Flüchtlingsunterkunft Edingen-Neckarhausen wird geschlossen

Kaum angekommen droht der Abschied

Zwischenzeitlich lebten bis zu 60 Menschen im ehemaligen Dentallabor - Bündnis für Flüchtlingshilfe sucht für zwei syrische Familien Wohnungen

14.09.2017 UPDATE: 15.09.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 59 Sekunden

Wo einst 60 Menschen lebten, sind heute nur noch 13 zuhause. Bald wird die Flüchtlingsunterkunft in der Gerberstraße geschlossen, und die Menschen müssen ausziehen. Eine Weiterführung lohne sich wirtschaftlich nicht mehr, sagte ein Kreissprecher. Foto: Pilz

Von Lotta Wellnitz

Edingen-Neckarhausen. Zwischen einem Chemieunternehmen und zwei Discountern entstand in der Gerberstraße im September 2015 eine Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge. Zwischenzeitlich lebten bis zu 60 Menschen in dem ehemaligen Dentallabor. Die meisten von ihnen kamen aus Syrien, waren auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung. Nach Stand von Ende August wohnen zurzeit nur noch 13 Menschen dort.

Die müssen jetzt ausziehen. Denn die Unterkunft soll voraussichtlich bis Mitte Oktober geschlossen werden, wie die Pressestelle des Landratsamtes Rhein-Neckar bestätigte. Das habe wirtschaftliche Gründe: So würde sich eine weitere Nutzung der Unterkunft wegen Wasser, Strom und den anfallenden Hausmeisterkosten für die wenigen Menschen einfach nicht mehr lohnen. Dennoch läuft das Mietverhältnis weiter: Man wolle die Unterkunft bereithalten, sollten die Flüchtlingszahlen unvermittelt wieder ansteigen.

Flüchtlingshelferin berichtet von Anfeindungen am Telefon

Bei den übrig gebliebenen Bewohnern ist nicht klar, ob alle in eine Unterkunft der kommunalen Anschlussunterbringung können. Nun sucht das Bündnis für Flüchtlingshilfe für zwei syrische Familien in Edingen-Neckarhausen eine Wohnung. Sollte sich kein privater Vermieter finden, werden die Familien auf andere Kreis-Unterkünfte verteilt.

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"Für die Menschen bedeutet das, dass sie noch einmal komplett von vorne anfangen müssen, und das nach allem, was sie durchgemacht haben", sagt Sozialarbeiterin Anne-Christin Rüsseler. Sie engagiert sich im Bündnis für Flüchtlingshilfe in Edingen-Neckarhausen und betreut eine der wohnungssuchenden Familien schon länger. Für vier Mitglieder der fünfköpfigen Familie A. sucht sie nun eine Wohnung. Die Syrer flohen vor drei Jahren unter Bombenhagel aus Damaskus nach Ägypten und sind seit einem Jahr in der Gerberstraße untergebracht. Vor drei Monaten wurde ihr Asylantrag genehmigt, der es ihnen erlaubt, in Deutschland zu bleiben.

Die Familie hat in Edingen-Neckarhausen eine neue Heimat gefunden, sagt Rüsseler. Der älteste Sohn spreche gut Deutsch und wohne seit Kurzem mit einem Freund in einer Wohngemeinschaft. Außerdem macht der 20-Jährige eine Ausbildung zum Frisör, hat sogar schon eigene Stammkunden, die nur wegen ihm kommen. Da seine Eltern kaum Deutsch sprechen und noch keine Arbeit haben, ist die Familie von ihm abhängig.

Rüsseler weiß, wie wichtig es für solche Flüchtlingsfamilien ist, in ihrem gewohnten Umfeld zu bleiben. Vor allem die beiden Kinder der Familie würden unter einem Ortswechsel leiden. Sie sind sechs und acht Jahre alt, gehen in Kindergarten und Schule im Ort und haben dort ihre Freunde. Durch die lernen sie die deutsche Sprache, haben sich so an ihre "neue Heimat" gewöhnt, erklärt Rüsseler.

Die Familie sei in das Sozialleben integriert, und genau das müsse man auf jeden Fall erhalten, so die Sozialarbeiterin weiter. Denn Integration von Flüchtlingen laufe viel über die Jüngeren, die "50 Plus Generation" täte sich da auch wegen der Sprache schwerer.

Rüsseler betonte außerdem, wie wichtig es für Flüchtlingsfamilien sei, den bestehenden Kontakt zu den ehrenamtlichen Helfern und Sozialarbeitern nicht abreißen zu lassen. Die seien für die Familien Bezugsperson und Ansprechpartner zugleich.

Allerdings ist die Wohnungssuche in Edingen-Neckarhausen schwierig. Noch hat sich für beide Familien kein privater Vermieter gefunden. Für die letzten Flüchtlinge, um die sich Rüsseler kümmerte, habe sie nur "mit Ach und Krach" eine Wohnung gefunden. Sie führte unzählige Telefongespräche mit Maklern und Bürgern, doch ohne Erfolg. Einige Male sei sie persönlich angegriffen worden, sagt sie. Und das, obwohl in Edingen-Neckarhausen, wie sie betont, viel für Flüchtlinge getan wird. Das sei auch nötig, denn ohne die Hilfe der vielen ehrenamtlichen Helfer hätte die Politik die unzähligen Aufgaben, die mit der großen Zahl an Geflüchteten kamen, nicht stemmen können, sagt Rüsseler.

So unterstützen viele hilfsbereite Bürger die Flüchtlinge bei Behördengängen, Mietverträgen oder Arztbesuchen. Dazu spenden unzählige Menschen Kleidung, Fahrräder oder Möbel. Das Bündnis für Flüchtlingshilfe hat eigens für solche Angelegenheiten verschiedene Projektgruppen gegründet, bietet auch Sprachkurse und sportliche Aktivitäten an.

Anfeindungen bei der Wohnungssuche für Flüchtlinge hat die Integrationsbeauftragte der Gemeinde Edingen-Neckarhausen, Sina Montassere, noch nicht erlebt. Aber: "Wir haben hier in Edingen-Neckarhausen aufgrund der Lage zwischen Mannheim und Heidelberg einen angespannten Wohnungsmarkt." Die Region sei sehr beliebt. Montassere kann sich aber auch vorstellen, dass manche Vermieter skeptisch seien, weil das Geld für die Wohnung vom Jobcenter komme. Das zahlt nämlich bis zu einer gewissen Obergrenze die Miete für Flüchtlingsfamilien, soweit diese kein eigenes Einkommen haben. An wen letztendlich aber eine Wohnung vergeben wird, sei eine "Ermessensentscheidung" der Vermieter, so Montassere.

Rüsseler hofft, dass sich schnell jemand findet, der seine Wohnung an eine der syrischen Familien vermieten würde.

Info: Wer eine Wohnung anzubieten hat, meldet sich bei Anne-Christine Rüsseler vom Bündnis für Flüchtlingshilfe unter Telefon 06203/930-2244 oder per an AnneCS@web.de.

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