Edingen-Neckarhausen

Die Fährfamilie hat sich verabschiedet

Am Samstag war die letzte Schicht von Heinz Eiter und damit auch der Anteilseigner-Familie Orth - RNZ blickt zurück

12.01.2020 UPDATE: 13.01.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 23 Sekunden
Mit einem Gläschen alkoholfreiem Sekt stieß Heinz Eiter (M., mit blauer Jacke) mit Verwandten, Freunden und Bekannten auf seine letzte Schicht auf der Fähre zwischen Neckarhausen und Ladenburg an. Foto: Kraus-Vierling

Von Stephan Kraus-Vierling

Edingen-Neckarhausen. Über 15 Jahre leistete Heinz Eiter als Hilfsfährmann nebenberuflichen Dienst auf der Neckarhäuser Fähre. Jetzt lud er zu seiner letzten Schicht Verwandte, Freunde und Bekannte an Bord zu einem kleinen Umtrunk ein. Als am späten Nachmittag mit Einbruch der Dämmerung für den 77-Jährigen die "Goldene Überfahrt" anstand, wurde mit einem Gläschen alkoholfreiem Sekt auf das Dienstende angestoßen, das zugleich die letzte Fahrt der Anteilseigner-Familie Orth bedeutete.

Die Fähr-Erbbeständer hatten vergangenes Jahr mitgeteilt, zum April 2020 den Betrieb aufzugeben. Daraufhin war die Kommune im Einvernehmen mit Bürgermeister und Gemeinderat in die Bresche gesprungen. So kann diese seit dem ausgehenden Mittelalter überlieferte und für die Ortsgeschichte und die lokale Identifikation so bedeutende Fährverbindung nach Ladenburg aufrecht erhalten werden, fortan als kommunale Einrichtung und mit hauptamtlichem Fährpersonal.

Für die Familie Orth, die seit langer Zeit drei der 48 Wochenanteile besaß, sowie für Heinz Eiter als "ihren" Hilfsfährmann war jetzt im Januar schon Schluss, weil die nächsten Schicht-Wochen erst nach dem April gelegen hätten. Wie lange die Orths schon dabei seien, fragte die RNZ beim Abschieds-Treff am Samstag in die kleine Familienrunde, darunter auch die Cousins Günter Würzburger und Norbert Angert. "Ha, schon ewig!" kam prompt, doch recht pauschal als Antwort.

Genaueres verrät ein Blick in das Buch "Fähre Neckarhausen – Geschichte und Geschichten" von Günter Fillbrunn und Klaus Backes, herausgegeben von der Gemeinde 1995 anlässlich des 100. Jubiläums des vormaligen Fährschiffes. Für diese sehr lesenswerte und reich bebilderte Chronik hat der unvergessene Ortsgeschichts-Forscher Fillbrunn in minutiöser Arbeit auch eine übersichtliche Chronologie der Fährteilhaber erstellt. Sie beginnt mit der ersten namentlichen Nennung eines Fährmanns dieser 1476 erstmals sicher erwähnten Querung, dem Edinger Melchior Volz, der 1636 zusammen mit seiner Frau Ottilia seinen Achtel-Anteil an den Neckarhäuser Schultheißen und Poststation-Inhaber Philipp Kleinklos verkaufte. In Achtel geteilt ging der Fährbetrieb 1745 auch in den Erbbestand über, den Eignerfamilien garantiert durch eine von der kurpfälzischen Hofkammer ausgestellten Urkunde. Heute befindet sich dieser "Erbbestandsbrief" – am 23. September wird er 275 Jahre alt – im Generallandesarchiv in Karlsruhe.

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Verfolgt man in Fillbrunns Chronik die einzelnen Achtel-Anteile auf ihrem Zeitstrahl – einige davon mitunter zu Sechzehnteln geteilt oder aber zu größeren "Kuchenstücken" zusammengeführt – so findet sich der Name Orth erstmals 1864: Damals erwarb Peter Orth die Hälfte von Peter Kellers Fähr-Drittel; die andere Hälfte kaufte Andreas Krauß Senior, Vorfahre der ebenfalls bis zuletzt dazu gehörenden Anteilseigner-Familie Krauß. Während diese aber seither durchgehend namentlich dabei war, stellt sich die Ort’sche Zugehörigkeit diffuser dar. Peter Orths Sechstel erbte 1886 eine Margaretha Bovermann; 1909 kam es durch Verkauf an die (später hauptberufliche) Fährfamilie Zieher. Dafür waren die Orths bereits 1892 als Erbe in der Keller’schen Besitzlinie wieder mit im Boot: August, Anton, Margaretha und Karl-Peter Orth erhielten je ein Sechzehntel; auch als letzter Namensträger der Familie sind 1958 Karl-Peter Orth und Erben genannt.

Da die Orths jedoch niemanden mit Fährpatent in den eigenen Reihen hatten, übernahm in früheren Jahren zumeist Waldemar Zieher während der drei Betriebswochen der Familie den Kapitäns-Dienst, während Heinz Eiter als Hilfsfährmann vor allem für das Kassieren des Entgelts zuständig war. Nach "Mirle" Ziehers Tod sprang zunächst die Familie Zieher ein. In den vergangenen vier Jahren war dann Fährfrau Martina Kreuzer die treue und stets zuverlässige Kapitänin, was ihr nun beim Abschied Dagmar Nicht, großmütterlicherseits aus der Familie Orth stammend, mit einem großen Blumenstrauß dankte.

Martina Kreuzer bleibt der Gemeinde mit ihrer Erfahrung und ihrer großen Leidenschaft für diese Neckar-Überfahrt erhalten. Sie hatte sich gleich, als der Beschluss zur kommunalen Übernahme gefallen war, bei der Gemeinde beworben, bekam gerne die Zusage und ist damit erste Garantin für eine erfolgreiche Fortführung des traditionsreichen "riwwer un niwwer, down by the river".

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