Hirschberg

Hausärzte impften am Samstag

So bleiben Sprechstunden frei - Künftig scheitert Konzept am Großhandel - Mediziner kritisieren, dass Land Impfdosen für Ärzte kürzt

11.04.2021 UPDATE: 12.04.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 52 Sekunden

Ilaria Cappiello, Rafael Wandra und Marc Steinhausen (v.l.) bei der Vorbereitung der Impfdosen. Foto: Dorn

Von Katharina Schröder

Hirschberg. Bis zu 500 Dosen könnten die Hirschberger Hausärzte vom Ärztehaus an einem Tag verimpfen. Weil so viel Impfstoff aber noch nicht zur Verfügung steht, waren es am Samstag erst einmal rund 150 Impflinge, die sich im Ärztehaus tummelten. Im Gegensatz zu vielen anderen Praxen entschieden sich die Hirschberger Mediziner dazu, an einem zentralen Termin zu impfen, damit die regulären Sprechstunden nicht unter der zusätzlichen Aufgabe leiden. Für den ersten Termin opferten Ärzte und Mitarbeiter ihren Samstag. Für diesen Einsatz und die "reibungslose Organisation" dankte eine Patientin den Hausärzten, bevor sie ihre Dosis Comirnaty von Biontech bekam.

Von diesem reibungslosen Ablauf überzeugten sich vor Ort Landrat Stefan Dallinger, Gesundheitsdezernentin Doreen Kuss und Bürgermeister Ralf Gänshirt. Auch die Presse hatte das Landratsamt eingeladen, sodass es mit rund acht beteiligten Ärzten, etwa 20 Medizinischen Fachangestellten, Patienten, Journalisten und Behördenvertretern teilweise recht eng wurde in der Praxis.

"Wir stellen hier unter Beweis, dass wir impfen können", sagte Dr. Tilman Steinhausen, Geschäftsführer der internistischen Praxis im Ärztehaus. Er richtete einen Appell an die Landesregierung. "Dass sich die Zahl der Impfungen in dieser ersten Woche, in der Hausärzte einbezogen sind, verdoppelt hat, zeigt, dass wir das können", betonte er. "Trotzdem sollen die Impfdosen für Hausarztpraxen jetzt wieder halbiert werden", kritisierte er. "Diese Woche haben wir 26 Dosen pro Arzt bekommen", erklärte Dr. Michael Melcher. "Eigentlich sollte die Zahl der Impfdosen steigen, aber jetzt kriegen wir schon in der zweiten Woche deutlich weniger als in der ersten." Konkret bedeute das: nur vier Dosen pro Arzt in dieser Woche.

Eine Praxismitarbeiterin zieht eine Spritze auf. Foto: Kraus-Vierling

Diese Reduzierung geht zugunsten der Impfzentren aus, die nun mehr bekommen. Dabei liegt der Vorteil der Hausärzte auf der Hand: die Nähe zu ihren Patienten. "Wir sind da ganz auf der Seite der Ärzte", sagte Landrat Dallinger. Hausärzte müssten intensiver eingebunden werden. Das Engagement der Ärzte will auch die Gemeinde unterstützen. Sollten die Räumlichkeiten in den Praxen eng werden, wenn es mehr Impfstoff gibt, stellt die Gemeinde den Ärzten die Alte Turnhalle zur Verfügung. So könne parallel geimpft werden, während der Sprechstundenbetrieb aufrecht erhalten werden kann, ohne dass Behandlungszimmer durchs Impfen belegt werden. Das war auch die Intention hinter dem Samstagstermin, denn samstags sind die Praxen eigentlich geschlossen. Doch es bleibt wohl bei diesem einen Wochenendtermin. Nächste Woche werden die Ärzte mittwochs und freitags impfen, ebenfalls außerhalb der Sprechstundenzeiten.

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Grund dafür ist die Lieferlogistik. Denn das Vakzin von Biontech ist nur fünf Tage haltbar. Wenn es montags geliefert wird, muss es bis freitags verbraucht werden. "Wir haben beim Großhandel gefragt, ob man dienstags liefern könnte, aber das ist nicht möglich", erklärte Dr. Steinhausen. Diesen Samstagstermin gab es nur, weil die Dosen in der vergangenen Woche aufgrund des Feiertags einen Tag später geliefert wurden.

Recht eng wurde es am Samstag in der Praxis. Foto: Kreutzer

Insgesamt ist die Handhabe des Impfstoffs nicht einfach. Das wissen Ilaria Cappiello, Rafael Wandra, Marc Steinhausen und Friede Schoester Descheid, die ihn für die Patienten vorbereiten. Im Vorbereitungszimmer tickt ununterbrochen ein Wecker. "Wir desinfizieren alle halbe Stunde alle Oberflächen", erklärte Schoester Descheid. Das hätten sie bei ihrem freiwilligen Einsatz in einem Berliner Impfzentrum gelernt und übernommen. Geliefert wird Comirnaty tiefgefroren, in der Praxis taut er auf. Die Mitarbeiter müssen die Ampullen vorsichtig wenden, aber nicht schütteln, bevor sie den Impfstoff aufziehen. In der Spritze muss er dann mit Kochsalzlösung verdünnt werden, dabei darf keine Luft in die Spritze kommen, und auch der Druck darf für den empfindlichen Impfstoff nicht zu groß sein.

Im Zimmer nebenan saß Wolfgang Bayer beim Aufklärungsgespräch. Seine Tochter und er waren erleichtert, als die Medizinische Fachangestellte, Carolin Binz, ihm die Impfung verabreichte. Auf den Schultern der Medizinischen Fachangestellten laste derzeit viel, erzählten Binz und ihre Kollegin Petra Trauner. "Wir schlafen gerade alle nicht, wir haben einfach zu viel im Kopf", sagte Trauner. Momentan lande viel Frust bei ihnen. Ein Problem sei, dass durch die zahlreichen Nachfragen zum Impfen die Leitungen der Praxis ständig besetzt seien – und das eben auch für Patienten, die medizinischen Rat außerhalb der Impfthematik brauchen. Und: "Viele Patienten rufen uns an und wollen einen Impftermin, aber wenn sie noch nicht in der Priorisierungsgruppe sind, müssen wir sie abweisen", führte Binz aus. "Da kommt dann viel Negatives an."

Die Auswahl der Patienten sei "ethisch ganz schwierig", sagte auch Dr. Andreas Mußotter. Er gehört zwar nicht zum Ärztehaus, aber auch in seiner Praxis impft er. "Wen nimmt man, wenn drei Leute berechtigt sind, aber nur eine Dosis da ist." Er hofft wie so viele, dass bald mehr Impfstoff zur Verfügung steht.

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