Darum bereiten Windräder und Baggersee Sorgen ums Trinkwasser
Wassergewinnungszweckverband Hardtwald übt Kritik an zwei Projekten, die sich aufs Grundwasser auswirken könnten

St. Leon-Rot. (seb) Als "konkrete Gefahr", sogar als "Angriff" auf die Wasserversorgung hat der Wassergewinnungszweckverband Hardtwald (WGZ) zwei geplante Großprojekte gewertet: den Bau von zehn Windkraftanlagen im Lußhardtwald südlich von St. Leon und die Erweiterung des Kronauer Baggersees.
Davon sei die Wassergewinnung nicht nur für St. Leon-Rot "unmittelbar betroffen", hatten Bürgermeister Dr. Alexander Eger als Verbandsvorsitzender, sein Stellvertreter Jens Spanberger, Bürgermeister von Mühlhausen, und Angelika Laux, Chefin der kaufmännischen Verwaltung des Zweckverbands, betont.
Nach genaueren Betrachtungen mit Hilfe von Fachleuten formuliert man die Reaktion nicht mehr so drastisch. Es bleibt jedoch die Sorge ums Trinkwasser. Ärger und Frustration richten sich vor allem gegen die Behörden und die "Grenze" zum Landkreis Karlsruhe, durch die notwendige Informationen weder so früh noch so ausführlich wie für notwendig erachtet dringen.

Man habe "versucht, politisch Druck auszuüben", so Spanberger, etwa gegenüber Innenminister Strobl, bisher aber ohne Resultat. Jetzt wolle man zumindest "laut und deutlich Stellung beziehen", so Angelika Laux. Der Unmut richte sich nicht gegen die Firmen, noch wolle man "irgendetwas verhindern", erklärte sie. Aber: "Unser Wasser muss so gut wie möglich geschützt werden."
Beide Projekte betreffen die Wassergewinnung des WGZ, haben Diplom-Geologe Dr. Stefan Ludwig (Fader Umweltanalytik Karlsruhe) und Diplom-Ingenieur Gerold Ebert (BIT-Ingenieure Karlsruhe) ermittelt. Das Wasserschutzgebiet erstreckt sich südwestlich von St. Leon, wird vom Kriegbach nahe Kirrlach, der Landesstraße L555 im Süden und der Autobahn A5 begrenzt. Die geplanten Windkraftanlagen liegen also mittendrin, der Baggersee ist nah genug, dass seine Erweiterung sich auswirken könnte.
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Im Schutzgebiet gewinnt der WGZ das Trinkwasser nicht nur für St. Leon-Rot, sondern auch Malsch, Mühlhausen und Rauenberg samt Ortsteilen, für insgesamt also über 35.000 Einwohner und überdies "tausende Pendler und Touristen", erklärt Laux. "Und das ist unsere einzige Trinkwasserversorgung."
Der St. Leon-Roter Wassermeister Jürgen Dieckmann bekräftigt: Andere Anbieter könnten die erforderlichen Wassermengen (bis zu 180 Liter die Sekunde) nicht liefern, schon gar nicht als kurzfristige Reaktion in einem Notfall.
Aus fünf Brunnen fließt das Wasser gegenwärtig, so Laux, und der WGZ plant einen sechsten. Mit diesem Brunnen hat es in mehrerlei Hinsicht eine besondere Bewandtnis: Fast neun Jahre hat man in einem "enorm schwierigen" Verfahren nach diesem Standort gesucht und über 300.000 Euro investiert: "Wir haben keine Alternative."
Brunnen VI soll künftig mit rund einem Drittel der Gesamtförderung zum "wesentlichen Standbein der Wasserversorgung" werden, man will die übrigen fünf Brunnen entlasten und damit ihre Lebensdauer steigern. Und ausgerechnet von diesem Brunnen ist die nördlichste der geplanten Windkraftanlagen nur 500 Meter entfernt.
Bei den bereits laufenden Untersuchungen an den Windkraftstandorten, um die Tragfähigkeit des Bodens zu ermitteln, sind Trübungen des Grundwassers nicht ausgeschlossen, so Stefan Ludwig, allerdings hält sich seine Sorge in Grenzen, da zum einen der Abstand zu den vorhandenen Brunnen groß genug ist, dass der Boden seine Filterwirkung entfalten kann. Zum andern ist es ein relativ kurzzeitiger Eingriff.
Sind die Windanlagen dann in Betrieb, könnten beispielsweise Schmier- und Kühlmittel auslaufen, so eine Befürchtung. Und im Fall einer Havarie wären es Ruß, Asche und andere Schadstoffe, zudem eventuell Löschmittel der Feuerwehr, die Sorge bereiten. Ein tiefes Eindringen dieser Stoffe in den Boden "sollte normalerweise nicht passieren", so Stefan Ludwig, aber "ein Gefährdungspotenzial ist da".
Das Landratsamt Karlsruhe verweist auf die zahlreichen Bestimmungen zum Gewässerschutz, so sei "keine nachteilige Veränderung des Grundwassers erkennbar". Das betont auch die Firma Wirsol Windpark Lußhardt, verweist auf die zahlreichen Auflagen und erläutert, dass man zudem mit Hilfe umfangreicher Gutachten Gefährdungen des Trinkwassers ausschließen will.
Hintergrund
Der Kronauer Baggersee mit gegenwärtig über 30 Hektar soll nach den Plänen der Firma Heidelberg Sand und Kies, Tochter von HeidelbergCement, um insgesamt rund 14 Hektar in nordwestlicher Richtung erweitert werden. Wie das Unternehmen erläutert, will man damit
Der Kronauer Baggersee mit gegenwärtig über 30 Hektar soll nach den Plänen der Firma Heidelberg Sand und Kies, Tochter von HeidelbergCement, um insgesamt rund 14 Hektar in nordwestlicher Richtung erweitert werden. Wie das Unternehmen erläutert, will man damit "einen drohenden Betriebsstillstand vermeiden": Das genehmigte Restabbauvolumen ist nahezu erschöpft, die Menge "reicht maximal bis Mitte 2020". In Kronau werden der Mitteilung nach rund 250.000 Kubikmeter Sand und Kies jährlich abgebaut, mit der Erweiterung könnte das Unternehmen sich zirka drei Millionen Kubikmeter erschließen, was für die nächsten zwölf Jahre reichen dürfte. Teile des bestehenden Sees wiederum sollen verfüllt und renaturiert werden, Ersatzaufforstungen sind auf sieben Hektar geplant.
Die Firma Wirsol Windpark Lußhardt, Tochter der Wircon GmbH Waghäusel, plant laut dem Landratsamt Karlsruhe die Errichtung von zehn Windenergieanlagen im Lußhardtwald, mindestens 1,2 Kilometer südlich von St. Leon, in den von Waghäusel und Kronau ausgewiesenen Windenergie-Zonen. Die Anlagen sollen eine Nabenhöhe von 164 Metern und inklusive Rotor eine Gesamthöhe von fast 240 Metern erreichen. Ihre elektrische Nennleistung liegt bei jeweils 4,5 Megawatt, um dies anschaulich zu machen, erklärt Wirsol: "Der Windpark wird voraussichtlich bis zu 22.000 Haushalte versorgen können." Für die zehn Anlagen müssen laut Wirsol Windpark Lußhardt voraussichtlich 10,5 Hektar Wald abgeholzt werden. Dabei will man die Rodungsflächen "so gering wie möglich" halten, heißt es, sich an existierende Waldwege halten und hat "platzsparende Windenergieanlagen" gewählt. Zirka vier der 10,5 Hektar sollen zeitnah renaturiert werden, die übrigen zirka 6,5 Hektar dauerhaft gerodeten Walds sollen "eins zu eins im selben Naturraum wieder aufgeforstet" werden, darüber hinaus sind weitere Ausgleichsmaßnahmen geplant.
Von der Erweiterung des Baggersees und den dortigen Rekultivierungsmaßnahmen könnten Brunnen I des WGZ und in geringerem Maß Nummer II betroffen sein. Eine Befürchtung betrifft "unkontrollierte Stoffeinträge" durch die Verfüllung, so Stefan Ludwig. Er hob aber hervor, dass "nur ortseigenes Material" zur Rekultivierung des Sees verwendet werden darf, das zuvor genau untersucht und aufbereitet wird. Auch ist die Entfernung zu den WGZ-Brunnen groß.
Die Firma Heidelberg Sand und Kies zeigt Verständnis: "Die Sorge um das Gut Trinkwasser empfinden wir nicht als übertrieben", hieß es gegenüber der RNZ: "Aus unserer Sicht sind beide Ziele - eine Bedarfsdeckung der Rohstoffnachfrage und vorsorgender Grundwasserschutz - miteinander vereinbar." Die Genehmigung für die See-Erweiterung setze voraus, dass die Belange der Wasserversorgung adäquat berücksichtigt werden, die Zusammenarbeit mit Fachleuten soll das gewährleisten.
Als positiv aufgenommen wurde vom WGZ, dass Heidelberg Sand und Kies dasselbe Modell zur Projektion der Grundwasserströme und zu den möglichen Effekten von Bau-, Rodungs- oder Grabungsarbeiten sowie Wiederverfüllung verwenden will, damit dürfte man zu den gleichen Ergebnissen kommen.
Neben den bei beiden Maßnahmen befürchteten Risiken dürfte sich aufs Grundwasser die Rodung des Lußhardtwalds auf insgesamt 24 Hektar stark auswirken, so das Fazit des WGZ. Momentan erfüllt der Wald "eine entscheidende Schutzfunktion" gegen Fremdstoffe, die nicht ins Wasser gehören. Zwar müssen die Unternehmen für eine Wiederaufforstung sorgen, das dauert aber natürlich seine Zeit und geschieht nicht notwendigerweise im Wasserschutzgebiet.
Der WGZ hat in seinen Stellungnahmen zu den Projekten Pläne mit verbindlichen Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers gefordert. Laut Gerold Ebert geht es vor allem um das "Monitoring", also regelmäßige Untersuchungen des Wassers, außerdem diverse Vorkehrungen gegen auslaufende Betriebsstoffe oder ähnliches sowie klare Richtlinien zur Reaktion etwa auf die Havarie einer Windkraftanlagen oder aufs Eindringen von Schadstoffen in den Boden.
Ganz wichtig ist dem WGZ, öfter und intensiver Informationen auszutauschen sowohl mit den Unternehmen als auch den Behörden sowie anderen Wassergewinnungszweckverbänden. Sauberes Trinkwasser werde auch in Zukunft benötigt, so Angelika Laux: "Wir müssen für künftige Generationen mitdenken".
Info: Eine Infoveranstaltung zum Windpark Lußhardt findet morgen, Dienstag, 25. Juni, 18.30 Uhr, in der Wagbachhalle, Seppl-Herberger-Ring 6, Waghäusel-Wiesental, statt. Näheres unter www.windparklusshardt.de. Informationen zur Baggersee-Erweiterung in Kronau sind unter www.heidelbergcement.de/de/buergerinformation-kieswerk-kronau zu finden.



