Einsatzschwerpunkt Autobahn
Die Verkehrsprobleme werden zur Herausforderung – Bei jedem Einsatz geht's in Ungewisse

Ein Großeinsatz des Jahres 2017 war der Brand in der Schillerstraße. Jürgen Bodri, Peter Hecker und Marco Friz zogen die Bilanz des Einsatzjahres. Fotos: Marco Friedrich/Kloé
Wiesloch. (oé) Bei etwa der Hälfte der Einsätze der Wieslocher Feuerwehr handelt es sich um technische Hilfeleistungen, etwa bei Hochwasser oder Sturmschäden. Oder auch bei Unfällen - innerorts ebenso wie auf den Straßen über Land und auf der Autobahn. Und die Autobahn bildet "immer einen Einsatzschwerpunkt", wie Stadtbrandmeister Peter Hecker und Wieslochs Abteilungs-Kommandant Jürgen Bodri beim Rückblick auf das abgelaufene Jahr betonten.
17 Mal wurde Wieslochs Wehr im abgelaufenen Jahr dorthin gerufen. Das liegt aber "noch im Schnitt der letzten Jahre". Die Einrichtung der Baustelle auf der A 6 hat sich hier in der Statistik noch nicht negativ ausgewirkt. Das liegt dem Stadtbrandmeister zufolge auch daran, dass sich Gefahrenzone und Unfallschwerpunkt stärker an die Stauenden verschoben haben. Im Osten ist davon besonders die Sinsheimer Feuerwehr betroffen, im Westen sind es die Wehren von Walldorf und Hockenheim.
Was die Feuerwehren angesichts von Baustellen und Dauerstaus mit Besorgnis beobachten, ist die immer schwerere Erreichbarkeit der Unfallstellen. Fehlende Rettungsgassen sind hier ebenso ein Problem wie die Behinderung der Rettungskräfte durch Gaffer. Da der Verkehr auf der A 6 derzeit komplett auf einer Richtungsfahrbahn läuft, wird bei Unfällen inzwischen vorsorglich doppelt alarmiert: also die Sinsheimer Feuerwehr ebenso wie die Wieslocher. Dies in der Hoffnung, "dass eine durchkommt" wie es Peter Hecker formuliert. Die Feuerwehren haben seinen Worten zufolge deshalb auch eine Initiative gestartet, an den Mittelleitplanken Durchgänge für die Einsatzkräfte zu schaffen.
Auch außerhalb der Autobahn wird der zunehmende Verkehr für die Feuerwehr zum Problem. "Ich sehe das als Verkehrsinfarkt", verweist Hecker auf die Überlastung der Straßen - auch, aber nicht nur infolge der aktuellen Sperrungen und Baustellen. Die Folge: Die Feuerwehrleute stehen wie die anderen Verkehrsteilnehmer im Stau und brauchen länger bis zur Rettungswache und um von dort zum Einsatzort zu kommen.
Umso wichtiger ist für Hecker, dass die Abteilungen in Schatthausen und Baiertal erhalten bleiben. Gerade bei Einsätzen in den Stadtteilen können sie rasch am Ort des Geschehens sein - das heißt, binnen zehn Minuten nach dem Alarm, so wie es der Landesfeuerwehrverband empfiehlt. Bislang können Wieslochs Feuerwehren diesen Richtwert einhalten, auch dank ihres guten Personalstandes. Jürgen Bodri: "Wir haben eine schlagkräftige Truppe mit hoher Moral. Auch tagsüber ist immer genug Personal verfügbar."
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Damit dies auch künftig so bleibe, müssten die Rahmenbedingungen stimmen und die "Wohlfühlatmosphäre" in den Abteilungen müsse erhalten bleiben. Das betrifft nicht zuletzt auch die technische und räumliche Ausstattung der Feuerwehren. In den Jahren 2007 bis 2013 habe man einige Großfahrzeuge ersetzen können, doch dies sei inzwischen "ein bisschen ins Stocken geraten", so Bodri. "Wir schieben eine Bugwelle vor uns her."
Dringend ersetzt werden müsste aus Sicht der Feuerwehr beispielsweise die inzwischen 23 Jahre alte Drehleiter, die als "reines Rettungsgerät" für die Gesamtfeuerwehr wie auch für die Nachbarwehren "essenziell" ist, wie es hieß. "Wir stellen jetzt den Zuschussantrag", so der Stadtbrandmeister. Die Anschaffung sei notwendig, unterstrich Hecker, selbst wenn sich die Bewilligung der Zuschüsse verzögern sollte.
Handlungsbedarf sieht der Stadtbrandmeister auch bei den Feuerwehrhäusern, die alle "an ihre Grenzen gekommen" seien. Fehlende Spinde, unfallträchtige Enge und fehlende Umkleideräume (die Feuerwehrleute müssen sich in der zugigen Fahrzeughalle umziehen) lauten hier die Stichworte.
Bei all dem werden die Herausforderungen nicht geringer: Hecker nennt die zunehmende Innenstadtverdichtung mit großen Gebäuden, was den Löscheinsatz erschwert, oder die Risiken der Elektromobilität (schwer löschbare Batteriebrände). Die Feuerwehr reagiert darauf mit einer "kontinuierlichen Weiterbildung" (Marco Friz) und einer zunehmenden Spezialisierung. Einen "qualitativen Unterschied" zwischen freiwilligen und hauptberuflichen Feuerwehrleuten gibt es für Peter Hecker längst nicht mehr.
Die Feuerwehr ist eine schlagkräftige Truppe: Die vier Abteilungen (Wiesloch, Baiertal, Schatthausen und Frauenweiler) zählen insgesamt 178 Aktive. In den Jugendwehren werden zudem 116 Jugendliche ausgebildet, um später einmal die Einsatzabteilungen verstärken zu können.
All dies ist auch notwendig, wie Hecker und Bodri betonten. "Wir brauchen einen recht großen Personalbestand, um die Einsatzbelastung zu verteilen", sagt Bodri.
Denn Wieslochs Feuerwehr ist fast ständig im Einsatz, das gilt besonders für die Abteilung der Kernstadt: Statistisch gesehen muss sie alle 41 Stunden ausrücken, also fast jeden zweiten Tag, erläutert Marco Friz, der bei der Feuerwehr für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Insgesamt summierten sich die Einsätze aller Abteilungen im vergangenen Jahr auf 278, davon entfielen allein 212 auf die Abteilung der Kernstadt.
Fünf Großbrände waren darunter, einer davon in Wiesloch, vier in Nachbargemeinden (Malsch, Tairnbach, Nußloch und Gaiberg), die Wieslochs Feuerwehr zur Unterstützung anforderten. Insgesamt machen die Brände rund ein Viertel der jährlichen Einsätze aus. Ebenso groß ist die Zahl der Fehlalarme: Die allermeisten davon werden von Brandmeldeanlagen oder im guten Glauben ausgelöst, böswillige Alarme gibt es dagegen zum Glück nur selten (wenn auch ihre Zahl im letzten Jahr gestiegen ist).
Jedes Mal aber muss die Feuerwehr in voller Einsatzstärke ausrücken. "Wir fahren ja ins Ungewisse hinein", wirbt Stadtbrandmeister Hecker hier um Verständnis. Ob es sich um einen Fehlalarm oder einen Ernstfall handelt, stellt sich immer erst hinterher heraus.



