Sind Ortsteile zu abgelegen fürs schnelle Internet?
Dielheim, Malsch, Mühlhausen und Rauenberg sind für Glasfaser-Vertrag. Noch ist offen, ob alle Interessierten angeschlossen werden.

Von Sophia Stoye, Tobias Törkott und Sebastian Lerche
Dielheim/Malsch/Mühlhausen/Rauenberg. Das Angebot ist verlockend: Ein Glasfasernetz für den ganzen Ort, kostenlos für die öffentliche Hand. Der Haken: Das Unternehmen, das dieses eigenwirtschaftliche Angebot unterbreitet, entscheidet darüber, wer ans Netz angeschlossen wird und wer nicht.
Wie zuvor St. Leon-Rot und weitere Gemeinden war die Deutsche Glasfaser mit diesem Angebot auf Dielheim, Malsch, Mühlhausen und Rauenberg zugegangen. Keiner der Gemeinderäte lehnte ab. Die Notwendigkeit von schnellem Internet war unumstritten und Glasfaser wird als einzig zukunftsfähige Technologie angesehen – dank theoretisch unlimitierter Geschwindigkeit. Das bekräftigte Matthias Bacher, Berater für die Deutsche Glasfaser: "Früher oder später wird jeder auf Glasfaser umsteigen."
Aus der Privatwirtschaft ist die Deutsche Glasfaser hier der einzige Anbieter. Müssten die Gemeinden so ein Netz aus eigener Kraft stemmen, bräuchten sie geschätzt zehn oder sogar 15 Millionen Euro und einige Jahre. Die Kommunen des Rhein-Neckar-Kreises hätten zumindest die Möglichkeit, auf den kreiseigenen Zweckverband "Fibernet" zu warten. Allerdings, so wurde während der Beratungen deutlich, würde Fibernet mehrere Jahre länger brauchen als die Deutsche Glasfaser. Und der Zweckverband würde zehn Prozent der Kosten von der jeweiligen Kommune verlangen, bis zu 1,5 Millionen Euro also. Fibernet hat nichts gegen die Deutsche Glasfaser, laut Bacher arbeitet man bereits gut zusammen.
Um die 40 Prozent der Haushalte einer Gemeinde müssen einen Vertrag mit der Firma abschließen, damit sie den Ausbau startet. Dann wird möglichst im gesamten Ort das Netz verlegt – möglichst: Das Unternehmen tut sich mit abgelegenen Standorten schwer. Aussiedlerhöfe, so Bachers Beispiel, habe man bisher nur mit Zuschüssen oder hohen Beiträgen der Interessenten anschließen können.
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Wer zu den ersten zählt, die einen Glasfaseranschluss buchen, zahlt nichts dafür, wer sich erst dafür entscheidet, wenn das Netz bereits in Betrieb ist, zahlt 750 Euro. Auf Internet, Telefonie und Fernsehen beschränkt sich das Angebot, beginnend bei 300 Megabit die Sekunde. Im ersten Jahr kostet es pauschal knapp 25 Euro den Monat, im zweiten Jahr klettern die Preise auf bis zu 90 Euro monatlich. Zwei Jahre lang ist die Deutsche Glasfaser "Monopolist", Besitzer und Betreiber in einem, danach steht ihr Netz allen Anbietern offen.
Die Kommune kann nicht als Interessenvertretung der Bürgerschaft auftreten, niemand nimmt den Interessenten ab, sich vorab umfassend zu informieren. Die Firma hat grundsätzlich auch nicht die Pflicht, jeden anzuschließen.

> Dielheims Gemeinderat war rigoros: Einstimmig machte man die Zustimmung zum Vertrag davon abhängig, dass auch Oberhof ans Netz angeschlossen wird. Der Ortsteil war nämlich nicht in den Plänen des Unternehmens enthalten: Der Standort ist abgelegen, mit 17 Haushalten ist die potenzielle Kundschaft zu klein. Ähnlich sah es mit dem Bereich am Eichwald in Dielheim aus, mit Sportplatz und Schützenhaus, der aber jetzt berücksichtigt wird. Eine Lösung für die Windhöfe wiederum steht noch haus.
Die zahlreich erschienenen Einwohnerinnen und Einwohner von Oberhof hatten vehement eine Besserung ihrer Situation gefordert, die schon seit Jahren unerträglich sei. Nicht nur Internet, auch Telefonie seien "völlig unzureichend", wiederholt gebe es Störungen. Zudem liege Oberhof "in einem Funkloch".
Rückblickend erläuterte Bürgermeister Thomas Glasbrenner, dass die Verwaltung wiederholt versucht habe, die Versorger zum Handeln zu bewegen – ohne Erfolg. Aus eigener Kraft wäre es für die Gemeinde schwer, Oberhof zu versorgen. Geschätzt 170.000 Euro müssten dafür aufgewendet werden und er müsste gegenüber den Aufsichtsbehörden rechtfertigen, wieso eine finanziell so klamme Gemeinde so ein Projekt plötzlich eigenständig angehe, so Glasbrenner – das könnte künftige Zuschussanträge gefährden, "das werde ich nicht tun".
Einziger Schritt, um zur Zufriedenheit der Aufsichtsbehörden und mit Zuschüssen Oberhof besser zu versorgen, sei bisher ein "Markterkundungsverfahren", das das Desinteresse der Privatwirtschaft belege – jedenfalls bis die Deutsche Glasfaser erschienen sei.
Matthias Bacher zeigte sich zuversichtlich, dass sogar für Oberhof eine Lösung gefunden werden könne. Dazu brauche es aber tatkräftige Mithilfe – was die Anwesenden voll neu erwachter Zuversicht zusagten: "Den Graben machen wir Ihnen!"

> Rauenbergs Gemeinderat gab sich alle Mühe, das "Haar in der Suppe" zu finden. Eines stach dann doch heraus: Das Rotenberger Schloss mit der Jugendbildungsakademie und die zehn bis 15 benachbarten Wohnhäuser waren nicht in den aktuellen Plänen des Unternehmens vorgesehen. Die vergleichsweise lange und sehr steile Strecke macht die Arbeiten dort sehr schwierig, es wurde deutlich: Für die Firma allein würde sich dieser Aufwand nicht rechnen. "Es gibt noch einiges an Details zu besprechen": Bürgermeister Peter Seithel kündigte an, in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen "noch einiges nachzuschärfen" und eine Lösung für das Schloss zu suchen. Schließlich stimmte der Rat einhellig zu.
> Die Malscher Gemeinderäte waren skeptisch, stimmten aber ebenfalls einstimmig zu – trotz der negativen Internet-Rezensionen, die angesprochen wurden. "Wenn man uns googelt, kommen 100 negative Kommentare raus", so Bacher. Man müsse die Zahl aber im Verhältnis sehen: Die Deutsche Glasfaser habe dem Berater zufolge eine Million Haushalte bereits angeschlossen, weitere 1,6 Millionen seien derzeit in Vorbereitung. Solche Kritik im Internet "passiert jedem", auch anderen Mitbewerbern.
> In Mühlhausen ging man davon aus, dass die Erschließung der Wohngebiete ans schnelle Netz durch den Zweckverband Fibernet wohl noch Jahre dauern könnte. Und im Alleingang fielen für die Gemeinde geschätzte Kosten von zehn Millionen Euro an. "Das können wir nicht stemmen", erklärte Bürgermeister Jens Spanberger. Matthias Bacher betonte, dass man die Gemeinde als "Fürsprecher" benötige: "Das Rauchzeichen-Zeitalter haben Sie hinter sich." Obwohl das Votum der Ratsmitglieder einstimmig dafür ausfiel, gab es Redebedarf. Beispielsweise, ob Einbahnstraßen angeschlossen werden. Bacher: "Es wird nichts ausgespart."
Zudem bestätigte er, dass über Kooperationen mit Firmen vor Ort auch künftig Ansprechpartner des Unternehmens in Mühlhausen bleiben. Starten soll der Ausbau im April oder Mai 2022 und ein Jahr andauern. Nur im Neubaugebiet "Riebel" wird nicht gebaggert, da dieses schon am Breitbandnetz hängt.