Schafabtrieb von Hohen Odenwald

Wie Peter Haßlinger seine 400 Schafe übers Wasser führt (plus Fotogalerie)

Schafabtrieb vom Hohen Odenwald in Richtung Epfenbach:  - Flauschiger Gegenverkehr auf der Brücke

30.12.2020 UPDATE: 31.12.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 15 Sekunden
Ganz entspannt über die Neckarbrücke von Diedesheim nach Obrigheim: Am vergangenen Sonntag überquerte Peter Haßlinger mit seiner Schafherde den Neckar. In Obrigheim grasen sie nun ein paar Tage. Foto: Thomas Kottal

Diedesheim/Obrigheim. (stk/md) Wenn Peter Haßlinger mit seinen Schafen unterwegs ist, sieht er ganz entspannt aus. "Warum sollte ich auch nicht entspannt sein?", fragt Peter Haßlinger. Er ist Schäfer in dritter Generation. Seit 33 Jahren hütet er seine Herde. Seit drei Jahren muss er im Sommer Futter zukaufen.

In diesem Sommer war es so schlimm wie noch nie. Anfang April wanderte er mit seinen Tieren von seinem Wohnort Epfenbach in mehreren Tagestouren Richtung Neckar, um – wie seit Jahrzehnten gewohnt – auf dem Breitenstein Quartier aufzuschlagen. Wegen der Trockenheit wurde das Grünfutter knapp, ab Juli habe er zufüttern müssen. Und weit über 200.000 Kubikmeter Wasser haben die Schafe seinen Ausführungen zufolge auch verbraucht. Haßlinger machte sich auf die Suche nach Grünfutter zum Zukaufen. Zwei Biolandwirte aus Balsbach hatten die Lösung: Sie hatten ausreichend Wiesen für die Schafe zur Verfügung. Kleeflächen, die als Zwischenfrucht angelegt worden waren.

Inzwischen haben Schafe und Schäfer wieder die Wanderung in die Heimat angetreten. Über Weisbach, Dielbach, Schollbrunn, Eisenbusch, Binau und Diedesheim ging es, am Sonntag stand die Neckarquerung an – über die Brücke bei Obrigheim. In der Neckar-Gemeinde bleiben die Schafe jetzt erst einmal ein bisschen stehen, dürfen sich ausruhen vom "Abtrieb" aus dem Hohen Odenwald. Weiter soll es dann über den Kirstetter Hof, Daudenzell und Helmstadt bis nach Epfenbach gehen. So "fünf, sechs Kilometer" lege man am Tag zurück, erzählt Haßlinger: "Wenn ich mit den Schafen weiterziehe, wissen sie, dass es Futter gibt." Von daher sind sie eher etwas aufgeregt denn entspannt, sie freuen sich auf ihre nächste, neue Weide.

Unterstützung bekommt Peter Haßlinger während der Wanderungen von seinen beiden altdeutschen Hütehunden, Are und Chef. "Die haben die Schafe im Griff", sagt Haßlinger. Er hat die beiden Hunde selbst ausgebildet. Das scheint für den Schäfer Ehrensache zu sein.

Rund 200 Mutterschafe mit ihren Lämmern wurden bereits mittels Anhänger nach Epfenbach gefahren, sie befinden sich sozusagen im Mutterschutz. Die anderen sollen noch ein bisschen draußen grasen. "Ich habe wegen der Knappheit im Sommer nämlich schon einen Teil meines Winterfutters verbraucht", sagt der 49-Jährige. Inzwischen sei er aber wieder im Plus, das heißt: Der frühzeitige Verbrauch des Winterfutters konnte durch die Stationen auf den Wiesen wieder ausgeglichen werden.

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Peter Haßlinger vermarktet das Fleisch der Tiere über seinen EU-zertifizierten Schlacht- und Zerlegebetrieb in Epfenbach. "Halbe und ganze Lämmer verkaufe ich, auf Wunsch des Kunden auch küchenfertig zerlegt." Pro Kopf werde in Deutschland jährlich etwa ein Kilo Lammfleisch verbraucht, weiß der Fachmann. Absolut am Boden sei der Preis für die Wolle der Tiere. "Das kann man eher verschenken als verkaufen nennen", so Haßlinger. Das bestätigen auch Informationen des baden-württembergischen Landesschafzuchtverbands: Seit 1990 gibt es einen Preisverfall bei Wolle. Statt früher 1,80 bis 2,30 Euro pro Kilogramm werden heute nur noch 50 Cent bis 1,20 Euro pro Kilo bezahlt. Die Kosten einer Schur betragen pro Schaf aber 3,80 Euro – mehr als über die Vermarktung der Wolle eingenommen wird.

Peter Haßlinger selbst lebt in Epfenbach. Jeden Tag tritt er nun den Weg ins Neckartal an, versorgt und hütet die Schafe, am Abend werden sie dann in den Nachtpferch gebracht. "Das ist in diesem Jahr ein 366-Tage-Job", sagt Haßlinger. Wegen des Schaltjahres 2020, wie er schmunzelnd hinzufügt.

Wenn das Futter am Neckar wieder knapp wird, macht er sich mit seinen rund 400 Schafen und seinen Hunden wieder auf den Weg. Bis Mitte Januar will er mit der Herde in Epfenbach angekommen sein. "Das habe ich mir mal so als Ziel gesetzt." Ziel hin oder her – was Peter Haßlinger vor allem will, ist: ganz entspannt bleiben ...

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