuch des Jüdischen Friedhofs, auf dem ab 1848 die Ladenburger Juden beerdigt wurden. Ein Gedenkstein von 1995 weist dort auf den Holocaust hin und zählt die Namen aller ermordeten Ladenburger Juden auf.

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