Halloween-Randale in Walldorf

Sie wollten der Polizei "die Hölle heiß machen"

Weiterer Prozess um Randale an Halloween in Walldorf - Jugendliche hatten Brandsätze auf öffentliche Gebäude und Streifenwagen geworfen

13.09.2018 UPDATE: 14.09.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 10 Sekunden
Symbolfoto: Adrian Manzol/ZUMA Wire/dpa

Von Willi Berg

Heidelberg/Walldorf. Sie sollen aus Rache an der Polizei Brandsätze auf öffentliche Gebäude geworfen haben. Ein Anwohner, der die Gewalttäter stoppen wollte, wurde zusammengeschlagen und erheblich verletzt. Es sind Szenen wie man sie nur von Krawallen aus Großstädten wie Hamburg oder Berlin kennt. Doch geschehen ist dies ausgerechnet in der sogenannten "Sozialen Mitte" der beschaulichen Kleinstadt Walldorf.

Die juristische Aufarbeitung der Gewaltexzesse an Halloween geht seit Donnerstag in die nächste Runde. In einem zweiten Prozess stehen nun fünf weitere von insgesamt 17 Angeklagten vor der Heidelberger Jugendkammer. So ein Verfahren habe es in Baden-Württemberg bisher noch nicht gegeben, sagt die Vorsitzende Richterin Gisela Kuhn. Aufgrund von Beschwerden verstärkt die Polizei damals ihre Kontrollen im Zentrum Walldorfs. Ihr Mandant sei 15 Mal kontrolliert worden, an einem Tag sogar dreimal, sagt Verteidigerin Iris Lemmer. "Er war mehr als genervt." Dessen Clique sei Tage zuvor auf die Idee gekommen, der Polizei "die Hölle heiß zu machen". Das wird in jener Nacht traurige Realität, als sich rund 20 junge Kerle zusammenrotten.

Einige kaufen vom gesammelten Geld Benzin für Molotowcocktails. In der Nacht fliegen Brandsätze gegen die Schillerschule, das Astorhaus und auf einen Energiespeicher. Danach wird der Polizeiposten "angegriffen", wie es Oberstaatsanwalt Florian Pistor formuliert. Darin brennt noch Licht. "Sie mussten damit rechnen, dass jemand drin ist", sagt die Vorsitzende Kuhn.

Jedoch kommt niemand zu Schaden. Erheblich verletzt wird aber ein Anwohner, der dem Treiben ein Ende setzen will. Er wird brutal attackiert, als er von seinem Mobiltelefon die Polizei anruft. Drei der Angeklagten sollen daran beteiligt gewesen sein, was sie jedoch bestreiten. Einer von ihnen soll auf den Mann eingetreten haben, als der bereits am Boden liegt. Mit multiplen Verletzungen wird das Opfer in ein Krankenhaus gebracht.

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Als eine Polizeistreife vorbeifährt, fliegt ein Brandsatz in Richtung ihres Wagens. Ein 17-jähriger Angeklagter gibt dies zu, außerdem zwei Würfe gegen den Polizeiposten. Auch ein 18-Jähriger gesteht, einen Brandsatz auf das Gebäude geworfen zu haben. Zwei Heranwachsende räumen ein, einen Molotowcocktail auf die Schule geschleudert zu haben. Ein 21-Jähriger sagt, er habe zwar einen Brandsatz gebaut - ohne ihn einzusetzen. Die Idee mit den Molotowcocktails sei damals spontan entstanden, sagt ein 19-Jähriger. "Wir wollten einen Streich spielen, aber es wurde übertrieben." Er sei damals betrunken gewesen und habe sich "wie ein Affe benommen". "Es tut uns allen leid", versichert ein 18-jähriger Mitangeklagter.

Die Angeklagten hätten aus Rache für die verstärkten Kontrollen der Polizei beschlossen, Gebäude in Brand zu setzen, sagte der Oberstaatsanwalt. Das ist glücklicherweise nicht gelungen. Die Anklage lautet auf versuchte Brandstiftung, besonders schweren Landfriedensbruch und Körperverletzung. Seit vergangener Woche müssen sich bereits drei andere mutmaßliche Mittäter vor der Jugendkammer verantworten. Für den Prozess sind fünf Tage anberaumt. Das Urteil soll am 9. Oktober verkündet werden. Alle Angeklagten haben einen Migrationshintergrund. Drei haben die deutsche, zwei die türkische Staatsbürgerschaft. Vier von ihnen sind auf freiem Fuß. Ein 21-Jähriger sitzt derzeit eine Jugendstrafe ab. Ein 19-Jähriger hat gerade eine kaufmännische Lehre begonnen. Seinen Alltag beschreibt er so: "Arbeit, Fußball, Familie." Früher habe er regelmäßig getrunken, gekifft und in den Tag hineingelebt. Das sei jetzt vorbei. Die Gruppe, mit der er früher unterwegs war, habe sich "aufgelöst". Er findet das positiv.

Ein 18-Jähriger hat gerade eine handwerkliche Lehre begonnen. "Da kann ich meine Kraft rauslassen." Früher sei er nur "herumgeflippt", habe gekifft und getrunken. Er hat als einziger eine Freundin.

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