Ladenburg

Soll die Albert-Reimann-Straße auch umbenannt werden?

Die Reimanns waren glühende Anhänger Hitlers und Profiteure des Nazi-Regimes. Ihre Firmengeschichte wurde inzwischen aufgearbeitet.

15.02.2022 UPDATE: 16.02.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 25 Sekunden
Im Jahr 1978 wurde die ehemalige Straße „Am Hafen“ umbenannt in Dr.-Albert-Reimann-Straße. Foto: Sturm

Von Axel Sturm

Ladenburg. Mehrere Straßennamen stehen derzeit in der Rhein-Neckar-Region im Fokus einer veränderten Wertediskussion. So hat der Gemeinderat der Stadt Mannheim erst kürzlich beschlossen, mehrere Straßennamen im Stadtteil Rheinau zu ändern, denn die sind nach Kolonialverbrechern benannt. Die Leutwein-Straße, die Lüderitz-Straße oder die Gustav-Nachtigal-Straße wird es dann in Mannheim nicht mehr geben.

Auch in der Nachbargemeinde Schriesheim gibt es Ärger wegen der Hans-Pfitzner-Straße. Der Komponist ist nach dem Zweiten Weltkrieg mit antisemitischen Äußerungen aufgefallen, sodass auch in der benachbarten Weinstadt über eine Namensänderung diskutiert wird. In Ladenburg wird sich der Gemeinderat sicherlich bald mit der Dr.-Albert-Reimann-Straße befassen müssen.

Der 1898 in Ludwigshafen geborene Unternehmer war Gesellschafter der Johann A. Benckiser OHG und leitete mit seinem Vater Albert sen. bis 1954 die Firma, die in den 1950er bis 1990er Jahren der wichtigste Steuerzahler der Stadt war. 1978 gab es in Ladenburg eine Namensänderung, die der Stadt heute auf die Füße fallen könnte. Anlässlich des 80. Geburtstages von Reimann jun. wurde die damalige Straße "Am Hafen" im dortigen Industriegebiet in "Dr.-Albert-Reimann-Straße" umbenannt.

Aus Presseartikeln vom September 1978 geht hervor, dass sich die damaligen Entscheidungsträger mit der Umbenennung des Straßennamens bei den Reimanns für die sprudelnden Steuereinnahmen bedankten, die dringend gebraucht wurden, um in der Stadt mit den vier "L", die für lumpig, lausig, liederlich, Ladenburg standen, eine attraktive Infrastruktur aufzubauen.

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Dem damaligen Bürgermeister Reinhold Schulz kann sicherlich nicht unterstellt werden, dass er mit der Nazivergangenheit unsensibel umgegangen ist. Damals gab es aber noch keine historischen Belege, welche Rolle die Reimanns in der Nazi-Zeit einnahmen. Der Gemeinderat stimmte der Namensänderung daher fast einstimmig zu. Aus heutiger Sicht war die Straßenumbenennung aber eindeutig ein Fehler.

Bereits vor einigen Jahren recherchierte unter anderem die "Bild am Sonntag", dass es in den Werken und der Privatvilla der Firmen-Patriarchen Reimann sen. und jun. in Ludwigshafen während der NS-Zeit zu Gewalt und Missbrauch an Zwangsarbeitern gekommen ist. Auch ist belegt, dass die beiden Unternehmer überzeugte Nationalsozialisten und Antisemiten waren, die vom Zweiten Weltkrieg erheblich profitierten.

Die Familie Reimann steht mit zahlreichen Firmenbeteiligungen hinter weltbekannten Namen wie Calgon – eine Marke, die in Ladenburg produziert wurde. Mit einem geschätzten Vermögen von mehr als 30 Milliarden Euro ist die Familie Reimann die zweitreichste Familie in Deutschland, und die Erben versuchten erst gar nicht, die dunkle Vergangenheit ihrer Vorfahren zu beschönigen. Die wollten selbst Klarheit und beauftragten mehrere unabhängige Historiker mit der vollständigen Aufarbeitung des NS-Kapitels der Firmengeschichte. Der Vertraute der Familie und Chef der JAB Holding, Peter Harf, sagte nach den Recherchen der Historiker: "Reimann senior und Reimann junior waren schuldig. Die beiden Unternehmer haben sich vergangen, sie gehörten eigentlich ins Gefängnis."

Als es vor drei Jahren um die Benennung der Straßen im neuen Baugebiet Nordstadt-Kurzgewann ging, wurde in nicht öffentlicher Sitzung über die Würdigung der Ehrenbürgerin Elisabeth Trippmacher gesprochen. Einige Ratsmitglieder wollten die Ehrenbürgerin durch die Benennung einer Straße oder eines Platzes in der Nordstadt für ihre Verdienste um die Rückholung von Gefangenen während beider Weltkriege ehren. "Sie scheute sich nicht, an alle möglichen und unmöglichen Leute zu schreiben, wenn sie etwas Humanes durchsetzen wollte", ist beispielsweise im Stadtlexikon des Heimatbundes vermerkt. Trippmacher schrieb unter anderen dem US-Präsidenten Eisenhower oder Albert Schweitzer, aber auch Josef Stalin oder Hermann Göring.

Kritiker der Ehrenbürgerin werfen ihr eine starke Nähe zu den Nationalsozialisten vor, sodass sich in Ladenburg Proteste wegen der geplanten Würdigung mit einem Straßennamen formierten. Wie wichtig und richtig die Kritik ist, zeigte sich erst jüngst in einer Ausstellung des Stadtarchivs und des Heimatbundes zum Thema "Ladenburg in den Nachkriegsjahren". Dort wurde ein Brief von Trippmacher gezeigt, in dem sie sich über das Benehmen der Heimatvertriebenen in Ladenburg beschwerte. Die rassistische Wortwahl darin bestätigt die Entscheidung des Gemeinderats, von der Namenswürdigung in der Nordstadt abzusehen.

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