Mühlhausen

Probleme beim Glasfaserausbau sorgten für Ärger

Auch wenn bei der Finanzplanung noch viele Fragezeichen bleiben, zeigt der Bürgermeister sich zuversichtlich. Ein Rückblick auf 2022.

09.01.2023 UPDATE: 09.01.2023 06:00 Uhr 6 Minuten, 6 Sekunden
Mit Redakteur Sebastian Lerche (re.) nahm Bürgermeister Jens Spanberger eine Glasfaser-Baustelle unter die Lupe.  Foto: Pfeifer
Interview
Interview
Jens Spanberger
Bürgermeister vom Mühlhausen

Von Sebastian Lerche

Mühlhausen. Die guten Nachrichten überwiegen offensichtlich in Mühlhausen: Im Jahresrückblick-Gespräch mit der RNZ schildert Bürgermeister Jens Spanberger zahlreiche Vorhaben, die gut geklappt haben – und dass die problematischen ganz gut im Griff behalten wurden.

Herr Spanberger, die Coronakrise ist noch nicht vorbei, die Energiekrise ist da: Was ist die größere Herausforderung?

Die Energiekrise. Mit dem Ausbruch des Krieges im Februar hat man mit ganz neuen Begebenheiten zu kämpfen. Mit dem Wegfall von Lieferketten, dass man Probleme hat, Material zu bekommen – auf den Baustellen, aber auch für eigene Maßnahmen. Dann, dass man Energie einsparen soll: Das machen wir kontinuierlich, das ist aber mehr in den Vordergrund gerückt, genau wie der Ausbau erneuerbarer Energien. Wir sind von der einen Krise in die andere Krise geraten, es gab keinen Übergang.

Mit welchen Problemen haben Sie aktuell besonders zu kämpfen?

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Wir stellen aktuell den Haushaltsplan für 2023 auf. Da sieht man, dass sich die Ausgabenseite deutlich erhöhen wird. Alles wird teurer. Wir rechnen mit zehn bis 15 Prozent Steigerung auf der Ausgabenseite, nur im operativen Geschäft. Die Personalkosten werden durch die Tariferhöhungen, die gerade verhandelt werden, deutlich steigen. Bei Investitionen rechnen wir auch damit, dass es generell teurer wird. Gründe sind Inflation, Probleme in den Lieferketten und der zunehmende Arbeits- und Fachkräftemangel.

Gibt es Dinge, die trotz allem gut geklappt haben?

Selbstverständlich. Gerade läuft die Sanierung des Hochwasserrückhaltebeckens in Mühlhausen. Der Abwasser- und Hochwasserschutzverband Wiesloch bringt das – fast 40 Jahre alte – Becken technisch auf den neusten Stand. Außerdem wird eine Fischtreppe errichtet, damit die Lebewesen im Wasser wieder sowohl bachauf- als auch bachabwärts wandern können. Wir sind komplett im Kostenrahmen und auch der Zeitplan kann gehalten werden. Das Becken soll im Frühjahr 2023 fertig sein.

In vollem Gange sind die Modernisierungsarbeiten am Hochwasser-Rückhaltebecken zwischen Mühlhausen und Tairnbach. Es wird technisch auf dem neusten Stand gebracht und erhält eine Fischtreppe, im Frühjahr 2023 soll es fertig sein. Foto: Pfeifer

Darüber hinaus geklappt hat es, weitere Betreuungsplätze zu schaffen. Wir konnten im September einen Waldkindergarten eröffnen, der gut angenommen wird. Die Trägerschaft hat der Verein Postillion übernommen. Die ersten Kinder konnten wir begrüßen, schrittweise wird er sich füllen. 20 Kinder im Alter ab drei Jahren können hier betreut werden. Eine tolle Einrichtung.

Weitere gute Entscheidungen hat der Gemeinderat mit der räumlichen Weiterentwicklung der Kraichgauschule sowie zu den Standorten der Feuerwehrabteilungen Mühlhausen und Rettigheim getroffen.

Und Sie haben noch mehr gute Nachrichten?

Carsharing ist bei uns gut angekommen. Das Fahrzeug ist da, durch Werbung finanziert – trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage sind viele örtliche Unternehmen da mitgezogen. Das Angebot, sich ein Auto zu teilen, wird von den Bürgerinnen und Bürgern gut angenommen.

Und wir haben eine tolle Jugendarbeit in der Gemeinde: mit der mobilen Jugendarbeit des Postillion und mit dem Jugendtreff "Subway", die beide nun auch kooperieren, das funktioniert hervorragend. Mit Bücherei und dem Verein "Kuhschwanz Angels" gab es kürzlich ein schönes Adventsprogramm mit Vorlesestunde für Kinder.

Nächstes Jahr entsteht der "Chillplatz" für Jugendliche zwischen Gewerbegebiet "In den Rotwiesen" und der Kleingartenanlage. Dort in der Ortsrandlage wird eine Party nicht gleich die Anwohner stören. Im März 2023 gibt es wieder ein Kinder- und Jugendforum, in dem wir die Planungen vorstellen und Ideen der Jugendlichen für den Chillplatz einfließen lassen, dann können wir das in die Tat umsetzen.

Gut lief auch die Planung für die Sanierung von Friedhof- und Bergstraße in Rettigheim. Baubeginn dürfte je nach Wetterlage im Februar sein.

In Rettigheim läuft seit 2018 das Landessanierungsprogramm, Friedhof- und Bergstraße gehören zu dieser Gebietskulisse dazu. Wie sieht es mit weiteren Vorhaben der Gemeinde und vor allem auch mit den privaten Modernisierungen aus?

Das Landessanierungsprogramm läuft sehr erfolgreich. Momentan beträgt der Förderrahmen 1,5 Millionen Euro, wobei das Land wie üblich 60 Prozent, also 900.000 Euro, zuschießt. Wir wollen die Förderung aufstocken lassen, sodass der Rahmen bei 4,1 Millionen Euro liegt, dann kämen gut 2,4 Millionen vom Land. 23 private Sanierungsmaßnahmen sind gestartet.

Und die Gemeinde will den Ortskern weiter beleben, Wohnungen schaffen und möglichst bis zum Ende des Förderprogramms im Jahr 2029 die Mehrzweckhalle renovieren. Ebenso würde ich gerne bis dahin die Ortsmitte in der Malscher Straße städtebaulich aufwerten.

Was sicher nicht gut geklappt hat, ist das Verlegen von Glasfaserleitungen fürs schnelle Internet in Tairnbach und Mühlhausen. Die Gemeinde verhängte sogar einen Baustopp. Gibt es da Fortschritte?

Wir haben mehrere Gespräche mit der Projektleitung geführt, die war immer wieder vor Ort. Der Baustopp wurde inzwischen aufgehoben, die schlimmsten Mängel wurden behoben. Jetzt geht es weiter, in enger Abstimmung mit uns werden die Bauarbeiten im neuen Jahr wieder aufgenommen. In welcher Straße weitere Kabel verlegt werden, wird mit uns abgestimmt.

Hin und wieder passiert es, gerade in älteren Straßen, dass die Kabel von anderen Versorgungsträgern aufgrund zu niedriger Verlegetiefe angerissen und zerstört werden. Das Problem ist, dass die anderen Versorgungsträger auch nicht gleich reagieren können: aufgrund von Lieferproblemen, Materialmangel oder fehlendem Personal. Das hat auch zu Ärger geführt.

Wie sieht der Zeithorizont aus? Wann kann der Glasfaser-Ausbau in Rettigheim starten?

Wir haben gesagt, erst müssen Tairnbach und Mühlhausen komplett fertig sein, ehe es nach Rettigheim geht. Ansonsten sind wir nicht der Bauträger, sondern begleiten das nur als Straßenbaulastträger, den Zeitplan hat die Deutsche Glasfaser oder das von ihr beauftragte Unternehmen.

Die Container-Notlösung an der Tairnbacher Schule soll ein Ende haben. Doch bis der Neubau fertig wird, könnte es 2027 werden. Foto: Pfeifer

Ein wegweisender Schritt für den Neubau der Tairnbacher Grundschule war der Architektenwettbewerb: Wie war Ihr Eindruck davon?

Wir hatten eine ganz große Beteiligung und haben den Teilnehmerkreis auf 20 begrenzt – 19 haben eine Arbeit abgegeben. Die hat ein Preisgericht geprüft. Es hat sich auf jeden Fall gelohnt: Viele Ideen konnten wir begutachten, wie die Schule sich in der Ortsmitte etablieren kann und wie das aussehen wird. Ich denke, wir haben eine gute Entscheidung getroffen.

Wie sehen Sie den Siegerentwurf?

Uns war wichtig, dass der Entwurf sich wirtschaftlich für die Gemeinde darstellen lässt und kein Prachtbau ist. Ein kompaktes Gebäude mit machbaren Kosten für Errichten und Unterhalten. Es passt auch gut in die Ortsmitte hinein, vom Satteldach, von der Ausrichtung her. Das ist ein guter Entwurf, mit dem auch eine Bereicherung der Dorfmitte gelingen kann.

Und wie geht es weiter?

Jetzt müssen wir das Vergabeverfahren zum Abschluss bringen, dann Aufträge für Architekten und Fachplaner erteilen. Wann der Bau beginnen kann, ist schwierig zu sagen. 2023 sind wir noch in der Ausarbeitung der Planung, dann müssen wir Förderanträge stellen. Wenn die Bescheide vorliegen, 2024 oder 2025, ist Baubeginn. Die Bauzeit dürfte eineinhalb Jahre betragen, dann wird es 2027 bis zum Einzug.

Den Mühlhausener Wochenmarkt zu erhalten, ist leider nicht gelungen. Das Dorflädl in Tairnbach ringt um seinen Fortbestand. Wie wichtig sind beide für lebendige Ortsmitten und was will die Gemeinde weiter dafür tun?

Es ist schade, dass der Mühlhausener Wochenmarkt nicht mehr die nötige Nachfrage bekam. Ohne die sehe ich für den Markt keine Chance. Jedoch haben wir ein neues Café, das gut angenommen wird und die Ortsmitte bereichert.

In Rettigheim sind der Gemüsestand und die rollende Sparkassen-Filiale "Rolfi" noch da. Die Märkte stehen immer in Konkurrenz zum Einzelhandel und zu den Supermärkten, von denen wir in der näheren Umgebung viele haben.

Das bekommt auch das Dorflädl zu spüren …

Dass wir von Supermärkten gut versorgt sind, merkt auch das Dorflädl. Die Gemeinde gewährte daher einen Zuschuss, um sein Defizit auszugleichen. Wie sich das weiterentwickelt, muss man sehen: Die Kosten steigen wie überall, der Mindestlohn wurde erhöht, Personalengpässe sind da, Energiekosten sind hoch. Aber wie in allen Bereichen merkt man: Die Nachfrage regelt das Angebot.

Alle Kommunen haben zurzeit die Sorge, wie sie Geflüchtete unterbringen können. Wie gehen Sie damit um?

Wir haben 2022 mehr als 70 Geflüchtete aufgenommen. Viele ukrainische Flüchtlinge wurden privat untergebracht, da gab es eine große Solidarität und eine Willkommenskultur in der Gemeinde. Nächstes Jahr werden uns voraussichtlich 100 Personen zugeteilt. Die Gemeinde hat vier Wohnhäuser in Besitz und zehn weitere angemietet, da ist aber kaum noch Platz.

Ich kann also aktuell noch nicht sagen, wo wir die neuen Flüchtlinge unterbringen. Der Wohnungsmarkt ist sehr angespannt. Ich bin froh über jede Wohnung, die wir anmieten können. Ich hoffe, dass wir das trotz allem, mit Unterstützung aus der Bürgerschaft, hinbekommen.

Gut läuft dabei die Integrationsarbeit. Zum Beispiel haben wir das "Café Mulin" saniert und eröffnet, da waren schon erste Veranstaltungen, die von Geflüchteten und den Bürgerinnen und Bürgern gut angenommen wurden. Wobei das Café nicht nur für Geflüchtete ist: Es ist eine Begegnungsstätte von Menschen für Menschen, hat einen Second-Hand-Laden und bietet eine Sozialberatung.

Was hat Sie 2022 besonders geärgert?

Die Problematik beim Glasfaserausbau. Gerade, dass die etablierten Versorgungsträger genau so Schwierigkeiten haben, Personal zu finden, dass sie mit Subunternehmern arbeiten und dass die Bürgerinnen und Bürger wochenlang auf eine Reparatur warten müssen.

Bei Ihnen zu Hause waren es drei Wochen ohne Telefon und Internet?

Das ging ja noch. Wir haben Straßenzüge, da waren die Betroffenen sieben Wochen und länger ohne Telefon und Internet. Früher gab es Notfall-Bautrupps oder lokale Partner, die vor Ort kamen, und gut. Jetzt geht es über eine Hotline, die irgendwo sitzt, und bis sich was bewegt, vergehen Wochen.

Was war Ihr persönliches Highlight?

Dass wir endlich nach Ausklang der Pandemie wieder Feste feiern konnten. Das Bürgerfest konnten wir erleben, die Kerwen sind normal gelaufen. Die Adventsmärkte waren Highlights. Wir können stolz auf die Vereine sein, dankbar auch den vielen Helferinnen und Helfern. Es ist toll, dass wir aus der Pandemie gestärkt herausgehen.

Vier Ehrungsabende hatten wir 2022 für viele engagierte und verdienstreiche Menschen und mich hat es sehr gefreut, dass ich Karl Klein den Ehrenbürgertitel verleihen durfte und dass Hans-Josef Hotz mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. Ich danke allen, die sich in unserer Gemeinde ehrenamtlich engagieren und sich einbringen.

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