Firmen-Imperium

Die Reimanns - eine Familie voller Geheimnisse

Wie die Familie Reimann aus der Region zu einem Firmen-Imperium kamen

18.09.2020 UPDATE: 21.09.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 24 Sekunden
Peter Harf, Chef der Familienholding JAB. Archivfoto: picture alliance / dpa

Rhein-Neckar. (kla) Sie gehören zu den reichsten Familien Deutschlands: die Reimanns, deren Wurzeln in der Region um Heidelberg und Mannheim liegen, und die mit zahlreichen Firmenbeteiligungen hinter weltbekannten Marken wie Calgon, Davidoff Cool Water, Bally oder Jacobs-Kaffee stecken. Es ist eine Familie, die die Öffentlichkeit scheut. Bilder oder gar Homestories gibt es nicht. Und doch füllen Geschichten über den Clan und sein Firmen-Imperium gerade wieder die Seiten der Wirtschaftsmagazine. Offenbar gibt es Ärger an der Spitze der Familienholding JAB. Und Enthüllungen über die Geschichte der Familie.

So soll sich Peter Harf (74), Chef der Familienholding JAB, Medienberichten zufolge mit seinem designierten Nachfolger David Kamenetzky (50) überworfen haben. Der war im Sommer 2019 als Aufsichtsratsvorsitzender angetreten und sollte als Bindeglied agieren zwischen dem Clan und der Holding, fungieren, schrieb das "Manager Magazin" kürzlich. Vor wenigen Wochen aber habe Kamenetzky seine JAB-Posten gegen eine großzügige Abfindung abgegeben. Die Rede ist von einem Machtkampf – den Harf gewann.

Peter Harf, gefeierter Manager und Investor, ist "das Mastermind" hinter dem Milliarden-Imperium der Familie, wie das "Handelsblatt" kürzlich schrieb. Nahezu ihr gesamtes Vermögen – das die "Welt" auf 21,45 Milliarden Euro schätzt, das "Manager Magazin" auf mehr als 30 Milliarden Euro – verdanken die Reimanns ihrem "Chefstrategen" Harf: In knapp vier Jahrzehnten hat der Ökonom aus dem maroden Chemiebetrieb Benckiser (1823 vom Chemiker Johann Adam Benckiser gegründet, Karl Ludwig Reimann kam kurz darauf in Ludwigshafen hinzu) ein globales Imperium aufgebaut. Dazu gehören Beteiligungen am Konsumgüterkonzern Reckitt Benckiser (Calgon, Sagrotan, Clerasil) mit Sitz in London und der Deutschland-Niederlassung in Heidelberg, sowie der Kosmetik- und Parfümhersteller Coty (Chloé, Calvin Klein, Davidoff). Seit 2012 investierte Harf zudem im Kaffeegeschäft und schuf innerhalb kürzester Zeit das zweitgrößte Kaffee-Reich der Welt mit Marken wie Jacobs, Senseo und Tassimo.

Im Jahr 2015 jedoch unterlief ihm aus der Sicht von Beobachtern ein Patzer: Damals fädelte Harf die Übernahme der Haarpflegefirma Wella und weiterer Marken des US-Konsumgüterkonzerns Procter & Gamble ein, um sie mit Coty zu verschmelzen. Die Integration gestaltete sich jedoch schwierig, Harf reichte die Beteiligung an Wella an den Finanzinvestor KKR weiter. In einem Interview mit dem Magazin "Der Spiegel" sagte er kürzlich, er gebe zu: "Coty hinterlässt einen schwarzen Fleck auf meiner ansonsten strahlend weißen Investorenweste." Dennoch stehe die Familie noch immer fest zu ihm, bekräftigte er. "Wir haben schließlich viel miteinander durchgemacht."

Tatsächlich ist die Geschichte der Familie ungewöhnlich. "Tragisch" nennt sie das "Manager Magazin" und erzählt von der Zeit nach dem Tode Albert Reimanns, eines Nachfahren Ludwig Reimanns, im Jahre 1984. Als sein Testament eröffnet wurde, seien seine neun Kinder erstaunt gewesen: Sie hatten den Vater laut Bericht für einen leitenden Angestellten der Ludwigshafener Chemiefabrik gehalten. Stattdessen war er deren Eigentümer.

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Auch sonst gab es offenbar Geheimnisse in der Familie. Unter den neun Kindern, die Reimann mit seiner Frau Paula adoptiert hatte, sollen drei leibliche Nachkommen gewesen sein, die aus einer unehelichen Verbindung mit einer Angestellten stammten. Nach dem Tod des Vaters erhielten die neun Erben jeweils gut 11 Prozent des Unternehmens. In der Folge ließen sich fünf von ihnen ausbezahlen. Die Familien der übrigen vier bilden seit rund 20 Jahren den Gesellschafterkreis der JAB Holding. Zusammen gehören ihnen laut Bericht knapp 90 Prozent der Anteile. Inzwischen sollen sie in Österreich, Italien und der Schweiz leben.

Ein weiteres dunkles Geheimnis wurde 2016 aufgedeckt, als die Nachkommen einen Historiker damit beauftragten, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Der Forscher förderte bittere Wahrheiten zutage: Albert Reimann war ein glühender Anhänger der Nazis gewesen, genau wie sein Vater, Albert Reimann senior. Beide traten schon zu Beginn der 30er Jahre der NSDAP bei. 1937 schrieb der damals 39-jährige Reimann jun. in einem Brief an SS-Führer Heinrich Himmler: "Wir sind ein rein arisches Familienunternehmen."

Daraufhin spendeten die Reimanns laut "Manager Magazin" zehn Millionen Euro an Holocaust-Überlebende oder -Hinterbliebene. Weitere 25 Millionen Euro sollen jährlich zur Stärkung des Bewusstseins für die Verbrechen des Nationalsozialismus ausgegeben werden.

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