Retter für den Ernstfall rüsten
Die neue Atemschutzübungsanlage des Kreises wurde am Standort Walldürn in Betrieb genommen.

Walldürn. (jam) "Eine ungewohnte Umgebung mit schlechter oder gar keiner Sicht. Oft kann man die eigene Hand nicht mehr vor seinen Augen erkennen. Überall ist beißender Rauch. Es brennt. Glühende Hitze schlägt einem entgegen. Hindernisse, die das Weiterkommen erschweren oder zu einer Änderung des Wegs zwingen. Dazu Geräusche, vielleicht aber auch Stimmen oder Schreie, die sich zunächst nicht immer zweifelsfrei zuordnen lassen." Mit eindringlichen Worten beschreibt Landrat Dr. Achim Brötel ein Szenario, dem sich Feuerwehrleute bei jedem ihrer Einsätze unvermittelt ausgesetzt sehen können. Damit sie diese Extremsituationen sicher meistern können, sind sie darauf angewiesen, die nötigen Handlungsabläufe regelmäßig zu trainieren. Möglich macht das die nagelneue Atemschutzübungsanlage des Kreises, die am Montag in Walldürn eingeweiht wurde.
"Wer anderen hilft, darf sich selbst nicht mehr als unbedingt nötig in Gefahr bringen": Um diesem Anspruch gerecht zu werden, üben Feuerwehrleute seit 1988 am Standort Walldürn, wie sie sich als Atemschutzgeräteträger zu verhalten haben. Seitdem haben Floriansjünger dort in mehr als 26.000 Trainingsdurchgängen ihre Tauglichkeit unter Beweis gestellt. Dazu demonstrieren sie in voller Montur ihren Fitnesszustand, ihre Bewegungsfähigkeit trotz der 25 Kilogramm schweren Ausrüstung und natürlich besonnenes Handeln unter Stress. Herzstück der Anlage war und ist eine Übungsstrecke: Diesen labyrinthartigen Gitterkäfig müssen die Feuerwehrleute bei absoluter Dunkelheit, Hitze und lauter Geräuschkulisse bezwingen. Die Simulationen sollen der "stressigen Situation im Einsatz möglichst nahekommen", sagte Architekt Thomas Link bei seiner kurzen Ansprache.

Doch zuletzt hatte der Zahn der Zeit allzu sehr an der wichtigen Einrichtung genagt, es taten sich Mängel auf. Ironischerweise erfüllte die Kriechstrecke, die ja eigentlich der Sicherheit der Feuerwehrleute dienen soll, selbst nicht die nötigen Auflagen, weil sie nicht von allen Seiten zugänglich war. Und ein weiterer Aspekt sorgte laut Bürgermeister Markus Günther für Handlungsbedarf: "Nach über drei Jahrzehnten entsprach die Anlage nicht mehr dem Stand der Technik." Eine Sanierung im Bestand war allerdings schon allein aus Platzgründen ausgeschlossen, ein Neubau musste also her.
Denn das eigene Atemschutzzentrum aufzugeben, stand laut Brötel nicht zur Debatte: "Wenn wir wollen, dass diese bewundernswerte Trumpfkarte der ehrenamtlichen Hilfeleistung weiterhin sticht, müssen wir die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass das überhaupt möglich ist." Niemand wollte also den Ehrenamtlichen in den Einsatzabteilungen zumuten, für die notwendigen Lehrgänge weite Strecken auf sich zu nehmen – insofern die nächstgelegenen Atemschutzübungsanlagen etwa in Heilbronn, Heidelberg oder Bad Mergentheim überhaupt freie Kapazitäten hätten. Denn: "Auch in den angrenzenden Landkreisen übersteigt die Nachfrage in aller Regel das vorhandene Angebot", wie der Landrat erklärt.
Trotzdem war das Projekt – vor allem natürlich aufgrund der hohen Investitionskosten von mehr als einer Million Euro – kein Selbstläufer. Helmut Hotzy, der Hauptamtsleiter der Wallfahrtsstadt, zeigte sich dabei instrumental. "Der ,Löwe von Walldürn‘ hat auf der Klaviatur der hohen Verwaltungskunst wirklich nicht eine einzige Taste ausgelassen, um für die Feuerwehr, aber auch die Stadt Walldürn hier die bestmögliche Lösung zu erzielen", merkte Landrat Brötel mit einem Grinsen an.
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Diese bestmögliche Lösung sieht vor, dass der Landkreis den Löwenanteil der Kosten in Höhe von rund 1,35 Millionen Euro übernimmt. Geradezu Seltenheitswert hat, dass dieses Millionenprojekt innerhalb des gesteckten Kostenrahmens errichtet wurde. Der Dank dafür gebührt Projektleiterin Katja Bauer vom Büro Link Architekten, die großen Anteil daran hatte, die Gewerke frühzeitig auszuschreiben, so dass man von der Preisspirale im Bausektor verschont blieb.
Für die Investition von Land, Kreis und Stadt erhalten die 27 Gemeinde- und drei Werksfeuerwehren des Kreises eine modular aufgebaute Anlage, die den neuesten Standards entspricht. Neben dem Gitterkäfig, in dem sich realitätsnahe Szenarien simulieren lassen, zählen ein Leitstand mit modernster Technik wie Wärmebildkameras sowie ein Fitnessparcours mit Laufband, Endlosleiter, Fahrradergometer und Schlaghammer ebenso zum Umfang wie ein Besprechungsraum und ausreichend Parkplätze vor dem Gebäude. Atemschutzgerätewart Tobias Hauke von der Walldürner Feuerwehr erläuterte diese und weitere Elemente der neuen Atemschutzübungsanlage am Montag bei einem Rundgang.