Ballonfahrt über den Odenwald

Wohin es geht, entscheidet der Wind (plus Video)

Zusammen mit den Ballonfreunden Neckartal hob die RNZ ab.

10.09.2022 UPDATE: 09.09.2022 19:00 Uhr 3 Minuten, 56 Sekunden
Alles, was aufsteigt, muss irgendwann auch wieder runterkommen. Und so setzte auch der Ballon der Ballonfreunde Neckartal nach rund einer Stunde zur Landung an. Foto: A. Bering

Von Noemi Girgla

Neckar-Odenwald-Kreis. Ein kurzer Anruf am Vormittag bestätigt den Termin: Das Wetter ist gut, der Wind günstig, heute wird gestartet. "Ob eine vereinbarte Ballonfahrt auch tatsächlich stattfinden kann, entscheidet sich immer erst am selben Tag", erklärt Irene Lantzberg, die technische Ballonwartin des Vereins Ballonfreunde Neckartal. Denn der Flugwetterbericht (und damit die Erlaubnis zum Abheben) kommt erst kurz vor dem Start.

Eigentlich ist dieses Wort irreführend. "Ballon fliegt man nicht, Ballon fährt man", erklärt Jürgen Dahlmann, der erste Vorsitzende des Vereins. Das Vokabular der Ballonfahrer stammt nämlich aus einer Zeit, als das Fliegen noch in den Kinderschuhen steckte, und orientiert sich an der Seefahrt.

Dennoch macht man nicht seinen Bootsführerschein, bevor man selbst abheben darf, sondern den Pilotenschein – man bewegt sich ja immerhin in der Luft. Für den Laien zählt: Es geht hoch hinaus.

Auch die RNZ verlor dieser Tage den sicheren Boden unter den Füßen und wagte sich in luftige Höhen. "Nicht nach unten, sondern auf den Horizont schauen", riet Irene Lantzberg noch, bevor der Korb abhob. Lantzberg ist nicht nur Ballonwartin, sondern vor allem auch Ballonpilotin – und das schon seit etwa 37 Jahren.

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"Damals war ich neu im Neckar-Odenwald-Kreis, bekam Kontakt zur Ballonsportgruppe und habe die neue Gegend so schnell gut kennengelernt – aus einer ganz besonderen Perspektive", blickt sie zurück. Zum Pilotenschein sei sie – mangels Nachwuchs – damals überredet worden und hat die Entscheidung nie bereut.

Auch heute hat der Verein wieder Nachwuchssorgen. "Damit stehen wir aber nicht alleine da", wissen Lantzberg und Dahlmann. Zum einen seien (ballonspezifisch) die Kosten für den Pilotenschein enorm angestiegen, und auch die Versicherungsbeiträge hätten drastisch angezogen.

Zum anderen beobachte man bei vielen anderen Vereinen, dass nicht genug junge Leute nachkämen. "Vielleicht scheuen sie, dass mit einem Beitritt auch eine Regelmäßigkeit und Verpflichtungen einhergehen", spekulieren Dahlmann und Lantzberg.

In die Zukunft blicken beide mit einiger Sorge. Nicht nur der fehlende Nachwuchs ist ein Thema, auch landschaftliche Gegebenheiten wie Windräder oder Stromleitungen schränken die Ballonfahrten mehr und mehr ein. Ein sehr leidiges Thema ist natürlich auch der Antriebsstoff: Flüssiggas. "Das wird es zwar immer geben, die Frage ist nur zu welchem Preis", fasst es Dahlmann zusammen. Schon jetzt kommt der Verein pro Fahrt meist null auf null raus.

Doch zurück in den Korb: Dieser gewinnt an Höhe, der Neckar-Odenwald-Kreis wird unter ihm kleiner und kleiner. "Bis zu 2500 Meter über dem Meeresspiegel dürfen wir hinauf", erklärt Irene Lantzberg, die über zwei Seile und das Heizen des Ballons das Auf und Ab reguliert. Auf dieser Höhe müsse man sich keine Sorgen um andere Flieger machen. "Flugzeuge, Hubschrauber etc. sind alle darüber, wir sind hier im unkontrollierten Luftraum."

Während die Distanz zum Boden unübersehbar ist, überrascht Lantzbergs Aussage über die Geschwindigkeit dann doch: "Wir bewegen uns jetzt mit 30 Kilometern pro Stunde fort." Zu merken ist davon nichts. "Das liegt daran, dass wir uns mit dem Wind bewegen. Im Korb herrscht so immer Windstille", erklärt die Ballonpilotin.

Und wohin geht die Reise mit dieser Geschwindigkeit? "Das entscheidet alleine der Wind", ist die einzige Antwort, die die RNZ darauf erhält.

Doch gänzlich ausgeliefert ist man den Elementen dann doch nicht. "Ballonfahren gehört zu den sichersten Fortbewegungsarten", betonen Lantzberg und Dahlmann. Dafür sorgen strenge Sicherheitskontrollen, gut ausgebildete Piloten und eben der zuvor schon erwähnte Flugwetterbericht. "Um einen Pilotenschein zu erwerben, wird man in Meteorologie, Navigation, Technik, Luftrecht und Verhalten in besonderen Fällen, also Notsituationen, geprüft", erläutert Jürgen Dahlmann, der selbst mehr als 30 Jahre Ballonpilot war.

Um ein weiteres Risiko auszuschließen, starten die Ballonfreunde Neckartal immer erst in den frühen Abendstunden. "Das hat mit der Thermik zu tun. Wenn die warme Luft von unten kommt, steigt der Ballon, ohne dass man das möchte. Abends ist dieser Effekt beziehungsweise Auftrieb nicht so ausgeprägt", führt der Experte aus.

Aber alles, was hinaufsteigt, muss irgendwann auch wieder zurück zur Erde. Und so werden die Autos unter dem Ballon wieder größer, die Häuser kommen näher, und Irene Lantzberg nimmt ein Feld ins Visier. Es knackt in der Leitung – zum Pilotenschein gehört auch eine Funkerprüfung –, dann gibt sie die Stelle durch, an der der Korb voraussichtlich unten ankommen wird.

Alleine kann niemand eine Ballonfahrt bewerkstelligen. "Nur für den Aufbau braucht es drei bis vier Leute", weiß die Pilotin. Aber dafür hat man ja noch die mitanpackenden Gäste. Um das Gefährt dann wieder sicher auf den Boden zu bringen, ist eine Crew notwendig. "Es fahren immer einige Leute, die sogenannten ,Verfolger’ mit dem Auto hinter dem Ballon her", erzählt Jürgen Dahlmann, der diesen Part an diesem Tag gemeinsam mit Alexandra Bering, zweite Vereinsvorsitzende und Lantzbergs Tochter, übernommen hat.

Wenige Meter über dem Boden wirft die Pilotin ein Seil aus dem Korb, das Bering auffängt und sich gemeinsam mit Dahlmann mit aller Kraft hineinhängt. Es ruckt, und langsam sinkt der Korb auf den Boden.

Abgebaut wird natürlich wieder zusammen, bevor die Ballon-Neulinge ihre Adelstitel erhalten. "Das ist eine Tradition, die auf die erste Ballonfahrt 1783 zurückgeht", erklärt Dahlmann die nun anstehende "Ballonfahrertaufe". Für diese erste Fahrt in der Nähe von Paris fand sich nur ein freiwilliger Mann von Adel, der bereit war, das Risiko auf sich zu nehmen.

Doch sollten die Namen der Pioniere zum Ruhm Frankreichs beitragen und in die Geschichte eingehen – daher erhob König Louis XVI. kurzum einen zweiten Freiwilligen in den Adelsstand und versprach den beiden Passagieren, ihnen nach der Fahrt alle überfahrenen Ländereien zu schenken – weshalb diese wiederum versuchten, eine möglichst lange Strecke zurückzulegen.

"Nach etwa einer halben Stunde landeten sie wohlbehalten im Norden von Paris. Der König hielt Wort, und beide wurden durch die erste Ballonfahrt in der Geschichte der Menschheit nicht nur berühmt, sondern auch sehr reich", schließt Dahlmann die Erzählung ab.

Bis heute erhalten die Ballon-Novizen nun in einem langen Adelstitel die überquerten Ländereien zugesprochen und dürfen sie im Anschluss ihr Eigen nennen – "jedoch nur den Bereich über dem Boden", fügt Dahlmann mit einem Zwinkern hinzu.

Drei Versprechen nimmt er dann der RNZ sowie den Mitreisenden noch ab: seinen Adelstitel zu lernen, jeder Balloncrew künftig bei der Landung zu Hilfe zu kommen – und nie wieder beim Ballon vom "Fliegen" zu sprechen.

Weitere Infos gibt es unter www.ballonfreunde-neckartal.de.

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