Hintere Mult Weinheim

Hält sich Stadtverwaltung an Flächennutzungsplan?

Stadt Weinheim reagiert auf Vorwürfe - Anwohner sind skeptisch

23.01.2018 UPDATE: 24.01.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 24 Sekunden

Die "Schutzgemeinschaft Hintere Mult" hatte am Sonntag zu Protesten aufgerufen. F.: Kreutzer

Von Philipp Weber

Weinheim. Demo in Weinheims Westen: Nach Angaben einer "Schutzgemeinschaft" haben sich am Sonntag mehr als 100 Menschen versammelt, um gegen eine gewerbliche Entwicklung des Gebiets "Hintere Mult" zu protestieren. Passend dazu verschickten Anwohner eine Stellungnahme, in der sie der Stadt schwere Vorwürfe machen. Die RNZ hat die Verwaltung konfrontiert.

Aus Sicht der Anwohner ist es "mehr als fragwürdig", ob sich die Stadt an den Flächennutzungsplan (FNP) von 2004 und das Gewerbeflächen-Entwicklungskonzept von 2011 hält: "Dort wird aufgeführt, dass die ’Hintere Mult’ für Handwerk und Kleingewerbe entwickelt werden soll, mit Grundstücksgrößen von durchschnittlich 2500 bis 3000 Quadratmetern." Als wichtigsten Grund für die Entwicklung eines Gewerbegebiets nenne die Stadt aber nun, dass sich ein Filterhersteller aus dem benachbarten Gewerbeareal dringend erweitern will.

"Dafür bräuchte die Firma 30.000 Quadratmeter Fläche", so die Anwohner. Dies stimme "in keiner Weise" mit dem Flächennutzungsplan überein. Der 2017 im Gemeinderat angestoßene Bebauungsplan für die "Hintere Mult" widerspreche damit den Zielen der übergeordneten Flächenplanung. Weinheims Stadträte sollten genau hinschauen, ehe sie das Bebauungsplan-Verfahren weiter vorantreiben, so die Anwohner.

Stadtplaner Kastor Höhn widerspricht. Zwar werde die "Hintere Mult" im Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan 2004 tabellarisch unter der Überschrift "Gewerbe und Handwerk bis circa 3000 Quadratmeter" geführt; konkret werde dann aber ausgeführt, dass es um die "Weiterentwicklung des bestehenden Gewerbegebiets" gehe. "Beide Aussagen haben keinen verbindlichen Charakter, sondern geben die seinerzeitigen Erwägungen bei der Aufstellung des Flächennutzungsplans wieder", so Stadtplaner Höhn.

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Im Bebauungsplan könnten auch noch gar keine konkreten Grundstückszuschnitte festgesetzt werden. Vielmehr werde dabei ein Rahmen oder ein Angebot abgebildet. Und was ist mit dem Filterhersteller? "Die beabsichtigte Erweiterung des Betriebs geht zwar deutlich über das Maß von 3000 Quadratmetern hinaus", räumt der Stadtplaner ein; "die Erweiterung stellt aber eine Weiterentwicklung des bestehenden Gewerbegebiets beziehungsweise der bestehenden Betriebsstruktur dar."

Gleichzeitig könnten kleinflächige Angebote entstehen, zum Beispiel für Handwerksbetriebe. Erste Interessensbekundungen lägen bereits vor. Letztlich könne die Stadt also doch beiden Zielstellungen aus dem FNP Rechnung tragen, so Höhn.

Die Anwohner befürchten aber auch, dass sich ihre Lebensqualität verschlechtert. Die Versiegelung von Fläche treibe die Temperaturen im Sommer in die Höhe. Hinzu komme der Produktionslärm des Filterherstellers: "Wir haben unsere Einfamilienhäuser in den Jahren 2000 und 2001 gekauft. Da gab es noch keinen Flächennutzungsplan." Dieser sei ja erst 2004 aufgestellt worden - womit ein wesentliches Kaufargument, nämlich die Lage am Stadtrand, beseitigt worden sei.

Auch hier ist Kastor Höhn anderer Auffassung. Flächennutzungspläne gab es auch vorher schon, führt er aus:. "Im FNP von 1986 war das heutige Gewerbegebiet an der Olbrichtstraße bereits vorgesehen. Der Bereich, in dem sich heute die Wohnbebauung östlich der Waidalle/südlich des Multrings befindet, war als Grünfläche mit der Zweckbestimmung ’Sportanlagen’ dargestellt." Der Bereich "Hintere Mult" war der Landwirtschaft vorbehalten.

Höhn: "Erst 1999 wurde das heutige Wohngebiet direkt gegenüber dem Gewerbegebiet an der Olbrichtstraße ermöglicht." Dass sich in der direkten Nachbarschaft des Wohngebiets Gewerbe ansiedelt, sei also erkennbar gewesen.

Mit dem FNP 2004 wurde auch die "Hintere Mult" als potenzielle gewerbliche Baufläche aufgenommen: "Unter anderem aufgrund der Nähe zu dem bereits bestehenden, direkt angrenzenden Gewerbegebiet wurde der Bereich als geeignet angesehen." Dieses Gebiet sei aber weiter von der Wohnbebauung entfernt als der Bestand an der Olbrichtstraße, so Höhn.

Feinde hat ein Gewerbegebiet in der "Hinteren Mult" indessen auch unter den Landwirten. Könnten sie eine Erschließung doch noch verhindern - indem niemand seine Flächen verkauft? Auch hiergegen wehrt sich die Stadt: "Grundsätzlich kann der Bebauungsplan gegen den Willen der Landwirte in Kraft gesetzt werden", so Stadtplaner Höhn. Dann werde eine sogenannte Umlegung durchgeführt, also eine Neuordnung der Grundstücke. Für die Stadt sei es nicht zwingend erforderlich, sämtliche Flächen im "freihändigen Erwerb" zu erhalten. Gleichwohl sei der Stadt "sehr" an einer einvernehmlichen Lösung gelegen.

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