Drei Mal Einspruch

St. Leon-Rot kritisiert Stromleitung, Windräder und Baggersee-Erweiterung

Projekte seien "nicht akzeptabel", "widersinnig", "unzumutbar"

20.12.2019 UPDATE: 21.12.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 7 Sekunden
Der Kronauer Baggersee soll erweitert werden. Foto: Rößler

St. Leon-Rot. (seb) Als "nicht akzeptabel", "widersinnig", "unzumutbar" und vor allem als mögliche "Gefahr für unser Trinkwasser" wurden in der jüngsten Sitzung des St. Leon-Roter Gemeinderats drei Projekte bezeichnet: die eventuelle Verlegung einer 380-Kilovolt-Leitung auf der Gemarkung, mögliche Windkraftanlagen südlich der Gemeinde und die geplante Erweiterung des Kronauer Baggersees.

Wobei Bauamtsleiter Werner Kleiber zu Beginn ein Missverständnis ausräumte: Der Teilflächennutzungsplan "Windkraft" der Gemeinden Bad Schönborn und Kronau, dem man sich in der Sitzung widmete, betrifft nicht den "Windpark Lußhardt". Diese zehn geplanten Windkraftanlagen hatten in St. Leon-Rot massive Kritik ausgelöst, weil sie teils sehr nah an den Ortsrand St. Leon gerückt und vor allem im Wasserschutzgebiet errichtet werden sollen, wo Trinkwasser für St. Leon-Rot, Malsch, Mühlhausen und Rauenberg gewonnen wird. Dieser Windpark soll aber auf Waghäuseler Gemarkung entstehen.

Doch auch Windanlagen auf Kronauer und Bad Schönborner Gemarkung sah man kritisch, aus den gleichen Gründen. Daher begrüßte man den Beschluss der dortigen Verwaltungsgemeinschaft, die Gesamthöhe von Windrädern auf maximal 140 Meter zu begrenzen. Bei einem Nein (Norbert Knopf, Grüne) und 22 Ja-Stimmen ermächtigte der Rat die Verwaltung zur Stellungnahme. Hauptargument war der Schutz des Trinkwassers: Niedrigere Windräder bedeuteten auch kleinere Fundamente, die an Grundwasser führende Schichten dann nicht oder nur in geringem Maß heranreichen.

Siegfried Köck (Freie Wähler) warf die Frage auf, wie wirtschaftlich 140 Meter hohe Windräder in diesem "Schwachwindgebiet" sein könnten, sprach sich gegen eine Waldrodung aus und betonte: "Wir wollen kein getrübtes Trinkwasser." Carsten Kamuf (CDU) gab der Hoffnung Ausdruck, dass Waghäusel sich Kronau und Bad Schönborn anschließe.

Das sagte auch Michael Herling (FDP): Wenn die Windräder mit 140 Metern "nicht mehr rentabel" seien, "kommen sie erst gar nicht". Marina Krenzke sah "auch als Grüne" die Windkraft in diesem Fall kritisch, für sie hätten der Schutz des Waldes und des Wassers hier Vorrang. Prof. Wolfgang Werner (SPD) betonte, dass die fragliche Fläche in einem nach europäischer Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) geschützten Gebiet liege, das dürfe man "nicht der Windkraft opfern".

Auch interessant
Windpark Lußhardt: Protest gegen "Monster" im Wald
Windpark Lußhardt: Darum bereiten Windräder und Baggersee Sorgen ums Trinkwasser
St. Leon-Rot: Massive Kritik an "alternativer" Stromtrasse
Windpark Lußhardt: Massive Kritik beim Informationsabend in Kronau
Windpark Lußhardt: Windkraft-Pläne bedrohen Wasserversorgung

Dass das "am wenigsten belastete, schönste Waldstück" von einer Höchstspannungsleitung "durchschnitten" werden soll, wie Bürgermeister Dr. Alexander Eger es formulierte, sah die Mehrheit als unerträglich an. Für den Stromnetzausbau im Zug der Energiewende wird eine Trasse auf St. Leon-Roter Gemarkung als Alternative geprüft für eine Stromleitung, die durchs Vogelschutzgebiet Wagbachniederung führt. In der einstimmig beschlossenen Resolution argumentiert man unter anderem mit dem Schutz des Waldes, Erhalt von Landschaftsbild und Lebensqualität der Bürger sowie der Bewahrung der Entwicklungsmöglichkeiten der Gemeinde.

Vor allem war eines für alle Anwesenden absurd: Durch das Vogelschutzgebiet verlaufen bereits drei Stromtrassen. Tobias Rehorst (Freie Wähler) meinte, eine Verlagerung ergebe keinen Sinn, daher stimme man der Resolution zu.

Auch Udo Back (CDU) hielt die Herausnahme von nur einer von drei Stromleitungen, die dann über St. Leon-Rot einen "teuren Umweg mit schlechterer Ökobilanz" nehme, für unsinnig. Back beantragte, die Resolution um einen Punkt zu ergänzen: die starke Belastung der Bürger gerade durch die Autobahnen, die nicht verschärft werden dürfe. Michael Herling schloss sich den Ausführungen an, ebenso Erwin-Peter Albert (Junge Liste), und das "mit Nachdruck", Wolfgang Werner betrachtete das Ganze als "groben Unfug".

Norbert Knopf (Grüne) sah es differenzierter: Nur eine der Leitungen aus dem Schutzgebiet herauszunehmen, sei sinnlos; es aber von allen drei Leitungen zu "befreien", könnte er befürworten und dann eine Leitung auf St. Leon-Roter Gemarkung akzeptieren.

Wald und Wasserschutzgebiet wären schließlich auch von der Erweiterung des Baggersees betroffen. Bei zwei Nein-Stimmen, zwei Enthaltungen und 19 Mal Ja befürwortete man den vorgelegten Einspruch. Werner Kleiber legte dar, dass zum Erhalt des Kieswerks zunächst eine Erweiterung des Baggersees um 1,5 Hektar geplant sei. Dann solle die See-Erweiterung um zusätzliche zwölf Hektar vorbereitet werden. Der Kiesabbau "bis in eine Tiefe von 64 Metern" bereiteten dem Wassergewinnungsverband und der Gemeinde Bauchschmerzen.

Hintergrund

Der Kronauer Baggersee mit gegenwärtig über 30 Hektar soll nach den Plänen der Firma Heidelberg Sand und Kies, Tochter von HeidelbergCement, um insgesamt rund 14 Hektar in nordwestlicher Richtung erweitert werden. Wie das Unternehmen erläutert, will man damit

[+] Lesen Sie mehr

Der Kronauer Baggersee mit gegenwärtig über 30 Hektar soll nach den Plänen der Firma Heidelberg Sand und Kies, Tochter von HeidelbergCement, um insgesamt rund 14 Hektar in nordwestlicher Richtung erweitert werden. Wie das Unternehmen erläutert, will man damit "einen drohenden Betriebsstillstand vermeiden": Das genehmigte Restabbauvolumen ist nahezu erschöpft, die Menge "reicht maximal bis Mitte 2020". In Kronau werden der Mitteilung nach rund 250.000 Kubikmeter Sand und Kies jährlich abgebaut, mit der Erweiterung könnte das Unternehmen sich zirka drei Millionen Kubikmeter erschließen, was für die nächsten zwölf Jahre reichen dürfte. Teile des bestehenden Sees wiederum sollen verfüllt und renaturiert werden, Ersatzaufforstungen sind auf sieben Hektar geplant.

Die Firma Wirsol Windpark Lußhardt, Tochter der Wircon GmbH Waghäusel, plant laut dem Landratsamt Karlsruhe die Errichtung von zehn Windenergieanlagen im Lußhardtwald, mindestens 1,2 Kilometer südlich von St. Leon, in den von Waghäusel und Kronau ausgewiesenen Windenergie-Zonen. Die Anlagen sollen eine Nabenhöhe von 164 Metern und inklusive Rotor eine Gesamthöhe von fast 240 Metern erreichen. Ihre elektrische Nennleistung liegt bei jeweils 4,5 Megawatt, um dies anschaulich zu machen, erklärt Wirsol: "Der Windpark wird voraussichtlich bis zu 22.000 Haushalte versorgen können." Für die zehn Anlagen müssen laut Wirsol Windpark Lußhardt voraussichtlich 10,5 Hektar Wald abgeholzt werden. Dabei will man die Rodungsflächen "so gering wie möglich" halten, heißt es, sich an existierende Waldwege halten und hat "platzsparende Windenergieanlagen" gewählt. Zirka vier der 10,5 Hektar sollen zeitnah renaturiert werden, die übrigen zirka 6,5 Hektar dauerhaft gerodeten Walds sollen "eins zu eins im selben Naturraum wieder aufgeforstet" werden, darüber hinaus sind weitere Ausgleichsmaßnahmen geplant.

[-] Weniger anzeigen

"Unvorstellbar" war das für Theo Vetter (Freie Wähler): Damit würden das Trinkwasser gefährdet und Wald geopfert. Bei allem Verständnis für den Erhalt von Arbeitsplätzen habe man "größte Bedenken". Achim Schell (CDU) meinte, man müsse "das große Gefahrenpotenzial" fürs Trinkwasser sehen: Es dürfe nicht kontaminiert werden. Der See müsse eventuell an anderer Stelle erweitert werden.

Michael Herling teilte die Bedenken. Erwin-Peter Albert meinte ebenfalls: "Das Gefahrenpotenzial ist da." Wolfgang Werner kritisierte, dass der Wald – und dort am See sei er besonders kräftig und artenreich – "als Verfügungsmasse für alles Mögliche" betrachtet werde und befürchtete ebenfalls Auswirkungen aufs Grundwasser.

Norbert Knopf erklärte, die Grünen seien sich hier nicht einig. Er verwies auf den großen Ressourcenverbrauch auch in St. Leon-Rot, wo "viel Beton und Kies" verbaut würden. In Kronau sei nicht der einzige Baggersee, der daher auf Kosten größerer Waldflächen erweitert werden solle. Es gebe gute Gründe, den Betrieb in Kronau zu erhalten, eine Beeinträchtigung des Trinkwassers sei zudem wegen der Entfernung fragwürdig.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.