Eppelheim: Beim Infoabend zum Bürgerentscheid ging es wild zu
Der Bürgerentschied zum Straßenbahnausbau spaltet die Stadt in drei Lager: die Gegner, die Befürworter und die Ratlosen

Jeder gegen jeden, war die Devise in der Rudolf-Wild-Halle: Das Publikum ging die Podiumsteilnehmer an. Fotos: Alex
Von Anja Hammer
Eppelheim. Es war der erste warme Tag in diesem Sommer, doch die Hitze in der klimatisierten Rudolf-Wild-Halle hatte am Mittwochabend nur wenig mit den Temperaturen draußen zu tun. Vielmehr lag es an den Hitzköpfen, die sich in heißen Wortgefechten bekriegten.
Hintergrund
(aham) Der eigentliche Sinn der Informationsveranstaltung zum Bürgerentscheid lag darin, dass die Bürger Fragen stellen konnten an RNV, Bürgerinitiative und Gemeinderat. Nachfolgend eine Auswahl von Fragen und Antworten - sofern diese erkennbar waren.
Wem
(aham) Der eigentliche Sinn der Informationsveranstaltung zum Bürgerentscheid lag darin, dass die Bürger Fragen stellen konnten an RNV, Bürgerinitiative und Gemeinderat. Nachfolgend eine Auswahl von Fragen und Antworten - sofern diese erkennbar waren.
Wem gehört die Brücke?
Norbert Buter, RNV: Der Bundesrepublik Deutschland.
Ist es richtig, dass Heidelberg der große Nutznießer dieser Baumaßnahme ist?
Martin in der Beek, RNV: Nein, die Nutznießer sind die Eppelheimer.
Wie wird der Schienenersatzverkehr während der Bauzeit sein?
In der Beek; RNV: Mit mehreren Omnibussen auf der ganzen Linie. Sie fahren über die nördliche Autobahnbrücke.
Wo soll das zweite Gleis zwischen Brücke und Kreuzung hinpassen?
Buter, RNV: Die Gleise werden von den Autos mitgenutzt. Es gibt dann keinen separaten Gleiskörper mehr.
Ich bin für die Brücke, aber gegen den Rest. Wenn ich nun dagegen stimme, stimme ich dann auch gegen die Brücke?
Trudbert Orth, Stadtrat: Ja. Wenn Sie ablehnen, muss alles neu geplant werden.
Nach der Brücke hört der rote Radstreifen auf. Wo fahren die Radler weiter?
Buter; RNV: Es gibt einen Angebotsstreifen, eine weiß gestrichelte Linie bis zum Kreisel.
Warum muss die Bahn nach dem Umbau nicht mehr stehenbleiben und warten?
Edward Schneider, RNV: Weil die Verweildauer auf einem Gleis kürzer ist. Wenn sie aber doch warten muss, was selten der Fall sein wird, wartet sie auf der Brücke.
Wie werden Radfahrer an der Kreuzung berücksichtigt?
Orth, Rat: Sie fahren im Kreisel mit oder steigen ab und nutzen die Fußgängerquerung oder sie nutzen die Unterführung.
Wie stellen Sie sich die Brücke vor?
Elke Sommer, BI: Ich sehe die Brücke eingleisig.
Wenn Fußgänger die Ampel drücken, kommt dann der Verkehr im Kreisel zum Erliegen?
Schneider, RNV: Die Ampel betrifft nur den Arm in Richtung Ortsmitte.
Die Emotionen kochten über. Anlass war der erste Bürgerentscheid in der Geschichte Eppelheims. Dieser steht am 3. Juli bevor und spaltet die Stadt in drei Lager: die Gegner, die Befürworter und die Ratlosen. Insbesondere für Letztere war die BürgerinformationsJeder gegen jeden, war die Devise in der Rudolf-Wild-Halle: Das Publikum ging die Podiumsteilnehmer an veranstaltung gedacht, zu der die Verwaltung in die Wild-Halle geladen hatte. Doch die wenigsten von ihnen gingen mit Klarheit nach Hause. Stattdessen wurden sie Zeugen einer Schlacht mit alten Argumenten (siehe unten).
Bei dem Bürgerentscheid geht es um den Brückenneubau über die Autobahn A 5 zwischen dem Heidelberger Stadtteil Pfaffengrund und Eppelheim. Geplant sind zwei Gleise nach Eppelheim, die in einen neuen Kreisel münden, sowie eine Radunterführung. Dieses Paket hat der Gemeinderat im Dezember 2015 beschlossen. Und diesen Beschluss will die Bürgerinitiative (BI) "Bürgerbegehren Eppelheim" mit dem Bürgerentscheid aufheben lassen.
Schon beim Betreten der Wild-Halle wurden die Besucher im Spalier empfangen: Zur Linken Unterstützer der Bürgerinitiative, zur Rechten Vertreter der RNV. Beide Parteien verteilten Broschüren, um für ihre Sichtweise zu werben. Diesen Faltzetteln kam im Lauf des Abends eine bedeutende Rolle zu: Sie mussten als Fächer herhalten oder als Lektüre zum Blättern, wenn die Diskussionen aus dem Ruder liefen.
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Und das war eigentlich fortwährend der Fall. Immer wieder musste Moderator Thomas Frenzel, der Leiter der RNZ-Redaktion "Region Heidelberg", eingreifen und Podium und Publikum zu Sachlichkeit ermahnen.
RNV, BI und Rat hatten die Gelegenheit, ihre Sicht darzustellen. Alle Redner bekamen Applaus und teilweise auch Zwischenapplaus vom Publikum, manche ernteten spöttisches Gelächter und Pfiffe für ihre Aussagen.
Dies waren die Vorboten für die folgende Fragerunde des Publikums. Diese war geprägt von Aggressivität - teils unterschwellig, teils ganz offen zur Schau getragen. Zwar waren nur Fragen erlaubt, doch viele versuchten, die Gelegenheit für Vorwürfe und sonstige Statements zu nutzen. Mehrfach musste von der Moderation eine Frage geradezu eingefordert werden.
Auf der Podiumsseite verhielt es sich kaum besser. Viele Antworten auf Fragen musste man irgendwo zwischen Wortgetöse und Gesten suchen. Eine Frau trat ans Mikrofon und gestand: "Ich hätte heute nicht kommen brauchen - jetzt weiß ich auch nicht mehr."
Nach drei Stunden gab es nur einen Friedensbringer: König Fußball. Zumindest für diejenigen, die durchgehalten hatten - und das waren weniger als die Hälfte. Vor der Halle wurden die Ergebnisse der EM-Spiele erörtert - und zwar ganz sachlich, auch zwischen Gegnern und Befürwortern des Brückenneubaus.
Die Bürgerinitiative: Mit starken Adjektiven und dramatischer Musik unterstrich die Bürgerinitiative (BI) "Bürgerbegehren Eppelheim" ihren Auftritt. Die BI ist gegen "den nutzlosen zweigleisigen Umbau", zudem sei die "Unterführung ohne Radweg" eine "sinnlose Verschwendung". Sie stört sich an dem "folgenschweren Gemeinderatsbeschluss" vom Dezember 2015. Die Kosten seien explodiert und um eine Million Euro für Eppelheim gestiegen. "Seit dem Bürgerentscheid sprudeln die Zuschüsse ja geradezu", so Elke Sommer ironisch. Sie betonte aber, dass es dafür keine schriftlichen Zusagen gebe. Sicher war sich Iris Bernhauser dagegen: Die Verkehrswege seien "überdimensioniert" und dennoch würde es wegen des geplanten Kreisels Stau in alle Richtungen geben. "Von freier Fahrt kann keine Rede sein." Durch die hohen Stützwände würde ein Naturschutzgebiet wegfallen, was das Mikroklima in der Umgebung verschlechtere. Bernd Binsch kritisierte den Lärm, den die "Radau-Weiche" bringen würde. Bei der schalltechnischen Untersuchung sei getrickst und das Wohngebiet zu einem Mischgebiet herabgestuft worden, in dem geringere schalltechnische Anforderungen gelten. Seine Hauptkritik: "Die RNV hat nur einen Plan, keine Alternative." Es handle sich um ein "unseliges Bauprojekt". Deshalb sei der Bürgerentscheid die letzte Chance für Eppelheim, so Sommer, Binsch, Bernhauser und Jürgen Sauer unisono: "Stimmen Sie am 3. Juli mit Ja."
Der Gemeinderat: Mit seltener Einmütigkeit standen die Fraktionssprecher des Gemeinderats auf der Bühne – wenngleich Peter Bopp, ansonsten Sprecher für FDP und Eppelheimer Liste (EL), klarstellte, dass er an diesem Abend nur für die FDP spreche; die EL unterstützt bekanntlich die Bürgerinitiative. Trudbert Orth (CDU) bekannte, dass der Rat "vor keiner leichten Aufgabe" stand. "Wir wollten die Interessen aller Verkehrsteilnehmer berücksichtigen." Denn gefahrloses Fahren, Gehen oder Radeln in der Hauptstraße sei nicht möglich. Orth: "Wir wollen zumindest auf einer kurzen Strecke etwas verbessern." Renate Schmidt (SPD) gestand, dass sie zu jenen gehöre, die die Kreuzung Mozart- und Hauptstraße schon als indirekten Kreisel nutzen: "Ich biege nach rechts ab, weil da die Ampel länger grün ist, wende in der Mozartstraße und fahre wieder nach rechts auf die Hauptstraße." Deshalb bringe ein Kreisel Vorteile für alle und ein guter Nahverkehr bringe Mobilität – insbesondere für die Älteren. Christa Balling-Gündling (Grüne) hielt fest, dass beim Umweltgutachten nachgerüstet worden sei und: "Es gibt kein Eppelheimer Biotop." Die Anwohner würden von einem "flüssigeren Verkehr" profitieren: "Das bedeutet weniger Lärm und weniger Abgase." Bopp warnte hingegen vor einer Verteufelung der Unterführung: "Man kann Angsträume auch herbeireden." Er sah darin vielmehr mittelfristig die Möglichkeit, einen Radweg bis zum Wieblinger Bahnhof zu schaffen.
Die RNV: Mit bunten Bildern und einer animierten Verkehrssimulation unterstützte die RNV ihren Vortrag. Martin in der Beek, technischer Geschäftsführer der RNV, sah in dem Brückenneubau die "Chance, etwas Besseres zu schaffen". Ein Neubau sei notwendig, weil sich die jetzige Brücke aus dem Jahr 1936 nicht mehr reparieren lasse. Weil die Tragfähigkeit zu gering sei, könnten auch die barrierefreien Bahnen nicht darüber fahren. In der Beek betonte: "Die RNV arbeitet nicht gewinnorientiert." Das Unternehmen gehöre den Städten Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen und habe einzig die Aufgabe, einen "guten Nahverkehr" zu gewährleisten. Edward Schneider erläuterte die Simulation und fragte: "Ist der Kreisel für den Verkehr tauglich?" Die Antwort gab er selbst: "Ja, das wurde untersucht." Der Rückstau an den Einmündungen, also Haupt-, Mozart- und Hildastraße, sei "sehr überschaubar". Weiter: "In acht von zehn Minuten ist es ein ganz normaler Kreisverkehr." Norbert Buter ging auf die Finanzierung ein, zählte Kosten und Zuschüsse auf. Fazit: "Für Eppelheim entstehen Kosten von einer Million Euro." Die Vorteile des Großprojekts sah er darin, dass es nur einmal Schienenersatzverkehr über eineinhalb Jahre gebe. Würde die Brücke nicht jetzt gebaut werden, müssten die Maßnahmen auf Heidelberger und Eppelheimer Seite hintereinander erledigt werden, was bedeuten würde, dass drei Jahre lang keine Bahnen fahren und die Zuschussquote geringer sei.



