Parteien sollen nicht mehr tabu sein
Es fehlen Räume für öffentliche Veranstaltungen - Gemeinderat liebäugelt mit einer Freigabe der städtischen Gebäude

Von Christoph Moll
Neckargemünd. Gegendemonstrationen, Pfeifkonzerte, Rangeleien - wenn die "Alternative für Deutschland" (AfD) zuletzt in Heidelberg in einem öffentlichen Gebäude eine Veranstaltung abhielt, ging es rund. Zuletzt war dies Ende März der Fall, als die Jugendorganisation "Junge Alternative" in der Heidelberger Stadtbücherei tagte. Gut möglich, dass sich ähnliche Szenen bald auch in Neckargemünd abspielen. Noch sind hier städtische Räume - anders als in Heidelberg - tabu für Parteien. Doch der Gemeinderat liebäugelt mit einer Öffnung.
Hintergrund
Freigabe städtischer Gebäude für Parteien sorgt für Diskussionen
Soll die Stadt ihre Räume für Veranstaltungen von Vereinen und Parteien öffnen? Zu diesem Thema zeichnet sich eine intensive Diskussion ab, wie die zurückliegende Sitzung des Gemeinderats
Freigabe städtischer Gebäude für Parteien sorgt für Diskussionen
Soll die Stadt ihre Räume für Veranstaltungen von Vereinen und Parteien öffnen? Zu diesem Thema zeichnet sich eine intensive Diskussion ab, wie die zurückliegende Sitzung des Gemeinderats zeigte.
> Joachim Bergsträsser (SPD) erinnerte daran, dass in den vergangenen Jahrzehnten Nutzungsanträge für städtische Gebäude aus Gründen der Gleichbehandlung immer abgelehnt worden seien. Parteien, die nicht im Gemeinderat vertreten sind, sollten so nicht benachteiligt werden. "Wir sollten uns aber nicht weiter hinter den Gegenargumenten verstecken", meinte Bergsträsser. Extremen Parteien müsse man mit kreativen Ideen entgegentreten. Wenn rechte Parteien nach Neckargemünd kämen, könnten die Bürger zum Beispiel Rollläden herunterlassen und Geschäftsleute könnten ihre Läden schließen. "Es könnte auch eine Spendenaktion geben", schlug Bergsträsser vor. "Für jeden NPD-ler wird ein Euro an die Flüchtlingshilfe gespendet." In Sinsheim habe zum Beispiel einmal neben einer NPD-Demo "zufällig" ein Trommelworkshop stattgefunden. Es müsse Einschränkungen geben, stimmte Bergsträsser zu. Der Sitzungssaal im Rathaus sei tabu. Außerdem sei eine Differenzierung in öffentliche und interne Veranstaltungen notwendig. Kleinere Räume könnten Vereinen für Hauptversammlungen dienen.
> Petra Groesser (Grüne) plädierte ebenfalls für eine Öffnung der Räume: "Wir sollten vor politischen Randparteien keine Angst haben", meinte sie. Manche Räume würden aber ausscheiden.
> Bürgermeister Frank Volk wies darauf hin, dass eine Freigabe der Räume nur für die im Gemeinderat vertretenen Parteien nicht möglich ist: "Wenn, dann gilt die neue Regelung für alle nicht verbotenen Parteien." Auch eine Reduzierung auf im Bundes- oder Landtag vertretene Parteien sei nicht zulässig. Es dürfe keine ungleiche Behandlung geben. Auch müssten die Räume dann für Bewerber um ein politisches Amt geöffnet werden. Zu einer Kostenregelung sagte Volk, dass es bereits eine Gebührenordnung gebe. Die Vermietung werde nicht "unbegrenzt kostenlos" erfolgen. "Eine gewisse Vereinsförderung ist aber gut", so Volk.
> Steffen Wachert (Freie Wähler) wollte nur eine Öffnung für Vereine. "Auf negative Begleiterscheinungen wie Polizeieinsätze bei Veranstaltungen von bestimmten Parteien habe ich in Neckargemünd keine Lust", meinte Wachert. An der bisherigen Regelung für Parteien solle nicht gerüttelt werden.
> Manfred Rothe (Freie Wähler) forderte, dass auch die wirtschaftliche Seite bedacht wird. Die Vergabe der Räume sei sehr aufwändig und bedeute Kosten für Personal in der Stadtverwaltung und für die Reinigung. "Das darf nicht unterschätzt werden", meinte Rothe.
> Anne von Reumont (CDU) befürwortete eine Kommission zu dem Thema: "Das bringt sicher ein gutes Ergebnis." (cm)
Sowohl die Grünen als auch die SPD hatten beantragt, dass sich der Gemeinderat mit dem Thema befasst, wie Petra Polte von der Stadtverwaltung in der zurückliegenden öffentlichen Sitzung des Gemeinderates deutlich machte. Die Grünen forderten eine Öffnung der öffentlichen Räume für Veranstaltungen von politischen Parteien, die SPD ging sogar noch einen Schritt weiter und erweiterte die Forderung auf Vereine, Parteien und im Gemeinderat vertretene Wählervereinigungen.
Hintergrund der Anträge ist, dass es durch den Wegfall von Nebenzimmern in Gaststätten oder gar die Schließung von Lokalen kaum noch Möglichkeiten für öffentliche Veranstaltungen der 199 Vereine und Organisationen gebe - so viele sind es laut SPD. Verschärft wird dies durch neue Brandschutzvorschriften, die zum Beispiel das Aus für das katholische Gemeindehaus "Goldener Anker" als Veranstaltungsraum bedeuteten.
Die bisherige Regelung ist ziemlich restriktiv, wie Petra Polte deutlich machte: Ein Grundsatzbeschluss des Gemeinderates aus den 70er Jahren verbietet Parteiveranstaltungen in städtischen Gebäuden. Es gibt allerdings zwei Ausnahmen: Das Prinz-Carl-Gebäude und das Foyer der Erich-Kästner-Schule können zu Wahlkampfzeiten freigegeben werden. "Der Gemeinderat hat solche Anträge jedoch immer mit der Begründung abgelehnt, dass die Erlaubnis für eine Partei auch eine Erlaubnis für alle anderen Parteien bedeuten würde", erklärte Polte. Die Parteien seien deshalb in Gaststätten oder kirchlichen Räumen "untergekommen", so Polte.
Auch interessant
Egal, welche Regelung es künftig gibt: Die Stadt wolle den Ratssaal und das benachbarte Sitzungszimmer "Elsenz" nicht zur Verfügung stellen, machte Polte deutlich. Der "Prinz Carl" sei grundsätzlich geeignet, der Bürgersaal und das dortige Fraktionszimmer seien aber stets von Volkshoch- und Musikschule belegt. Auch die Sporthallen seien ungeeignet, weil sie unter der Woche durch Vereinstraining und am Wochenende durch Spiele belegt seien. Eine Ausnahme bildet die weniger frequentierte Kirchberghalle im Stadtteil Mückenloch.
Geeigneter seien das Museum im Alten Rathaus, die Villa Menzer, das Alte E-Werk, der Sitzungssaal des Mückenlocher Ortschaftsrates und das Foyer der Erich-Kästner-Schule. Für Veranstaltungen unter freiem Himmel stehen den politischen Parteien schon jetzt der Marktplatz und der Hanna-Weis-Platz zur Verfügung. Das Schulzentrum wiederum sei problematisch, weil auch hier Zimmer von Musik- und Volkshochschule belegt seien. Und die Aula werde nur für Veranstaltungen mit kulturellem Hintergrund freigegeben. Weil die Räume nach Veranstaltungen gereinigt werden müssen, würden zum Beispiel Kindergärten grundsätzlich ausscheiden, erklärte Polte.
Apropos Reinigung: Da Kosten anfallen, sei für jeden Raum eine Nutzungsordnung mit entsprechenden Kosten notwendig. "Und da wir keine Hausmeister dafür haben, müssen die Veranstalter die Stühle selbst aufstellen", so Polte.
In den nächsten Wochen soll nun eine Kommission mit jeweils einem Vertreter der vier Gemeinderatsfraktionen laut Bürgermeister Frank Volk "ergebnisoffen" diskutieren und einen Vorschlag erarbeiten, welche Räume wem für welche Zwecke zur Verfügung stehen sollen. Dies beschloss der Gemeinderat in seiner zurückliegenden Sitzung nach eingehender Diskussion (siehe Hintergrund) bei einer Gegenstimme von Giuseppe Fritsch (Freie Wähler). Die erste Sitzung der Kommission soll übrigens Ende April stattfinden. Petra Polte wies darauf hin, dass bis zu einer Entscheidung des Gemeinderates Nutzungsanträge von der Stadt weiter abgelehnt werden müssen.