Nicht nur die Kermesbeere macht dem Wald zu schaffen
Bei der Waldbegehung mit Bürgermeister und Förstern ging es auch um das Projekt "Zukunftswald", das 2022 starten soll.

Von Sabine Hebbelmann
Sandhausen. Im tristen November ist es nicht zu übersehen: Der Sandhäuser Wald ist in keinem guten Zustand. Bei einer öffentlichen Begehung am vorgestrigen Samstag informierten Forstbezirksleiter Philipp Schweigler und Revierleiter Robert Lang gemeinsam mit Bürgermeister Hakan Günes über forstliche Maßnahmen. Am heutigen Montagabend stellen die beiden Förster im Gemeinderat den Betriebsplan für das Forstwirtschaftsjahr 2022 vor und stehen für weitere Fragen zur Verfügung.
Vom Ende der Waldstraße sind es nur ein paar Schritte bis zu einem eingezäunten Acker, der vor kurzem noch Wald war. "Innerhalb eines Jahres gab es hier einen Totalausfall", berichtete Lang. Hitzewellen würden häufiger und dauerten länger, die Durchschnittstemperatur steige, bemerkte Schweigler. Die geschwächten Bäume sind gefundenes Fressen für Käfer und Pilze. Ausgerechnet die beiden in der Region dominanten Baumarten Kiefer und Buche seien besonders betroffen. "Wir wollen sie ergänzen mit klimastabilen Baumarten", sagte er.
Besonders fürchtet der Forst den Maikäfer, dessen Larven Feinwurzeln fressen. Um die Eiablage zu verhindern, wurde auf der betroffenen Fläche sämtlicher Bewuchs samt Wurzeln entfernt, der Boden gepflügt und mit neuen Baumarten bepflanzt. Roteichen, Traubeneichen, Feldahorn, Baumhasel und Linde sollen dem Klimawandel trotzen. Bürgerin Christa Lauterbach wies auf den Wasserverbrauch bei bereits abgesenktem Grundwasserspiegel hin. Viermal pro Jahr bewässern reiche auch in heißen Perioden, so Lang. "Wir hatten ein gutes Jahr mit Niederschlägen, das war ein Geschenk."

Wie geht der Forst mit der großen Zahl geschädigter und toter Bäume um? Brauchbares Holz werde genutzt, sagten die Förster. Kritik gab es an der Art und Weise, wie es geerntet wird. Die großen und schweren Erntemaschinen verdichten den Boden, häufig würden bei den Arbeiten gesunde Bäume in Mitleidenschaft gezogen.
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Petra Weiß, Sprecherin der Bürgerinitiative "Pro Waldschutz", sorgte sich, dass der einst dichte Wald zusehends ausgedünnt werde. Im Wald und an Waldwegen gebe es keine Verkehrssicherungspflicht, betonte sie. Rückegassen sollten versperrt werden, da sie sonst als Trampelpfade genutzt würden und sich mit der Zeit zu Waldwegen ausweiteten. "Das ist ein Problem im Ballungsraum", räumte Schweigler ein und verwies auf den hohen Besucherdruck. "Sandhausen ist in den Wald hineingewachsen."
Beim Naturkindergarten zeigte Lang ein Exemplar der aus Amerika stammenden Spätblühenden Traubenkirsche. Der Strauch wächst und verbreitet sich sehr schnell und verdrängt andere Pflanzen. Mit ihm wurde auf zehn Hektar Fläche auch die Kermesbeere entfernt. Beide sogenannte Neophyten wurden vom Forst auch auf einer weiteren Fläche gegenüber dem Naturschutzgebiet Brühlwegdüne bekämpft, insgesamt auf rund 40 Hektar – ein Sechstel des Gemeindewaldes.
Was ist mit dem großen Rest? "Man kann sie nicht im ganzen Wald bekämpfen", meinte Lang, worauf Michael Kassautzki, einer der Freiwilligen der bürgerschaftlichen "Operation Kermesbeere", entgegnete: "Es wurde schon zu lange zugeschaut." Er mahnte eine bessere Zusammenarbeit der für den Gemeindewald zuständigen Forstverwaltung des Rhein-Neckar-Kreises mit der für den Staatswald zuständigen Landesforstverwaltung an. 40 Hektar seien eine Menge, bemerkte Lang, der als Revierleiter seit zwei Jahren für Sandhausen zuständig ist. Bis 2018 habe die Gemeinde für ihren Wald 30.000 bis 40.000 Euro pro Jahr ausgegeben, inzwischen seien es rund 250.000 Euro. Ehrenamtliche Tätigkeiten seien sehr willkommen, aber sie sollten koordiniert sein, meinte er. Der Jagdpächter auf seinem Hochsitz fühle sich sonst gestört.
Er werde sich 2022 mit Vertretern beider Forstverwaltungen und aktiven Bürgern zusammensetzen und besprechen, wie man die Bekämpfung effizient gestalten kann, versprach Bürgermeister Günes. Außerdem wolle er mit dem Gemeinderat, dem Forst und der Bürgerschaft ein Konzept für einen "Zukunftswald" entwickeln. Den von den Freiwilligen gewünschten Container für die ausgegrabenen Kermesbeeren habe er inzwischen aufstellen lassen. "Ja, und der ist seit langem voll", grummelte jemand.



