Gaiberger Gemeinderat forciert Neubaugebiet trotz Widerstands
Stellungnahmen der Behörden zum Bebauungsplan – Einem Bürger platzte der Kragen

Gaiberg. Foto: www.heidelberg-ballon.de
Von Agnieszka Dorn
Gaiberg. Kaum ein Thema erhitzt die Gemüter so sehr wie das geplante Neubaugebiet "Oberer Kittel/Wüstes Stück". Dieses soll auf der sogenannten "Schwäbisch-Hall-Wiese" entstehen - eine Streuobstwiese, über die schon seit Jahren gestritten wird. Denn einige Gaiberger stellen das geplante Neubaugebiet mit juristischer Unterstützung infrage und blockieren somit laut Bürgermeister Klaus Gärtner die Weiterentwicklung des Ortes. Auch in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats kochten die Emotionen hoch. Mitten bei der Vorstellung der Stellungnahmen der Behörden sprang plötzlich ein Bürger aus den Besucherreihen auf und rief: "Entschuldigung, aber mir platzt jetzt der Kragen!"
Der Mann wurde von Bürgermeister Klaus Gärtner sogleich verwarnt, Gärtner sprach einen Ordnungsruf aus. Denn laut der Geschäftsordnung für den Gemeinderat dürfen Bürger die Sitzung nicht stören oder unterbrechen. Und schon gar nicht die eigene Meinung kundtun, dafür ist nämlich die Bürgerfragestunde da. Das alles schien den Bürger aber nicht besonders zu interessieren, stattdessen lieferte er sich ein kurzes Wortgefecht mit dem Rathauschef - sogar noch nach dem Ordnungsruf. Dabei warf er dem Verwaltungschef vor, das Thema werde "tendenziös vorgetragen".
Es ging um die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange sowie um die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit. Lars Petri, Diplomingenieur vom Planungsbüro Pröll und Miltner aus Karlsruhe, stellte die Stellungnahmen der Behörden zum geplanten Neubaugebiet vor. Dort soll nun doch kein Einkaufsmarkt hinkommen, die Behörden hatten diesbezüglich zu viele Bedenken geäußert.
Keine Bedenken äußerte dagegen das Regierungspräsidium Freiburg, genauer gesagt das dort angesiedelte Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau. Die Behörde schlug ein Baugrundgutachten vor, was laut Lars Petri derzeit erstellt wird. Das Baurechtsamt vom Landratsamt gab einige Anregungen, etwa zu Dächern der Wohneinheiten oder Stellplätzen. Keine grundsätzlichen Bedenken sieht das Amt für Gewerbeaufsicht und Umweltschutz des Landratsamtes. Einige Hinweise zur Wasserversorgung des Gebietes gab es vom Wasserrechtsamt des Landratsamtes.
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Auch vom Amt für Landwirtschaft und Naturschutz - Untere Naturschutzbehörde des Landratsamts - gab es kein "Nein" zum geplanten Neubaugebiet. Man riet aber von der Ansiedlung eines Einkaufsmarktes ab. Laut der Stellungnahme hat sich der "Charakter und die naturräumliche Wertigkeit des Gebiets (Kittel) inzwischen abschnittsweise sehr zu seinem Nachteil verändert", denn das Bild werde von Pferdehaltung, Koppeln und Pferdeunterständen geprägt.
Dennoch macht der Umweltbericht deutlich, dass im Planungsgebiet mit streng sowie besonders geschützten Arten zu rechnen ist - unter anderem mit Brutvögeln, Fledermäusen, Reptilien oder im Totholz lebenden Käfern. Des Weiteren gibt es dort ein Biotop, das laut der Stellungnahme möglicherweise umgesiedelt werden könne. Konkrete Aussagen seien hierzu aber noch nicht möglich, dazu seien weitere Untersuchungen notwendig. Sprich: Die Gemeinde müsste mit Abstimmung der Unteren Naturschutzbehörde einen gleichartigen Ersatz anlegen. "Nichtsdestotrotz ist das überplante Gebiet insgesamt immer noch naturräumlich als wertvoll zu beurteilen", betonte das Amt. Weiterhin machte die Untere Landwirtschaftsbehörde darauf aufmerksam, das in der Nähe des geplanten Neubaugebiets ein Milchbetrieb liegt und deshalb zeitweise mit Gerüchen zu rechnen ist.
Auch die Öffentlichkeit gab Stellungnahmen ab, etwa der Verein zur Erhaltung der Gaiberger Streuobstwiesen, der gegen das Neubaugebiet ist. "Es liegt keine belastbare Prognose vor, dass in der den Planungshorizont bildenden absehbaren Zeit ein Wohnbauflächendefizit droht, für dessen Abwendung es der vorliegenden Bebauungsplanung bedarf", steht in der Stellungnahme.
Nun ist ein Jahr seit der Abgabe der Stellungnahme vergangen und der Verwaltung liegt nach eigenen Angaben mittlerweile eine Liste mit zahlreichen Interessenten vor, die an einem Neubau im geplanten Baugebiet interessiert sind. Der Verein zur Erhaltung der Gaiberger Streuobstwiesen weist in der Stellungnahme weiterhin darauf hin, dass es "in der Region durch eine Vielzahl von neuen Wohnbaugebieten in den Entwicklungsachsen bereits ein Überangebot von Baugebieten" gibt. Weiterhin wies der Verein darauf hin, dass durch die demografische Entwicklung Wohneinheiten freiwerden. Daraufhin meinte Diplomingenieur Petri, dass nicht jede Wohnung, die frei sei, tatsächlich zur Verfügung stehe.
Bürgermeister Gärtner antwortete mit zwei Schlagworten: Kindergarten und Schule. Wegen des fehlenden Neubaugebiets gebe es keinen Familienzuzug. Die Kindergarten- und Schülerzahlen würden in Gaiberg drastisch sinken und das Dorf drohe auszusterben.
Mit acht Ja-Stimmen, zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung segneten die Räte die Stellungnahmen ab und entschieden, einen Satzungsentwurf zur öffentlichen Auslegung erstellen zu lassen.