Neckar-Odenwald

So läuft das Impfen in den Hausarzt-Praxen

Seit dieser Woche flächendeckende Vakzin-Verabreichung - Die Patienten sind sehr dankbar

08.04.2021 UPDATE: 09.04.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 9 Sekunden
Am Mittwochnachmittag verabreichte Dr. Martin Seitz erstmals in seiner Hausarztpraxis in Hardheim den Impfstoff Biontech an 48 seiner Patienten. Die Dankbarkeit der Menschen entschädige für den hohen Arbeitsaufwand, so der Allgemeinmediziner. Symbolfoto: Jana Schnetz

Neckar-Odenwald-Kreis. (jasch/stk) In mancher Hausarztpraxis im Landkreis herrschte am Mittwoch Hochbetrieb: Es wurde (in den allermeisten Fällen erstmals in den Praxen) gegen das Coronavirus geimpft.

So auch in der Hausarztpraxis von Dr. Martin und Dr. Bettina Seitz, die am Mittwochnachmittag in ihrer Praxis in Hardheim 48 Patienten impften. "Die Impfung lief gut, die Lieferung auch, aber wir hätten noch mehr Impfstoff gebraucht", sagt Dr. Martin Seitz. Für diese Woche sei alles aufgebraucht, aber die nächste Bestellung habe man bereits durchgegeben, so der Allgemeinmediziner. "Trotzdem bin ich dankbar, dass ich überhaupt 48 Personen impfen konnte."

Auf die Wahl des Impfstoffes hätte seine Praxis indes keinen Einfluss: Seitz bekam den Biontech-Impfstoff geliefert, den seiner Aussage nach alle geimpften Personen bisher gut vertragen hätten.

"Unser Ziel ist es, aus dem Tal der ,Corona-Tränen’ herauszukommen", betont Seitz. Für dieses Ziel nehme man lange Arbeitsstunden und genaueste Vorbereitungen in Kauf. "Auch für uns bedeutet das einen hohen logistischen Aufwand und genaueste Planung. Ich bin am Mittwoch noch bis 22.30 Uhr am Schreibtisch gesessen, um die Impfzahlen über die Kassenärztliche Vereinigung an das RKI weiterzumelden." Dies sei nur einer von vielen Dokumentationsschritten, die zeitnah festgehalten und übermittelt werden müssten.

Auch die Praxis des Ehepaars Seitz hält sich an die Prioritätenliste, wonach die über 80-Jährigen, über 70-Jährigen sowie Patienten ohne Alterseinschränkung aber mit schwerwiegenden Vorerkrankungen impfberechtigt sind. Es sei absehbar gewesen, dass die Hausärzte nach Ostern impfen dürfen, dementsprechend bereitete sich das Personal vor, erstellte Listen seiner impfberechtigten Patienten und arbeitete diese ab. Martin Seitz erklärt: "Die Patienten bekommen von uns ein Aufklärungsmerkblatt über den Impfstoff, einen Anamnesebogen sowie einen Einverständnisbogen, den sie ausfüllen müssen. Und sie dürfen ihren Impfpass nicht vergessen, der ist für die Dokumentation ganz wichtig."

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Konkret läuft es am Impftag in der Praxis so ab: Die Impfberechtigten werden auf die Praxisräume verteilt, dort findet das Aufklärungsgespräch mit einem der drei Hausärzte statt. Nachdem die Formulare unterschrieben sind, gibt es noch einmal Zeit, letzte Fragen zu klären. Danach folgt die Impfung. Wenn nach 15 Minuten keine Probleme aufgetreten sind, darf der Patient gehen.

Kurzum läuft die Impfung ähnlich ab, wie im Kreisimpfzentrum, aber Seitz sieht einen entscheidenden Vorteil: "Wir können schwerwiegende Fälle vorziehen und viel individueller und schneller reagieren, weil wir über den Gesundheitszustand unserer Patienten Bescheid wissen." Hinzu komme, dass Seitz in Hausbesuchen impft. Am Mittwochnachmittag waren es bereits zwölf an der Zahl.

"Meine Patienten sind überaus dankbar, dass sie nicht nach Rot am See oder Karlsruhe fahren müssen", berichtet Seitz. Der Mediziner ist sogar der Meinung, dass Hausarztpraxen noch stärker in den Impfprozess einbezogen werden sollten: "Weil wir näher am Patienten sind. Die Hausärzte sollten mindestens so gut beliefert werden wie die Impfzentren", fordert er.

Dr. Christoph Kaltenmaier, der eine Hausarztpraxis in Aglasterhausen leitet, und auch Pandemiebeauftragter der Kassenärztlichen Vereinigung in Baden-Württemberg sowie ärztlicher Leiter des Kreisimpfzentrums ist, fordert derweil einen Strategiewechsel beim Impfen: "Wir müssen schneller impfen." Zum Beispiel indem der Impfstoff komplett verimpft und nicht zur Hälfte reserviert werde. "Warum schaut man nicht, wie es andere Länder machen?", fragt Kaltenmaier und nennt das Beispiel Großbritannien. "Und wir müssen den Impfstoff breit in die Hausarzt- und Facharztpraxen bringen", sagt Kaltenmaier. "Wenn ich breit impfen will, muss ich alle Ressourcen nutzen." Dass Facharztpraxen von der Impfung ausgenommen sind, sei "eine Strategieentscheidung, die ich nicht nachvollziehen kann".

In der Hardheimer Praxis wartet man unterdessen auf die nächste maximal mögliche Bestellung von 150 Impfdosen, die am Mittwoch oder Donnerstag eintreffen soll. 50 Dosen dürfe jeder Hausarzt bestellen, erklärt Seitz. Neben ihm und seiner Ehefrau betreut eine weitere Hausärztin die Patienten in der Hardheimer Praxis. Sobald der Impfstoff eintreffe, gehe es los mit der Terminplanung und einer seitenweisen Abarbeitung der Listen. "Es wird im Stundentakt geimpft", versichert Seitz. Dabei muss unbedingt die Kühlkette beachtet werden, denn nachdem der Impfstoff aufgetaut ist, ist er nur noch 120 Stunden haltbar. "In dieser Angabe ist die Lieferzeit der Apotheke aber einberechnet!", warnt Seitz. Die Lieferapotheke gebe deshalb ein Zeitfenster mit, bis wann der Impfstoff aufgebraucht werden müsse.

Trotz aller schwierigen Umstände sagt Seitz: "Die Patienten sind froh und dankbar, dass sie sich impfen dürfen, das hat wiederum mich sehr gefreut. Und dass die Vor-Ort-Impfung möglich gemacht wurde, ist einfach ein befriedigendes Gefühl."

Seit dieser Woche erhalten die Bundesländer für ihre Impfzentren eine festgelegte Menge an Impfstoff. Darüber hinaus gehender Impfstoff ist für die Impfungen in den Arztpraxen vorgesehen, den diese über den pharmazeutischen Großhandel und die Apotheken beziehen. Die Hausärzte bestellen ihren Bedarf selbst. Ob eine Hausarztpraxis Corona-Impfstoff bestellt, bleibt jeweils der Praxis selbst überlassen. "Nach den Erfahrungen im Pilotprojekt und den Rückmeldungen aus anderen niedergelassenen Praxen ist davon auszugehen, dass die Bereitschaft der niedergelassenen Praxen sehr hoch ist, sich an den Corona-Impfungen zu beteiligen", heißt es in einer Mitteilung des baden-württembergischen Sozialministeriums. Kaltenmaier hat auch handfeste Zahlen für das Interesse: Im Neckar-Odenwald-Kreis wird in insgesamt 46 Praxen geimpft. Eine Zahl, die den Pandemiebeauftragten vorerst zufrieden stellt.

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