2019 gab es viel Erfreuliches, aber auch viel Frust
St. Leon-Rots Bürgermeister Dr. Alexander Eger blickt zurück - "Fremdbestimmt" durch mehrere Großprojekte

Von Sebastian Lerche
St. Leon-Rot. Eigentlich würde Bürgermeister Dr. Alexander Eger gerne nur auf das zurückblicken, was St. Leon-Rot 2019 bewegt und weiterentwickelt hat. Aber geprägt war das Jahr von – gestarteten oder erst noch geplanten – Großprojekten, über die die Gemeinde praktisch keine Kontrolle hat. Ein Bürgermeister als Gestalter, ebenso Verwaltung und Gemeinderat, fühlen sich da gelinde gesagt frustriert. "Fremdbestimmt ist das Stichwort."

Bauarbeiten an der Autobahn A 5, geplanter "Windpark Lußhardt", notwendiges Umspannwerk, mögliche Höchstspannungsleitung quer durch die Gemeinde, geplante Erweiterung des Kronauer Baggersees: "Wir sind der unmittelbare Ansprechpartner der Bürger, die kommen zuerst zu uns", so Eger. Aber seinen Möglichkeiten, ihre Interessen zu vertreten, seien eben Grenzen gesetzt. Und jetzt sieht es so aus, als würden auch der Entwicklung St. Leon-Rots Grenzen gesetzt: "Wir geben uns Mühe mit der städtebaulichen Entwicklung der nächsten Jahre und Jahrzehnte", betont Eger, "Klausurtagungen, Workshops, Konzepte für ein attraktives St. Leon-Rot 2030 ... die sind für die Katz!"
Die Sanierung der A 5 mit Neubau von drei Autobahnbrücken, die Ende September begonnen hat, bringt Lärm, Schmutz, lästige Umleitungen und weitere Einschränkungen mit sich, aber immerhin "ist die Zusammenarbeit mit dem Regierungspräsidium hervorragend", so Eger. Nach anfänglichen Schwierigkeiten kommt der Verkehr seiner Beobachtung nach mit halbseitigen Sperrungen und Umleitungen zurecht, für Ortskundige sind die "nichts Neues". Und im Vorfeld wurde "umfassend informiert" und die gesamte Maßnahme "professionell vorbereitet".
Mit Nachdruck gewehrt
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Durch die Aufweitung der Brücken über Roter und Kronauer Straße werden nicht nur Autos, sondern auch Radfahrer und Fußgänger mehr Platz haben – von den Kosten übernimmt St. Leon-Rot rund 1,7 Millionen Euro. Die Verbesserung des Lärmschutzes – zunächst auf St. Leoner, mit dem Ausbau des Autobahnkreuzes später auch auf Roter Seite – kommt der ganzen Gemeinde zugute. Eger: Als Partner in diesem Projekt "fühlen wir uns gut aufgehoben".
Die Notwendigkeit eines Umspannwerks – "drei Fußballfelder auf die grüne Wiese" –, um dem erhöhten Strombedarf der gesamten Gemeinde, insbesondere natürlich der Industriegebiete, gerecht zu werden, hat man zähneknirschend eingesehen, auch wenn die Standortfrage noch offen ist. Aber gegen Windpark, Baggersee-Erweiterung und neue Stromleitung hat die Gemeinde sich mit allem Nachdruck gewehrt, auch wenn völlig offen ist, ob man damit etwas erreicht.
Vor allem geht es laut dem Bürgermeister um den Schutz des Trinkwassers, das in dem Gebiet südlich von St. Leon, das von allen drei erwähnten Projekten tangiert wird, gewonnen wird – nicht nur für St. Leon-Rot, sondern auch für Rauenberg, Mühlhausen und Malsch, insgesamt rund 35.000 Bürger. Auch möchte die Gemeinde ihm zufolge den Lußhardt-Wald als geschlossenen Lebens- und Erholungsraum erhalten und natürlich weitere Belastungen von den Bürgern fernhalten – St. Leon-Rot soll sich nicht in ein einziges "2500-Hektar-Gewerbegebiet" verwandeln.
Das vergangene Jahr war auch geprägt von der Kommunalwahl im Mai, vom Wahlkampf davor bis zur konstituierenden Sitzung des Rats im September war es nicht im gewohnten Umfang möglich, Entscheidungen zu treffen und Weichen zu stellen. Gerade komplexe Themen "müssen intensiv vorbereitet und dann diskutiert werden".
2019 bot aber auch Erfreuliches: "Ganz toll waren das Mühlenfest und der Kultursommer", erklärt der Bürgermeister. Das traditionelle St. Leoner Straßenfest war im Juni in die historische Kramer-Mühle umgezogen, im September boten 16 Vereine und Gruppen über zwei Tage hinweg ein riesiges Programm. Beide Veranstaltungen waren "gut besucht" und zeigten "das große Potenzial der Mühle", so Eger.
Damit wurde die Vorfreude darauf geweckt, was die Gemeinde mit Sanierung und Umbau, für die bereits Fördermittel eingeworben wurden, alles erreichen kann. Das Nutzungskonzept für die Mühle steht, unter enger Beteiligung der Bevölkerung wurden viele Ideen gesammelt, jetzt geht es dem Bürgermeister zufolge darum, die richtigen zu finden, um das in Teilen denkmalgeschützte Gebäudeensemble mit Außengelände umzugestalten. Die Frage lautet nun: groß angelegter Architektenwettbewerb oder gezielte Suche nach Fachleuten?
Schön war für den Bürgermeister der Neujahrsempfang, den die Gemeinde 2019 erstmals veranstaltet hat. "Der ist sehr gut angekommen und soll 2020 wieder stattfinden." Nachdem das Engagement von Vereinen und Ehrenamtlichen gewürdigt wurde, lautet am Freitag, 31. Januar, 19.30 Uhr, im Harres das Motto "Neubürger" – doch natürlich ist der Empfang offen für die gesamte Bevölkerung. Die Gemeinde stellt Kinder- und Jugendbetreuung sowie Seniorenberatung vor, im Foyer stellen sich Vereine und andere Organisationen vor, damit neu Zugezogene die Gemeinde in all ihrer Vielfalt kennenlernen.
"Ein Highlight" war für Eger auch der Senioren-Ausflug zur Bundesgartenschau in Heilbronn mit rund 300 Teilnehmern: Auf dem "Riesengelände" habe man "viele Eindrücke gesammelt". Stolz ist er auch auf die elektronische Fahrgastinfo an den Bushaltestellen, "ein Herzensanliegen", um das breite Angebot deutlich zu machen und für mehr Akzeptanz des ÖPNV zu sorgen – leider müssen noch ein paar technische Feinheiten optimiert werden. In Sachen Mobilität wurde auch der "Fußverkehrs-Check" mit großem Aufwand durch die Gemeinde durchgeführt, Vor-Ort-Begehungen haben Eger zufolge manche Kuriositäten und auch schwierige Situationen für die schwächsten Verkehrsteilnehmer offenbart.
Vor dem Rathaus wird jetzt auch Car-Sharing angeboten, gemeinschaftlich nutzen beispielsweise die Rathaus-Beschäftigten diese Autos. Fünf Elektro-Ladestationen gibt es inzwischen auf der Gemarkung. Den Umstieg vom Verbrenner oder ganz weg vom Privatauto zu fördern, dient nicht zuletzt dem Klimaschutz, ebenso das neue Nahwärmenetz mit Blockheizkraftwerken in Harres und Hallenbad, das praktisch die Gemeindemitte ums Rathaus versorgt und auch erweitert werden kann.
Nach dem "Rekordjahr 2018" blickt der St. Leoner See auch auf ein erfolgreiches 2019 zurück, "Camping mit Hund" wurde möglich gemacht, neue Mobilheime errichtet – "die werden sehr gut angenommen, von Anfang an", so Eger. Vorbildlich ist für ihn das neue Jugendzentrum, unter enger Beteiligung eines engagierten Teams junger Leute errichtet: Für gut drei Millionen Euro entstand nahe Rathaus und Harres "ein attraktiver Sozialraum" mit enorm vielen Möglichkeiten. Es sei ein "Zeichen der Wertschätzung" für alle, die das alte Jugendzentrum schon mit Leben gefüllt hatten, so Eger, und ein erster Anlaufpunkt für alle, die sich in anderen Betreuungskonzepten nicht wohlfühlen – eine Ergänzung also beispielsweise zur Vereinsarbeit, deren Bedeutung Eger unterstreicht.
Lobend und mit Respekt äußert er sich über drei große Inklusions-Projekte. Da sind die Wohngemeinschaft von "FortSchritt IntegrativLeben" und das generationenübergreifende Wohnprojekt von "Smile", beide für Menschen mit und ohne Behinderung. "Toll und innovativ", meint Eger, da "wünsche ich viel Erfolg". Und zum dritten ist da das Wohnheim für Kinder und Jugendliche mit Behinderung, das die Johannes-Diakonie Mosbach – die bereits das Wohn-Pflegeheim für Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen in der Roter Hauptstraße betreibt, im St. Leoner Pfarrgarten errichten will. "Das ist ziemlich einmalig", meint Eger. Die Gemeinde sei aber auch – mit Unterstützung des Rhein-Neckar-Kreises – aktiv geworden, um für den Pfarrgarten, "eine wertvolle Fläche", auch "ein besonderes Projekt" zu finden.
Viele Pflichtaufgaben
In die Schulen wurde wieder viel investiert, 600.000 Euro in einen Anbau der Mönchsbergschule St. Leon, 2,6 Millionen in die Erweiterung der Parkringschule. Zu den "profanen Pflichtaufgaben" gehörten Investitionen in Wasserver- und Abwasserentsorgung, allen voran Sanierungsarbeiten im Klärwerk und die Verlagerung der Haupt-Wasserversorgungsleitung entlang der Roter Straße für 750.000 Euro, die mit dem Neubau der Autobahnbrücke notwendig wurde. 1,8 Millionen kostet die Sanierung des in die Jahre gekommenen Hochbehälters auf Malscher Gemarkung, dessen Kapazität verdoppelt wird. 2,5 Millionen hat der sechste Brunnen des Wassergewinnungszweckverbands gekostet, der die Hauptlast der Wasserversorgung tragen wird – und am dichtesten am geplanten "Windpark Lußhardt" liegt.
Flüchtlingsintegration und gesellschaftliche Akzeptanz bleiben laut Eger ein Thema, auch wenn es dank großem Einsatz von Gemeinde und auch Ehrenamtlichen in der Bevölkerung vielleicht nicht mehr wahrgenommen wird – und auf Bundes- und Landesebene praktisch als "erledigt" angesehen wird.
Weil sich schon abzeichnet, dass es in dieser anhaltenden Niedrigzinsphase bald Geld kostet, die liquiden Mittel der Gemeinde auf Bankkonten zu haben, hat die Gemeinde reagiert: Für 11,8 Millionen Euro wurden Anteile an der EnBW-Tochter NetzeBW erworben. "Die Argumente sprechen dafür", verweist Eger auf die 3,6-Prozent-Rendite, über die fünf Jahre hinweg ist also ein Ertrag von über 2,1 Millionen Euro zu erwarten.
Wegen personeller Engpässe brauche der Haushaltsplan 2020 noch Zeit, so Eger. Er ist sich natürlich der traditionell guten Finanzlage der Gemeinde bewusst, will sich aber auch nicht bedenkenlos darauf verlassen. Zumal sich schon wieder Großprojekte am Horizont abzeichnen, Kindergarten-Neubauten in St. Leon und Rot beispielsweise.



