Leimen und Neckargemünd binden zu wenig Kaufkraft
Die IHK-Analyse weist teils bedenkliche Zahlen auf. Der Spitzenreiter ist Meckesheim, das Schlusslicht Gaiberg.

Von Nicolas Lewe
Region Heidelberg. "Die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus haben zu einem Rückgang der Nachfrage und damit zu deutlich spürbaren Verlusten bei den Umsätzen im stationären Einzelhandel geführt." Zu dieser ernüchternden, wenngleich erwartbaren Erkenntnis kommt die Industrie- und Handelskammer (IHK) in ihrer Kaufkraftanalyse für den Bezirk Rhein-Neckar im Jahr 2020.
Erstmals sind darin auch detailliert die Zahlen für die einzelnen Kommunen aufgeführt. Für die 16 baden-württembergischen Gemeinden der Region rund um Heidelberg lassen sich daraus einige interessante Rückschlüsse ziehen. Zum besseren Verständnis ist eine Aufteilung in vier Themenfelder sinnvoll: allgemeine Kaufkraft, einzelhandelsrelevante Kaufkraft, Einzelhandelsumsatz und Kaufkraftbindungsquote. Neckargemünd (rund 13.000 Einwohner) und Leimen (knapp 27.000 Einwohner) sind die einzigen beiden der 16 Kommunen, die von der IHK als sogenannte Einzelhandelszentren deklariert werden.
> Die allgemeine Kaufkraft meint das verfügbare Einkommen der Bevölkerung einer Stadt oder Gemeinde, das sich aus den amtlichen Statistiken entnehmen lässt. In der Region rund um Heidelberg zeigt sich, dass Gaiberg mit großem Abstand gerechnet auf die Einwohnerzahl die stärkste allgemeine Kaufkraft besitzt. Ausgehend vom Bundesdurchschnitt (Index D=100) kommt die Gemeinde am Fuße des Königstuhls auf einen beachtlichen Wert von 138,4. Auf Platz zwei und drei landen Nußloch (119,1) und Wiesenbach (116,2). Neckargemünd ist mit 115,8 Punkten ebenfalls in der Spitze, Leimen zählt hingegen nur 97,5 Punkte und landet damit knapp vor Schönau (97,2) und Spechbach (95,0) am Tabellenende.
> Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft beschreibt den Anteil des verfügbaren Einkommens, der tatsächlich für die Einkäufe im Einzelhandel aufgewendet wird. Die Werte der allgemeinen Kaufkraft werden dadurch relativiert, dennoch bleibt Gaiberg auch hier mit 124,9 Punkten an der Spitze, während Dossenheim, Neckargemünd, Nußloch, Wiesenbach und Wilhelmsfeld allesamt Werte rund um 110 aufweisen. Auch Bammental, Heiligkreuzsteinach, Mauer, Meckesheim und Sandhausen liegen noch oberhalb der magischen 100er-Marke. Eppelheim, Leimen, Lobbach, Spechbach und das Schlusslicht Schönau (96,8) fallen knapp darunter.
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> Der Einzelhandelsumsatz wird direkt am Einkaufsort der Konsumenten erfasst. Sprich: Der Versand- und Internethandel einzelner Betriebe wird hierbei nicht berücksichtigt. Zudem wird erkennbar, wie wenig die vorher genannten Kaufkraft-Werte über den eigentlichen Einzelhandelsumsatz aussagen. Mit riesigem Vorsprung den ersten Platz belegt in dieser Kategorie nämlich Meckesheim mit einem Umsatz von 6045 Euro pro Einwohner. Gaiberg hingegen, das bei der Kaufkraft den Platz an der Sonne innehat, muss sich mit einem düsteren Umsatz von gerade einmal 821 Euro begnügen, was wiederum mit deutlichem Abstand den letzten Platz bedeutet. Mit Bammental (5370 Euro), Neckargemünd (4459 Euro) und Schönau (4586 Euro) kommen neben Meckesheim überhaupt nur drei weitere Gemeinden über die 4000-Euro-Marke pro Einwohner beim Einzelhandelsumsatz. Die Umsätze der restlichen Kommunen: Dossenheim: 3748 Euro, Eppelheim: 3626 Euro, Heiligkreuzsteinach: 2002 Euro, Leimen: 2787 Euro, Lobbach: 1529 Euro, Mauer: 2772 Euro, Nußloch: 2943 Euro, Sandhausen: 3450 Euro, Spechbach: 1303 Euro, Wiesenbach: 2553 Euro und Wilhelmsfeld: 1693 Euro.
> Die Kaufkraftbindungsquote (siehe Grafik) ergibt sich aus dem Verhältnis des tatsächlich erzielten Umsatzes im Verhältnis zur jeweils verfügbaren einzelhandelsrelevanten Kaufkraft. Wenig überraschend liegt auch hier Meckesheim mit 87 Prozent deutlich vorne, gefolgt von Bammental mit 77 Prozent. Die beiden Elsenztalgemeinden sind somit die einzigen Kommunen rund um Heidelberg, die über dem Rhein-Neckar-Kreis-Schnitt von 71 Prozent liegen. Gaiberg bindet nur zehn Prozent Kaufkraft, Spechbach 19 Prozent. In Neckargemünd sind es immerhin noch 59 Prozent, während Leimen mit 41 Prozent die letzte Position der Einzelhandelszentren im Rhein-Neckar-Kreis einnimmt.

Leimen und Neckargemünd haben viel Luft nach oben
Im Vergleich der 18 Einzelhandelszentren im Zuständigkeitsbereich der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar zeigt sich, dass die beiden als "Unterzentren" eingestuften Städte Leimen und Neckargemünd beim Einzelhandelsumsatz und der Kaufkraftbindungsquote im hinteren Drittel verharren. Dies belegt die aktuelle Kaufkraftanalyse der IHK. Als Einzelhandelszentren gelten Städte, die "den täglichen Grundbedarf der Bevölkerung decken und ein Mindestmaß an öffentlicher und privater Infrastruktur anbieten".
> In Leimen rechnet die IHK mit einer Bevölkerung von 26.968 Einwohnern mit Stand vom Januar 2019. Exakt 4456 dieser Bürger sind sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort. Rund 10.450 Auspendlern stehen nur rund 3100 Einpendler gegenüber – mit ein Grund für den Verlust von Kaufkraft. Die einzelhandelsrelevante Kaufkraft liegt laut IHK insgesamt bei bis zu 184 Millionen Euro (Patz 12), was einer Pro-Kopf-Kaufkraft von 6780 Euro entspricht. Der effektive Einzelhandelsumsatz beläuft sich jedoch nur auf rund 75,7 Millionen Euro (Platz 18) beziehungsweise auf 2787 Euro pro Kopf. Und auch bei der Kaufkraftbindungsquote rangiert Leimen mit gerade einmal 41 Prozent abgeschlagen auf dem 18. und somit letzten Platz.
> In Neckargemünd gab es im Januar 2019 nach IHK-Angaben 13.290 Bürger, welche die Stadt am Neckar ihre Heimat nennen – 3858 davon in einem Beschäftigungsverhältnis in der Stadt. Auch in Neckargemünd gibt es demzufolge mehr Auspendler (4050) als Einpendler (3085). Da sich diese Werte nicht so krass wie in Leimen unterscheiden, überrascht es auch nicht, dass von der gesamten einzelhandelsrelevanten Kaufkraft in Höhe von 100,3 Millionen Euro (pro Kopf: 7517 Euro; Platz 5) immerhin 59,5 Millionen Euro in Neckargemünd bleiben. Pro Kopf bedeutet das einen Einzelhandelsumsatz von 4459 Euro (Platz 14) und damit rund 1700 Euro mehr als in Leimen. Die Kaufkraftbindungsquote liegt dennoch nur bei 59 Prozent, womit Neckargemünd unter den 18 Einzelhandelszentren auf dem drittletzten Platz 16 landet.
> Fazit: Keiner der 16 Kommunen gelingt es, 100 Prozent oder mehr Kaufkraft an den Ort zu binden. Da aber selbst Heidelberg mit seiner für den Einzelhandel günstigen Fußgängerzone diesen Wert nur knapp erreicht, sind die Kaufkraftquoten in Meckesheim oder Bammental durchaus beachtlich. Schwetzingen und Walldorf, die Spitzenreiter im Rhein-Neckar-Kreis, sind aufgrund ihres strukturellen Umfeldes für die Gemeinden rund um Heidelberg kein Gradmesser. Die dortigen Werte von über 150 Prozent Kaufkraftquote bedeuten, dass – rein rechnerisch – Kaufkraftzuflüsse aus anderen Gemeinden hinzukommen. Derartige Einzugsgebiete fehlen in der Region.