Wie kommt Neckargemünd zu mehr Wohnraum?
Neue Bebauungspläne oder "Regelchaos": Die Räte diskutierten.

Das Rathaus in Neckargemünd. Archiv-Foto: Reinhard Lask
Neckargemünd. (cm) Auch im Dorf sollte künftig mehr Wohnraum geschaffen werden. Nur wie? Diese Frage hat in der jüngsten öffentlichen Sitzung des Bauausschusses für eine Grundsatzdiskussion gesorgt. Anlass war ein Bauantrag zur Erstellung eines neuen Dachstuhls mit Ausbau des Dachgeschosses im Postweg im Stadtteil Dilsberg, der am Ende bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung befürwortet wurde. Doch es war ein langer Weg.
Die städtische Fachbereichsleiterin Susanne Lutz erklärte, dass in dem Dachgeschoss eine neue Wohnung entstehen solle. Dafür seien jedoch vom Bebauungsplan "Eisenfresser" einige Befreiungen erforderlich: etwa für die Überschreitung der Geschossflächenzahl um 19,6 Prozent. Bereits im Mai hatte der Ausschuss das Vorhaben abgelehnt, damals war aber noch eine Überschreitung von 24,4 Prozent geplant. Nun wurden die Gauben verkleinert. Dilsbergs Ortsvorsteher Karlheinz Streib (Freie Wähler) sagte, dass der Ortschaftsrat schon im Mai und nun erneut zugestimmt habe.
"Es hieß immer, dass eine Überschreitung von zehn Prozent okay ist", meinte Winfried Schimpf (SPD). "Ich hoffe nicht auf ein Signal, dass 19 Prozent in Ordnung sind." Jens Hertel (SPD) befürchtete genau dies. Das Gebäude sei sehr groß – und somit auch der prozentuale Zuschlag groß. Wer schon viel habe, bekomme noch mehr. Er signalisierte Ablehnung: "Wir hebeln sonst den Bebauungsplan aus."
Thomas Schmitz (Grüne) sah es anders. "Wenn es ein Signal an die Umgebung ist, die Dachgeschosse auszubauen und Wohnraum zu schaffen, kann ich das eigentlich nur begrüßen", meinte er. "Die Zeiten haben sich geändert", sagte Streib. "Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum." Dem Ortschaftsrat sei bewusst gewesen, dass ein Präzedenzfall geschaffen werde: "Wir sollten lieber mehr Stockwerke zulassen als Grünfläche neu zu bebauen."
Entweder es werden die Bebauungspläne geändert oder man schaffe Präzedenzfälle, sah Felix Konrad (Grüne) nur zwei Möglichkeiten. "Das Ändern der Pläne ist aber sehr mühselig", meinte er. Hertel plädierte aber genau dafür, denn er befürchtete einen "Wildwuchs". "Wir brauchen Wohnraum und Vergrößerung, aber wir können uns nicht vor dieser Aufgabe drücken, sondern müssen Verantwortung wahrnehmen", meinte er. Wenn man ein "Regelchaos" mit immer neuen Befreiungen schaffe, könne man den Bauausschuss auch abschaffen. Eine Änderung von Bebauungsplänen gebe Bauherren Planungssicherheit und der Stadt die Möglichkeit, auf Bauart und Energetik einzuwirken.
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"Dann müssen wir uns nur einigen, mit welchem der 64 Bebauungspläne wir anfangen", sagte Bürgermeister Frank Volk. Auch Marco La Licata (Linke) sprach sich für die Änderung der Bebauungspläne aus. "Wenn sich die Lebensgewohnheiten ändern, können wir alle zehn Jahre die Bebauungspläne ändern", meinte Giuseppe Fritsch (Freie Wähler). "Dann machen wir nichts mehr anderes."
Anna-Magdalena Oehne-Marquard (SPD) meinte, dass die Bevölkerung immer älter werde und schon jetzt 80 Prozent der Menschen 60 Prozent ihres Einkommens oder mehr für Wohnen und Versicherungen bezahlen. "Die Leute werden irgendwann keine Mieten mehr zahlen können", meinte sie. "Manche suchen schon seit sieben Jahren eine Wohnung." Deshalb müsse mehr Wohnraum geschaffen werden. Bürgermeister Volk sah den Weg nicht in mehr Versiegelung, sondern im Bauen in die Höhe.



