Eberbach

War der Platzverweis für BI-Gegner rechtens?

Verhaltensstörer oder freier Bürger? Im Vorfeld des Bürgerentscheids zur Windkraft auf dem Hebert schritten die Ordnungskräfte gegen einen Demonstranten ein.

17.05.2022 UPDATE: 18.05.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 54 Sekunden
Der Leopoldsplatz war vor dem Bürgerentscheid am 3. April Schauplatz einer Auseinandersetzung zwischen Ordnungskräften und einem gegen die Bürgerinitiative „Rettet den Hebert“ demonstrierenden Bürger. Der sieht sich zu Unrecht des Platzes verwiesen. Foto: Biener-Drews

Von Jutta Biener-Drews

Eberbach. Auseinandersetzungen gab es im Vorfeld des Bürgerentscheids am 3. April nicht nur pro und contra Windkraft auf dem Hebert. Es gab sie auch in der Frage, wer auf welche Weise seine politische Position im öffentlichen Raum vertreten darf. Das Ganze liegt jetzt zwar schon fast anderthalb Monate zurück, aber befriedet ist die Diskussion darüber immer noch nicht.

Ein Streit über Bürgerrechte hängt nach der Windkraft-Debatte noch in der Luft. Foto: dpa

Dafür steht nach Ansicht von Roger Steinbrenner, der sich für Windräder in Bürgerhand stark macht, einfach zu viel auf dem Spiel. Für ihn geht es dabei um demokratische Rechte, um Meinungs- und Demonstrationsfreiheit und darum, dass er sich willkürlich um diese Rechte gebracht sieht. Was er in mehreren Schreiben an die Stadt und zuletzt auch in der Bürgerfragezeit des Gemeinderats zum Ausdruck brachte.

Sein Vorwurf: Ordnungsamt und Polizei hätten ihn am 5. Februar ohne rechtliche Handhabe und aufgrund falscher Anschuldigungen vom "Leopoldsplatz vertrieben", als er im Umfeld des Infostands von "Rettet von Hebert" die Bürgerinitiative (BI) als Handlangerin der Atomlobby kritisierte. Seine Botschaft an die Öffentlichkeit hatte Steinbrenner auf ein Stück Pappkarton geschrieben.

Zum Hergang dieses Vorfalls gibt es unterschiedliche Darstellungen, die kein einheitliches Bild ergeben. Wobei sich Revierleiter Ralf-Peter Schwindt auf die Aussage zurückzieht, die Polizei habe der Stadt dabei lediglich Amtshilfe geleistet. Aus Gesprächen mit Roger Steinbrenner, der uns auch seine diesbezügliche Korrespondenz mit Bürgermeister Peter Reichert zugänglich machte; mit Ordnungsamtschef Rainer Menges und mit Bettina Greif von "Rettet den Hebert", die das Ordnungsamt am 5. Februar auf den Plan rief, schält sich aber eine Kernfrage heraus: Hat Roger Steinbrenner als Demonstrant die Veranstaltung der BI "massiv gestört" und sich damit zurecht den Platzverweis eingehandelt, wie das Ordnungsamt zu Protokoll gibt – oder nicht?

Auch interessant
Eberbach: Bürger motivieren, abstimmen zu gehen
"Postaktuell"-Ärger in Eberbach: Info-Flyer zur Windenergie auf dem Hebert hatten massive Verspätung

Bettina Greif von "Rettet den Hebert" will von einer "massiven Störung" nichts wissen: "Das entspricht nicht den Tatsachen!" Greif und ihre Mitstreiter am – amtlich genehmigten – Infostand sahen sich an diesem 5. Februar lediglich mit zwei Einzelpersonen konfrontiert, die direkt vor ihrer Nase gegen sie und ihre Position Front machten. Im Sinne eines "respektvollen Miteinanders" nach dem Grundsatz "gleiches Recht für alle" habe sie um 10 Uhr im Ordnungsamt angerufen und nachgefragt, ob der Stadt auch für die Aktivitäten dieser zwei Herren eine Genehmigung vorlägen.

Danach, so Greif, sei sie selbst längere Zeit nicht am Stand gewesen und habe die anschließenden Ereignisse bis zum Eintreffen der Polizei gar nicht miterlebt. Wenn es allerdings zutreffe, dass die von Steinbrenner gewählte Form der öffentlichen Meinungsäußerung nicht meldepflichtig ist, "dann hätte der Marktleiter uns das ja nur zu sagen brauchen, und es wär’ gut gewesen!"

Für Ordnungsamtsleiter Rainer Menges steht dagegen außer Zweifel: Von Roger Steinbrenner ist bei dieser Gelegenheit eine massive Störung ausgegangen: "Wenn wir gerufen werden, müssen wir davon ausgehen". Protokollierte Mitteilung des städtischen Ordnungshüters: Eine der demonstrierenden Personen störe die Gespräche am Stand und mische sich massiv in die Unterhaltungen mit den Bürgern ein.

Hintergrund

Anmeldepflicht. Der Veranstalter einer Versammlung ist gemäß §14 Versammlungsgesetz verpflichtet, diese spätestens 48 Stunden vor Bekanntgabe ihrer Durchführung bei der zuständigen Behörde anzumelden. Diese Pflicht kollidiert mit der im Grundgesetz Artikel 8

[+] Lesen Sie mehr

Anmeldepflicht. Der Veranstalter einer Versammlung ist gemäß §14 Versammlungsgesetz verpflichtet, diese spätestens 48 Stunden vor Bekanntgabe ihrer Durchführung bei der zuständigen Behörde anzumelden. Diese Pflicht kollidiert mit der im Grundgesetz Artikel 8 verankerten Garantie, dass sich Bürger jederzeit ohne Anmeldung und Erlaubnis versammeln dürfen.

Wenn eine Einzelperson ihre Meinung kundtut, kann sie dies jederzeit ohne jegliche Voranmeldung tun, wie die Bürgerrechtsgruppe Freiheitsfoo darlegt. Diese Person darf auch laut sein und ihre Meinung an den gleichen Orten kundtun wie Menschen, die eine Versammlung anmelden. Geschützt ist auch die Wahl des Ortes und die Zeit der Äußerung, die nach Maßgabe ihrer größten Wirkung erfolgen kann.

Weiter heißt es, dass eine öffentlich geäußerte Meinung nicht begründet oder als "richtig" geprüft werden können muss. Unerheblich ist auch, ob eine Äußerung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, emotional oder rational begründet ist.

[-] Weniger anzeigen

"Dieses Recht hat er nicht!", begründet Menges das Vorgehen. Roger Steinbrenner und der zweite "Standbetreiber" seien deshalb aufgefordert worden, "die Störung zu unterlassen oder den Platz zu verlassen" – allerdings auch unter Berufung auf nicht vorhandene "Sondernutzungserlaubnisse".

Weil Steinbrenner sich weigerte, sei die Polizei eingeschaltet und gegen den im Polizeigesetz so genannten "Verhaltensstörer" ein Platzverweis ausgesprochen worden. Mit seinem Pappschild entfernte sich Steinbrenner schließlich aus dem öffentlichen Raum und zog sich in den gegenüberliegenden privaten Eingangsbereich der früheren BW-Bank zurück. Bürgermeister Peter Reichert endigt sein Antwortschreiben an Steinbrenner mit den Worten: "Wir dürfen Sie künftig bitten, sich rechtzeitig mit der zuständigen Behörde in Verbindung zu setzen, wenn Sie eine Veranstaltung oder einen Infostand planen".

Roger Steinbrenner hält in seiner Beschwerde mit dem Grundgesetz dagegen: Als Einzelner habe er das Recht, sich mit oder ohne Plakat jederzeit ohne Genehmigung an jeden beliebigen öffentlichen Ort zu stellen. Von den Ordnungskräften sei er daher "zu Unrecht in die Ecke gedrängt worden". Auch sei er sofort bereit zu beeiden, dass er weder gestört, noch sich in Gespräche der BI eingemischt habe. Vielmehr habe es die BI gestört, dass er da stand, wie ihm die Polizei später erklärt haben soll.

Zwanzig Minuten lang habe er sich am 5. Februar erst dem Ordnungsbeamten, dann der Polizei gegenüber der nach seiner Auffassung durch nichts legitimierten Aufforderung widersetzt, eine Genehmigung vorzuweisen und den Platz zu verlassen, berichtet Steinbrenner, "es wurde mit Arretierung gedroht!" Dabei sei er laut geworden, um die Leute auf seine Situation aufmerksam zu machen: "Als freier Bürger darf ich hier stehen!" Hätte ich verbotenerweise auf dem Platz gestanden, hätte man mich entfernt", ist sich der Eberbacher sicher.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.