Befürworter und Kritiker der Weinheimer Festkultur kamen sich nur bedingt näher

Innenstadt: CDU veranstaltete Podiumsrunde - Die Standpunkte blieben grundverschieden 

16.10.2016 UPDATE: 17.10.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 13 Sekunden
Es diskutierten (v.l.): die Anwohner Hans-Jürgen Lossmann und Frieder Plebst sowie Roland Kern und Markus Böhm (Stadt Weinheim). Als Moderator fungierte Rolf Schmidlin (r.). Foto: Bernhard Kreutzer

Von Philipp Weber

Weinheim. Eingeladen hatte der CDU-Ortsverband Weinheim, und die Fragestellung lautete: "Wie viele Großereignisse verträgt die Innenstadt?". Im Beat Club in der Villa Titiana stellten sich Stadtsprecher Roland Kern und Ordnungsamtsleiter Markus Böhm am Freitagabend der Diskussion. Die Moderation übernahm Beat-Club-Vorsitzender und Christdemokrat Rolf Schmidlin.

Ehe die Anwohner ihre Beschwerden loswerden konnten, trug Verwaltungssprecher Kern die Position der Stadtspitze vor: Die Verwaltung wolle die Anwohner nicht ärgern, man sei ihnen im Vorfeld der letzten Schlossparkkonzerte bereits entgegengekommen und versuche weiter, die Belastungen erträglich zu gestalten.

Drei Gründe sprächen jedoch für eine weitgehende Beibehaltung der bisherigen Feierkultur: Erstens profitierten Handel und Gastronomie von den Besucherströmen: Jeder Gast lasse im Schnitt 20 Euro in der Stadt. Zweitens sorgten die Konzerte für einen Imagegewinn, so Kern: "Aber mit am wichtigsten ist, dass die Feste die Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt schüren." Viele Weinheimer seien froh, dass ihre Kommune mit großstädtischen Angeboten glänze.

Im übrigen habe es 1989 genau so viele Kultursommerveranstaltungen gegeben wie in diesem Jahr: 14. Kern konzedierte jedoch selbst, dass die damaligen Konzerte leiser abliefen und Zusatzveranstaltungen wie Public Viewings und Parkkonzerte seinerzeit undenkbar waren.

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Die Anwohner Frieder Plebst und Hans-Jürgen Lossmann leben seit über 40 Jahren in den Luppert-Bauten an der Rote Turmstraße. Sie machten keinen Hehl daraus, dass ihnen die Veranstaltungsfrequenz bereits seit den 1990er-Jahren zu hoch sei: "Aber 2015 war das Maß voll." Abseits der Themen "Verkehrsführung" oder "Schlusszeiten" brauche man einfach Pausen: "Mittlerweile werden wir im Sommer jedes Wochenende mit Musik vollgedröhnt", so Lossmann.

Was Konzert-, Party- und Hochzeitsbesucher nicht mitbekämen: Oft fange die Zwangsbeschallung schon nachmittags an: mit dem Soundcheck. "Bei Veranstaltungen wie dem Open-Mind-Jugendfestival lärmt es ab 15.30 Uhr und bis kurz vor Mitternacht." Und auch das neue Inklusionsfest für behinderte Menschen habe - bei allem Verständnis für deren Anliegen - viel Lärm verursacht. "Herr Kern war bei mir auf dem Balkon, er war selbst überrascht, wie viel Lärm dort ankommt", so Plebst.

Bei den lautesten Konzerten sei man bei 80 Dezibel auf dem Balkon und 60 in der Wohnung angelangt. Die Stadt und die Konzertveranstalter könnten Rock- und Popstars doch auch auf den Segelfugplatz holen.

Ordnungsamtsleiter Böhm führte aus, dass es beim Lärmschutz Ausnahmeregelungen gebe - und zudem Mittel- und keine Spitzenwerte ausschlaggebend seien. Er und Kern sicherten den Anliegern aber zu, weitere Schutzmaßnahmen zu prüfen, etwa eine andere Ausrichtung der Lautsprecher.

Zu den Aufregern des Abends gerieten jedoch der Flugplatz und das Open-Mind-Air. Kern versuchte darzustellen, warum der abgelegene Flugplatz keine Alternative sei. Mehrere Besucher verteidigten das Open-Mind-Air in der Innenstadt. Auch Ex-Stadtrat Thomas Bader warnte davor, die Jugend zu vertreiben: "Und später greifen Sie die Kerwe an", hielt er den Anwohnern im Saal vor, die auf eine Unterschriftenliste mit 90 anderen Lärmgeplagten verwiesen.

Andere Teilnehmer - etwa Muddy’s-Club-Chef Wolfgang Braun - brachen eine Lanze für kleine Veranstalter und priesen die kulturelle Offenheit, die es in Gaildorf oder Schwäbisch-Hall gebe. Als sich die Fronten zu verhärten drohten, griff Dr. Ulf Wittenberg ein, selbst passionierter Musiker.

Er sah drei Lösungsansätze: "Zunächst muss man sehen, dass auch Kinder und Jugendliche in der Stadt wohnen, die ebenfalls Ruhe brauchen, nicht nur alte Knacker." Zweitens müsse man mit der Tontechnik reden: Die könne viel Einfluss nehmen. Und drittens mache Lärm nun mal krank.

Weitere Erkenntnis: Mit der Verlegung des Dieter-Thomas-Kuhn-Konzerts 2017 an den Waidsee hat die Stadt die Wogen geglättet. Gelöst sind die Probleme aber nicht. Daher wirkte die Forderung mehrerer Redner nach einem klaren Kulturkonzept nicht unverständlich.

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