Wenn nachts die Wildsau vor dem Auto steht
Im Fall einer unverhofften Begegnung ist ein unaufgeregter Rückzug die richtige Wahl – Runder Tisch hat getagt

Mitten im Wohngebiet in der Burgstraße stand das Auto, zu dem das Wildschwein der Eberbacherin den Zugang verwehrte. Foto: Peter Bayer
Von Peter Bayer
Eberbach. "Scheu ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr", scheinen sich inzwischen auch die Wildschweine in Eberbach zu denken. An den morgendlichen Anblick aufgewühlter Wiesen oder Gärten haben sich die Eberbacher inzwischen wohl oder übel gewöhnt. Bei unverhofften Begegnungen mit einem oder mehreren der Borstentiere treten sie dezent den Rückzug an und lassen dem Eberbacher Wappentier eine Fluchtmöglichkeit. Doch was tun, wenn Mann oder Frau nächtens dringend ins Auto muss, aber ein Wildschwein etwas dagegen hat und gar nicht an eine Flucht denkt?
Vor dem Problem stand plötzlich Michaela Mussler, als sie um 3 Uhr nachts per Telefon zu einem Pflegeeinsatz gerufen wurde. Als sie die Haustür in der Burgstraße aufmachte und zu ihrem davor geparkten Auto wollte, sah sie sich einem "schönen Brummer" von Wildschwein gegenüber. Tier und Mensch waren offenbar gleichermaßen von der Begegnung überrascht. Während das Borstentier seinen Platz beim Auto behauptete, entschied sich die 54-Jährige für den geordneten Rückzug ins Haus.
"Du gehst nicht mehr raus", rief ihr ihre Mutter Inge zu, die wach geworden war. Nach einer weiteren Begegnung mit dem Tier hatte ihre Tochter ohnehin kein Verlangen. Durch die angelehnte Tür beobachtete sie das Wildschwein, bemerkte dabei auf dem Hang gegenüber drei weitere Tiere. Nach etwa drei bis vier Minuten trotteten die Tiere schließlich langsam davon.
Nächtliche Besuche durch Wildschweine ist für die Anwohner der Burgstraße nichts Neues, der letzte unerwünschte Besuch ereignete sich in der Nacht von Freitag auf Samstag. "Manche Nachbarn wurden bereits mehrfach heimgesucht", sagt Inge Mussler, zum Teil schon fünf oder sechs Mal. Zu einer direkten Begegnung sei es ihres Wissens aber noch nicht gekommen.
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Mit einer so gefährlichen Situation können auch andere Leute unerwartet konfrontiert werden, Schichtarbeiter zum Beispiel, die nachts zu ihrem Arbeitsplatz fahren müssen. Wie verhält man sich in so einem Fall am besten? "Ganz normal, auf keinen Fall hektisch, um nicht eine aggressive Reaktion des Tieres hervorzurufen", rät Siegfried Riedl, Leiter der Stadtförsterei, zum unaufgeregten Rückzug. Im Normalfall fliehe das Tier, doch treffe man etwa auf eine Bache mit Nachwuchs, sei auf jeden Fall Vorsicht geboten.
In letzter Zeit sei es ruhiger um die Wildschweine geworden, nur vereinzelt Meldungen eingegangen. Vielleicht seien die Leute inzwischen "resistenter geworden", würden nicht mehr jeden Fall melden, vermutet Riedl. Eine mögliche Erklärung sieht er aber auch darin, dass man im Jagdbezirk Lautenbach im vorigen Jahr massiv in den Bestand eingegriffen habe, was sich möglicherweise positiv auf den Bereich Holdergrund/Scheuerberg ausgewirkt hat.
Vor kurzem fand ein "Runder Tisch" zur weiteren Vorgehensweise statt. Beteiligt waren unter anderem Naturschutz, Tierschutz, Jäger und die Untere Jagdbehörde. Über die Ergebnisse soll die Öffentlichkeit noch informiert werden.