Bürger fühlten Kandidaten auf den Zahn
Die Vorstellung der drei Bewerber ums Bürgermeisteramt in Walldorf verfolgten mehr als 1000 Zuhörer - Am Sonntag wird gewählt

Die drei Kandidaten fürs Bürgermeisteramt stellten sich eine Stunde lang den Fragen der Zuhörer: (v.li.) Christiane Staab, Matthias Renschler und Frank Winnes. Foto: Pfeifer
Walldorf. (rö) Von Politikverdrossenheit keine Spur: Die öffentliche Vorstellung der drei Kandidaten fürs Bürgermeisteramt in Walldorf lockte am Donnerstagabend mehr als 1000 interessierte Zuhörer in die Astoria-Halle - es waren nicht nur alle Stühle belegt, viele verfolgten die gut zweistündige Veranstaltung stehend. Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden des Gemeindewahlausschusses, den Ersten Beigeordneten Otto Steinmann, waren zunächst die drei Kandidaten, Bürgermeisterin Christiane Staab, Rechtsanwalt Matthias Renschler und Kraftfahrer Frank Winnes, mit 15-minütigen Statements an der Reihe.
Dann hatten die Bürger das Wort und durften Fragen an die Bewerber stellen, wovon sie eine gute Stunde lang auch fleißig Gebrauch machten. Dabei ging es um die verschiedensten Themen vom städtischen Leitbild über die Änderung der Schulbezirksgrenzen bis zum Mobilfunk. Mehrfach wurden die Kandidaten auch mit ihren Antworten auf die Fragen in den jüngsten RNZ-Interviews konfrontiert (Artikel zu Matthias Renschler und Artikel zu Christiane Staab). So beim Thema Nahverkehr und der Frage nach Straßenbahn oder Schwebebahn. Vor acht Jahren, als sie ihr Amt antrat, sei die Straßenbahn "gerade vom Tisch gewischt worden", so Christiane Staab. Inzwischen werde sie aber im Sprengel wieder zum Thema. Vorteil der Straßenbahn gegenüber dem Bus sei die eigene Trassenführung, "sie fährt auch, wenn Stau ist". Für Matthias Renschler, der in der RNZ die Schwebebahn angesprochen hatte, "schließen sich die beiden Konzepte nicht aus". Die Straßenbahn diene dem Verkehr zwischen den Kommunen, seine "Gondellösung" dagegen sei als Verbindung zum Walldorfer Industriegebiet gedacht.
Beim Thema Mobilität wurde auch danach gefragt, wie man Radfahrern das Leben erleichtern will. Christiane Staab wies darauf hin, dass die Straßen für Radwege eine Mindestbreite aufweisen müssten, die es in Walldorf meist nicht gebe. Und in Tempo-30-Zonen seien Radwege derzeit rechtlich nicht möglich. Man habe aber vor Kurzem für Nußlocher- und Bahnhofstraße Tempo 30 beantragt, um wenigstens die Geschwindigkeit des motorisierten Verkehrs zu reduzieren. Die beste Lösung: "Wir könnten alle Fahrrad fahren", so Staab. Matthias Renschler dagegen will ein "tragfähiges Radwegkonzept entwickeln", man könne die Straßen - etwa durch die Einrichtung von Einbahnstraßen - "effizienter nutzen" und müsse auch dafür sorgen, den Autoverkehr "weitgehend" aus der Stadt "rauszuhalten".
Was wollen die Kandidaten für Jugendliche anbieten, wollte ein Zuhörer wissen. "Die auffälligen Jugendlichen sind die Minderheit", sagte Renschler, man müsse mit den Jugendlichen sprechen, um ihre Wünsche zu erfahren. Mit einem Jugendrat "wäre man einen Schritt weiter". Auch Frank Winnes würde sich mit den Jugendlichen zusammensetzen, um sich über ihre Interessen zu informieren. Christiane Staab verwies auf das "sehr erfolgreiche" Jugendforum vor einigen Jahren. Das habe genau den Vorteil, dass die Jugendlichen ihre Themen selbst festlegen. Deshalb solle es auch wiederbelebt werden.
Angesprochen wurde auch Walldorfs "Spitzenreiterrolle" in der Kriminalitätsstatistik des Polizeireviers Wiesloch. Die Zusammenarbeit mit dem Revier sei wichtig, sagte Renschler, er plädiere für Bestreifungspläne "rund um die Uhr", wenn das mit der Polizei nicht möglich sei, müsse man den kommunalen Ordnungsdienst aufstocken. Christiane Staab bat darum, das Zahlenwerk "genau" zu betrachten. Walldorf sei durch seine vielen Arbeitsplätze "tagsüber größer als viele Großen Kreisstädte". Zudem verzeichne man bereits "gravierende Rückgänge bei den Wohnungseinbrüchen", der Ordnungsdienst sei aufgestockt, die Streifen seien auch nachts unterwegs.
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Ist Bürgermeister ein politisches Amt? "Natürlich", sagte Christiane Staab, man sei Vorsitzender des Gemeinderats, des Gremiums der politischen Willensbildung, das politischen Entscheidungen treffe, "aber keine parteipolitischen". Als "frei von parteipolitischen Fragen" bezeichnete sich Matthias Renschler. Für ihn steht beim Bürgermeister "die Macher-Eigenschaft im Vordergrund". Frank Winnes sagte: "Ich sehe das Amt als Berufung an."
Die Zusammenfassung der 15-minütigen Statements:

"Ich habe keine Chance, aber die nutze ich", sagte Frank Winnes, der gleich erklärte, warum es von ihm weder Flyer noch Plakate im Wahlkampf gibt: "Ich kann und möchte mir das nicht leisten." Zum Grund für seine Kandidatur als Bürgermeister sagte er: "Ich habe Pläne, bin ehrgeizig und lernfähig." Er wolle seiner Heimatstadt Walldorf etwas zurückgeben und hätte als Bürgermeister "ein offenes Ohr für alle". Themen, die er angehen würde, sind zum Beispiel die Installation weiterer E-Ladestationen im Stadtgebiet, unter anderem an der Astoria-Halle, auch Stadt und Bauhof sollten über E-Fahrzeuge nachdenken. Für mehr bezahlbaren Wohnraum könne man eine städtische Wohnungsbaugesellschaft gründen, die ihre Wohnungen dann günstig vermieten könne. Winnes’ Herzenswunsch: "Wir müssen einen Standort für ein neues Feuerwehrhaus finden." Dafür werde er sich einsetzen, als aktiver Feuerwehrmann wisse er bestens, unter welchen Umständen die Arbeit aktuell bewältigt werden müsse. Frank Winnes würde sich im Fall seiner Wahl auch für mehr Sicherheit einsetzen, eventuell dadurch, dass man den Gemeindevollzugsdienst noch weiter aufstockt.

"Ich bin konsequent für meine Überzeugungen eingestanden", blickte Christiane Staab auf acht Jahre im Amt zurück, sie habe sich "nie reinregieren lassen" und die Dinge vertreten, die der Gemeinderat beschlossen hat. Es sei ihr wichtig gewesen, viele Bürger kennenzulernen, "die Menschen liegen mir am Herzen". Viele Maßnahmen seien erledigt worden: die Drehscheibe als "neue Stadtmitte" mit dem Ärztehaus, am Bahnhof Parkhaus und Busbahnhof, das Bildungs- und Betreuungszentrum in der Sozialen Mitte, das Baugebiet Walldorf-Süd oder aktuell Sporthalle und Mensa am Schulzentrum. "Wir müssen im Seniorenbereich tätig werden", hält Staab barrierefreie Wohnungen für wichtig, ebenso ein neues Pflegezentrum mit Tagespflege, Kurzzeitpflegeplätzen und Plätzen für Menschen mit Demenz. Als Standort sieht sie das Reinhardt-Gelände am Schlossweg, während für das neue Feuerwehrhaus ein Standort entlang der Bürgermeister-Willinger-Straße "ideal" wäre. Weitere Themen der amtierenden Bürgermeisterin: Nachverdichtung im Innenbereich, die weitere Entwicklung des Wirtschaftsstandorts, Klimaschutz und die Reduzierung des Verkehrs.

Für Matthias Renschler wurde "in den letzten Jahren nur verwaltet", alle wichtigen Projekte seien noch vor der Amtszeit der jetzigen Bürgermeisterin beschlossen worden. Es gelte, "Ideen und Visionen zu entwickeln". In Walldorf fehle es an Unterstützung für die Vereine, es gebe Probleme mit der Verkehrssituation, einen Mangel an bezahlbarem Wohnraum, die Sicherheit sei unzureichend. "Es fehlt ein schlüssiges Verkehrskonzept, ein Leitbild, ein Stadtentwicklungsplan", monierte Renschler. Es brauche ein umsetzbares Konzept für die Stärkung des Einzelhandels und in Sachen Sicherheit einen "ordentlichen Bestreifungsplan für ganz Walldorf". Er selbst wolle mit den "Problemgruppen" Kontakt aufnehmen und Lösungen finden. "Klimaschutz ist zwingend als kommunale Aufgabe einzubinden", Vereine seien nicht nur finanziell zu unterstützen, da es Standort- und Lagerprobleme gebe oder an Sportflächen und Trainingsmöglichkeiten fehle. Er wolle für die Erweiterung des Astor-Stifts und die benötigte Demenz-Station sorgen. Und es gelte den Standort des Roten Kreuzes zu modernisieren und die "brennende" Feuerwehrhausfrage zu regeln.



