Faszinierende Reise durchs "wahre Mallorca"
Die Pilgerbrüder Rudi Kramer und Alex Kretz referierten bei der Kolpingsfamilie - Spendensammlung für Hilfsprojekt auf Madagaskar

Die Pilger Rudi Kramer (li.) und Alex Kretz stellten jetzt bei der Kolpingsfamilie Mühlhausen in Wort und Bild ihre Pilgerreise durch den "wilden Westen von Mallorca" abseits der Touristenströme vor. Foto: Kramer
Mühlhausen. (seb) "Kein Sonntagsspaziergang", aber "unser landschaftlich eindrucksvollster Pilgerweg": Das war die Reise durch den "wilden Westen von Mallorca" für die Pilgerbrüder Rudi Kramer und Alex Kretz, die einmal mehr auch zur Reise in ihr Inneres wurde. Im nunmehr 15. Pilgervortrag auf Einladung der Mühlhausener Kolpingsfamilie zeigten sie - Kramer in poetischen Worten, während Kretz die überwältigenden Bilder präsentierte -, dass es abseits der Touristenströme noch "das wahre Mallorca" gibt.
Auf uralten Pfaden ging es in neun Tagen über gut 120 Kilometer hinweg "durch die schönsten und spannendsten Landschaften der Insel", so Kramer. Der Start in Sant Elm machte schon klar, was die Pilger erwartet: das schwierige, steinige Gelände des Gebirges Serra de Tramuntana, das "ein bisschen Klettern" oder auch "Baucheinziehen" erfordert, aber atemberaubende Ausblicke aufs Meer und urtümliche Landschaften bietet, gebadet ins faszinierende Licht der Mittelmeersonne. Luxus brauchen Pilger nicht, das zeigte schon der schlichte Schlafsaal der ersten Herberge in Ses Fontanelles nahe Andraitx.
So eine Pilgerreise "kostet Kraft und gibt Kraft", das wurde deutlich, als "die Müdigkeit der Freude wich" beim Anblick des Hotels in Estellenchs. Eine paradiesische "grüne Oase am blauen Meer", Banyalbufar, war auch ein Musterbeispiel für das "Erbe der Römer und Mauren", das die Insel prägt: jahrhundertealte Weinberge und terrassierte Hänge für den Anbau von Oliven, Mandeln, Zitronen und Feigen mit einem komplexen Bewässerungssystem. Interessant war für die beiden die Begegnung mit zwei Handwerkern, die sich noch auf den Trockenmauerbau verstehen. Sie helfen, eine Kulturlandschaft zu bewahren, die zum Unesco-Weltkulturerbe zählt.
Historische Streifzüge bereicherten Kramers Vortrag. Das ehemalige Kloster des Kartäuserordens in Valldemossa sei ein kulturelles Glanzstück. Interessant auch das immer noch spürbare Wirken des "Naturschützers und Forschers" Ludwig Salvator von Österreich-Toskana, der beispielsweise die Wege anlegen ließ, die die Pilger auf dem Weg zum Künstlerdorf Deià nahmen. "Wunderschön an den Hängen des Puig de Teix" gelegen, hat es zahllose Komponisten, Dichter und Maler inspiriert.
Weil Abenteuer zum Pilgern dazugehören, verließen die beiden die offizielle Route auf dem Weg nach Sóller. Sie wählten "den Piratenweg", dicht an die steilen Klippen zwischen Cala de Deià und Port de Sóller geschmiegt - tückischer Pfad, wildromantische Kulisse. Uralte Wege brachten sie entlang einer über 600 Jahre alten Wasserleitung durchs schmale Tal von Sóller auf den Berg Puig de l’Ofre. Auf diesem höchsten Punkt ihrer Wanderung konnten sie die beiden Stauseen Cúber und Gorg Blau gut sehen, lebenswichtige Trinkwasser-Reservoirs für die Hauptstadt Palma.

Atemberaubende Ausblicke aufs Meer und urtümliche Landschaften belohnten die Anstrengungen der Pilgerreise. Foto: Kramer
Auf dem Weg zum Wallfahrtsort Lluc wurde einmal mehr "die Geschichte Mallorcas lebendig". Am Wegesrand stießen sie auf die früheren Arbeitsstätten von Hirten, Köhlern, Kalkbrennern und "Eismännern" - Letztere pressten einst Schnee und versorgten Fischhändler oder auch Krankenhäuser. Das Santuari de Santa Maria de Lluc, wichtiges spirituelles Zentrum der Insel, stellte Kramer ausgehend von der berühmten Madonna-Statue vor, die, schlicht gestaltet, von den Mallorquinern als "eine von uns" ins Herz geschlossen wurde. Seit 800 Jahren das Ziel von Pilgern, sei die einstige Kapelle zur barock-prunkvollen Basilika mit Museum, Priesterseminar, Internat und Herbergen gewachsen.
Von dort war es nicht weit zu einem der "spektakulärsten Naturwunder Mallorcas", der Felsenschlucht Torrent de Pareis. Die letzte Etappe brachte die Pilger vorbei an bizarr-anmutigen Felsformationen nach Pollença. 365 Stufen hinauf ging es auf den Kalvarienberg mit seinen 14 Kreuzen zur Erinnerung an das Martyrium Jesu und einer "tollen Aussicht aufs quirlige Städtchen". Die Reise endete am Leuchtturm von Kap Formentor.
Heiter waren die Begegnungen mit gleichgesinnten Wanderern, tiefen Eindruck hinterließ die mallorquinische Gastfreundschaft, wenn etwa ein bekannter Gitarrist, der die riesigen Rucksäcke der Pilger erblickte, sie für ihre Mühen mit "wunderbaren Melodien seiner Heimat" belohnte: "Schöner könnten so anstrengende Tage nicht ausklingen." Verblüffend wirkte die Blütenpracht, Kramer wies auf einige Pflanzen hin, die nur auf Mallorca vorkommen. Man habe "alle Farben und Düfte des Mittelmeerraums" erlebt. So nimmt es nicht wunder, dass ihre Augen "für die Schönheit der Schöpfung geöffnet" wurden. Zudem wurde laut Kramer der Geist geschärft: "Pilgern zeigt uns das, was im Leben wirklich zählt."
Morgens gönnten sie sich eine Stunde der Stille, "Arznei für die Seele" und "Voraussetzung, wenn wir Gottes Stimme in unseren Herzen hören wollen". Und auf den Pilgerwegen dachten sie nach: über Wegweiser, die gut zu sehen sein müssen, aber nicht im Weg stehen dürfen: "Wir Eltern, Großeltern und Freunde müssen solche Wegweiser sein"; und über das das Unterwegssein selbst, Lebenswege, "so stürmisch wie die See", über notwendige Veränderungen, die man einfach wagen müsse.
Entzückt vom "bombastisch großen Zuspruch" hatte sich Kolpingsfamilien-Vorsitzender Paul Hotz eingangs gezeigt. Er wies die vielen Besucher auf die Spendensammlung fürs Hilfsprojekt von "Amour et Partage" auf Madagaskar hin, das die Pilgerbrüder unterstützen. Über aktuelle Entwicklungen informierte Rudi Kramer, während Alex Kretz Bilder von lachenden Kindern zeigte: So sei das Krankenhaus inzwischen fertig, der Kindergarten sei von 45 auf 80 Plätze aufgestockt worden. "45.550 Euro sind fürs Hilfsprojekt inzwischen zusammengekommen", so Kramer, der sich für die zahlreichen Spenden in den vergangenen Jahren herzlich bedankte.
Info: Am Montag, 25. März, 19.30 Uhr, wiederholen Rudi Kramer und Alex Kretz ihren Pilgervortrag in der Bernhardushalle Mühlhausen.