Schlachthof in Tauberbischofsheim

Tierschützer erheben schwere Vorwürfe gegen Veterinäramt

Vorwurf: "Sie stehen dabei, wo Tiere gequält werden - und sie greifen nicht ein" - Ermittler prüfen Beweismaterial aus Schlachthof in Tauberbischofsheim

16.02.2018 UPDATE: 17.02.2018 06:00 Uhr 3 Minuten, 6 Sekunden

Die Polizei hatte nach Vorwürfen der Tierquälerei den Schlachthof in Tauberbischofsheim nach Beweismitteln durchsucht. Foto: dpa

Tauberbischofsheim. (dpa/tra/jam) Nach Vorwürfen der Tierquälerei haben Beauftragte der Staatsanwaltschaft inzwischen den Schlachthof in Tauberbischofsheim nach Beweismitteln durchsucht. Es gehe unter anderem um Geschäftsunterlagen und Videomaterial, teilte Staatsanwalt Florian Sommer der RNZ auf Nachfrage mit. An den Ermittlungen hatten 20 Beamte der Schutz- und Kriminalpolizei Tauberbischofsheim teilgenommen. "Zur Sichtung aller Daten benötigen wir mindestens ein bis zwei Wochen", heißt es vonseiten der Staatsanwaltschaft in Mosbach.

Der Betrieb gehört zur Firma OSI mit Europa-Sitz in Gersthofen bei Augsburg, einem Lieferanten der Fast-Food-Kette McDonald’s. Er soll Aktivisten zufolge gegen den Tierschutz verstoßen haben. Nach Sichtung von TV-Aufnahmen hatten die Behörden die Schließung des Hofs verfügt. Dort wurden laut Landratsamt täglich 200 Rinder geschlachtet.

Das Unternehmen bleibt nach Angaben des Landes bis auf Weiteres dicht. Mehrere Polizeiautos sicherten am Donnerstag das Areal. Durch Recherchen des Fernseh-Magazins "Stern TV" habe das Land von dem Fall erfahren, hieß es beim Agrarministerium in Stuttgart. Auf mit versteckten Kameras gedrehten Bildern ist zu sehen, dass sich Rinder beim Einstich in den Hals und beim Ausbluten bewegen - ein Hinweis darauf, dass sie nicht richtig betäubt wurden.

Und das Video zeigt mehr: Rinder, die sich nicht schnell genug in Richtung Schlachtraum bewegen, werden massiv mit Elektroschockern malträtiert und mit Knüppeln geschlagen. Außerdem belegen die Aufnahmen, dass Mitarbeiter des Tauberbischofsheimer Schlachthofs den Tieren den Schwanz stark verbiegen und ihnen dabei erhebliche Schmerzen zufügen. Das bestätigt auch Dr. Kai Braunmiller, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft für Fleischhygiene, Tierschutz und Verbraucherschutz, nach der Sichtung des Videomaterials in der Sendung. Seine Einschätzung: Im Schlachthof sei es zu massiven Verstößen gegen die Tierschutz-Schlachtverordnung gekommen. Die Rinder seien durch "extreme und unsinnige Gewaltanwendung" gequält worden.

Auch im Schlachtraum selbst hat die Soko Tierschutz zahlreiche Verstöße dokumentiert: Rinder sind nach dem Bolzenschuss, der sie vor dem eigentlichen Schlachten betäuben sollte, noch bei Bewusstsein und winden sich in Krämpfen auf dem Boden oder werden zappelnd am Haken aufgehängt. Daraufhin, so zeigt es das Video, durchstechen Mitarbeiter den nach wie vor wahrnehmungsfähigen Tieren die Halsschlagader, damit sie langsam ausbluten. "Die Zustände sind eigentlich in allen deutschen Schlachthöfen sehr, sehr schlecht. Aber dieser Betrieb hat gezeigt, dass es immer noch schlimmere Zustände geben kann", sagt Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz.

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Die Augsburger Organisation bezeichnete die Schließung als "erwartbaren Vorgang". Bei dieser Maßnahme dürfe es nicht bleiben, sagte der Vorsitzende Friedrich Mülln. "Wir erwarten von den Behörden, dass sie hart durchgreifen", betonte er. Mülln erhob auch gegen Veterinäre schwere Vorwürfe: "Sie stehen dabei, wo Tiere gequält werden, sie stehen dabei, wo Recht gebrochen wird - und greifen nicht ein." So zeigt das Video von "Stern TV" einen Beauftragten des Amts, der laut dem Kommentator folgendes tatenlos zulässt: "Ein Schlachthofmitarbeiter sticht eine Kuh regelrecht ab. Sie war durch den Bolzenschuss nicht richtig betäubt worden."

Tauberbischofsheim sei kein Einzelfall, fügt Mülln an. Er spricht von "potenziell mafiösen Schlachtstrukturen" in Deutschland. "Da kann wohl nur der Konsument etwas ändern. Die einzige Sprache, die verstanden wird, ist der Profit", sagt der Chef der Soko Tierschutz.

Ralf Herkert, Obermeister der Fleischer-Innung Neckar-Odenwald, rät allen Fleischessern, denen das Tierwohl wichtig ist, Fleisch und Wurst bei den kleinen Metzgereien vor Ort zu kaufen: "Wenn die Metzgereien noch selbst schlachten, können die Kunden direkt beim Metzger nachfragen, wie geschlachtet wird", sagt Herkert. Und auch die lokalen Metzgereien, die nicht mehr selbst schlachten, geben Kunden, die sich informieren wollen und an der Herkunft des Fleisches interessiert sind, gerne Auskunft. So können Kunden vermeiden, dass das Fleisch gequälter Rinder und Schweine auf ihren Tellern landet.

Dem Agrarministerium zufolge soll es "eine akribische Aufarbeitung" der Situation geben. Dabei würden auch mögliche Verfehlungen von Amtsträgern geprüft. "Sollten diese vorliegen, wird in aller Härte durchgegriffen und disziplinarische Maßnahmen werden eingeleitet." Der Schlachthof in Tauberbischofsheim muss dem Ministerium zufolge ein Konzept vorlegen, wie die Mängel, die zu den massiven Tierschutzverstößen geführt haben, behoben werden können. "Solange dieses Konzept nicht vorliegt und die Auflagen, die der Schlachthof darüber hinaus erhält, nicht umgesetzt sind, bleibt der Betrieb geschlossen", sagt eine Sprecherin.

McDonald’s und auch Tierrechtsaktivisten haben nach eigenen Angaben Strafanzeige gestellt. "Die Anzeigen richten sich gegen die Verantwortlichen und Mitarbeiter der Firma, die den Schlachthof betreibt, und gegen das zuständige Veterinäramt", sagt Staatsanwalt Florian Sommer.

Das Handelsunternehmen Kaufland hat seine Geschäftsbeziehung mit der Firma OSI wegen der Vorwürfe gestoppt. "Wir werden die Haltungsbedingungen in diesem und allen anderen Schlachthöfen von OSI intensiv prüfen und über die weitere Zusammenarbeit entscheiden", wird ein Sprecher des Unternehmens zitiert.

Die SPD-Opposition im Stuttgarter Landtag kritisierte, dass die Behörden erst durch Medien und Aktivisten von dem Fall erfahren hätten. "Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass die staatliche Kontrolle beim Tierschutz auf Schlachthöfen nicht funktioniert, da es schlichtweg zu wenig Personal für diese wichtige Aufgabe gibt", sagte Reinhold Gall, der agrarpolitische Sprecher der Fraktion.

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