RNZ-Sommertour

Zum Finale ging es in die Hardheimer Steinemühle

Wo Walzenstuhl und Plansichter dröhnen: Frank Müller und Jasmin Brauch boten besondere Einblicke.

22.09.2025 UPDATE: 22.09.2025 04:00 Uhr 4 Minuten, 1 Sekunde
In der Mühle muss Jasmin Brauch das Dröhnen des Walzenstuhls übertönen, um den Leserinnen und Lesern der RNZ dessen Funktionsweise zu erläutern. Foto: Janek Mayer

Von Janek Mayer

Hardheim. Ein Weizenkorn legt eine weite Reise zurück: Es wächst nach der Aussaat im Frühjahr, reift golden auf dem Feld und wird im Spätsommer geerntet. Nach der Lagerung auf dem Hof beginnt sein eigentlicher Weg – in der Hardheimer Steinemühle.

Dort rutscht es über die Annahmegosse ins Innere, wird gereinigt, gewogen und schließlich zwischen rotierenden Walzen zu feinem Mehl verarbeitet. Dieses Mehl findet später seinen Platz in Brot, Kuchen oder Nudeln. Wie dabei Schrollen, Fallzahl und Mehltypen eine Rolle spielen, erfuhren 25 RNZ-Leser bei der letzten Station der Sommertour im Neckar-Odenwald-Kreis: Die Müllermeister Frank Müller und Jasmin Brauch sowie Lehrling Lenny Hilgendorf haben dabei spannende Einblicke in den Alltag des traditionsreichen Handwerks gewährt.

Der Route des Korns folgend, startet die Tour durch den Traditionsbetrieb an der Gosse: einer Stahlwanne, in die Lastwagen und Traktorengespanne bis zu 15 Tonnen Feldfrüchte kippen können. "Wir erfassen alle Arten, die in der Region angebaut werden: Raps, Erbsen, Weizen ...", erklärt Mühleninhaber Frank Müller dazu. Er und sein Team verarbeiten in Hardheim allerdings nur einen Teil des angelieferten Roggen, Weizen und Dinkel – mit dem Rest betreibt er Handel.

Nächste Station ist eine mehrstöckige Maschine, die gerade eben unter den hölzernen Dachstuhl der angrenzenden Scheune passt. Siebe und Luft kommen darin zum Einsatz, um zu kleine Körner, Spelze und Schrollen auszusieben. Letzteres ist ein Fachbegriff in der Müllersprache für Strohteile und generell größere Fremdkörper, wie Jasmin Brauch erklärt. "Übrig bleibt das saubere ganze Korn", merkt sie an, während sie in einem angrenzenden Raum Infrarotstrahlen nutzt, um die Qualität des Getreides zu messen. Wie viel Protein es enthält, bestimmt, in welchem Silo das gereinigte Korn eingelagert wird – wie feucht es ist, entscheidet darüber, ob die Mühle die Lieferung überhaupt annimmt. Mit Mutterkorn verseuchtes Getreide lehnt die Steinemühle ebenfalls ab, wie Jasmin Brauch auf Nachfrage erläutert. Für Rückstände des schwarzen Pilzes, dessen Gift Halluzinationen verursacht und zum Absterben der Extremitäten führen kann, gelten schließlich strikte Grenzwerte.

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Im hauseigenen Labor bestimmt Brauch vor den Augen der RNZ-Leser zusammen mit Lenny Hilgendorf die Fallzahl des Weizens. Der Lehrling vermengt dazu sieben Gramm Schrot mit 25 Milliliter destilliertem Wasser und erhitzt die Suspension anschließend eine Minute lang im kochenden Wasserbad, damit die Inhaltsstoffe verkleistern. Ein genormter Rührer sinkt anschließend langsam bis zum Boden der Glasröhre, erklärt Jasmin Brauch die Messung.

Die Zeit, die der Stab benötigt, um durchzufallen, wird in Sekunden gemessen und ergibt die Fallzahl. Ein hoher Wert – wie die gemessenen 301 – deutet auf eine geringe Enzymaktivität hin: Das Korn ist reif und trocken, das Mehl backstark. Anders sieht das bei Korn aus, das schon vor der Ernte auf dem Feld zu keimen begonnen hat: "Alles, was unter 100 liegt, ist komplett kaputt und eignet sich nur noch als Futtermittel", weiß die Müllermeisterin. Genau das gab es in dieser Saison nach den anhaltenden Niederschlägen, die die Ernte zu lange verzögerten. "Das ist besonders ärgerlich, weil die Qualität vor dem Regen sehr gut war", bedauert Brauch, bevor sie die RNZ-Leser vorbei an den sechs Silos zur eigentlichen Mühle führt.

Für Außenstehende ungewohnt, für Müllerfamilien jedoch vertraut und beruhigend, erwartet die Sommertourteilnehmer dort die akustische Signatur des Handwerks: Große Maschinen wie der Walzenstuhl dröhnen, während sie das Mahlgut zerkleinern; im Obergeschoss rumpelt der Plansichter lautstark, um Mehl, Dunst, Grieß und Schrot in seinen feinen Sieben voneinander zu trennen. Wie durchdringend die Geräuschkulisse ist, zeigt sich um Punkt 11 Uhr: Aufgrund des Warntags schrillen auf einen Schlag die Handys der RNZ-Leser – bleiben im Angesicht des Maschinenlärms aber dennoch teilweise unbemerkt. Jasmin Brauch und ihr Vater Frank Müller lassen sich vom ohrenbetäubenden Radau nicht irritieren: Mit ihren Erläuterungen übertönen sie die ratternden Maschinen und geben faszinierende Einblicke in ihren Alltag.

In Kleingruppen erfahren ihre wissbegierigen Zuhörer so, dass mehrere Durchläufe durch das mehrstöckige Mühlensystem mit Walzen und Sieben dunkleres Mehl erzeugen – weil jedes Mal mehr Schalenteilchen ins Mehl gelangen. Diese sind im Gegensatz zum weißen und stärkehaltigen Mehlkörper des Weizens mineralstoffreich. Je nach gewünschtem Gehalt mischen die Müller dann die Mehle, bevor diese im Erdgeschoss abgepackt werden. "Verschlossen werden die Mehltüten noch von Hand", demonstriert Jasmin Brauch die nötigen Handgriffe.

Das fertige Mehl vertreibt Frank Müller in seinem Mühlenladen zusammen mit einer großen Auswahl weiterer regionaler und naturbelassener Produkte. Saaten und Gewürze sowie Müslis, Riegel, Süßwaren sind im Angebot, nach der spannenden Führung finden aber natürlich vor allem die Mehle reißenden Absatz bei den RNZ-Lesern.



> Geschichte: Die Steinemühle wurde 1322 erstmals urkundlich erwähnt. Johann Adam Müller kaufte sie 1686 für 600 Gulden dem Fürstbischof von Würzburg ab. Somit befindet sich die Mühle seit mehr als 300 Jahren im Besitz der Familie Müller. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab man den landwirtschaftlichen Betrieb zugunsten des Mühlenbetriebs auf, 1970 stellte die Familie schließlich auch die Schweinemast ein. Frank Müller führt das Unternehmen in elfter Generation. Die Nachfolge sichert seine Tochter Jasmin Brauch.

> Technik: Früher trieben drei hölzerne Wasserräder die Mühle an, später ein eisernes Mühlrad. Seit 1939 sorgen zwei Turbinen für Antrieb. "Mit 15 Kilowatt aus Wasserkraft und 45 Kilowatt Photovoltaik erzeugen wir die Hälfte des Stroms, den wir verbrauchen, selbst", teilt Frank Müller mit. Um das Getreide zu mahlen, verwendet die Steinemühle moderne Walzenstühle und einen Plansichter.

> Kapazität: Pro Tag verarbeitet die Steinemühle rund neun Tonnen Getreide. Annehmen kann die Mühle allerdings bis zu 25 Tonnen pro Stunde. Insgesamt können in den Silos und Hallen auf dem Gelände etwa 5000 Tonnen gelagert werden. Das reicht, um 40 Prozent der Erträge der umliegenden Landwirtschaft während der Erntezeit aufzunehmen. Das restliche Getreide liefern die Landwirte, die selbst über Lagerkapazitäten verfügen, laut Frank Müller über das gesamte Jahr verteilt an. "Unsere Mühle steht eigentlich niemals still."

> Produkte: Im angeschlossenen Mühlenladen verkauft die Familie neben verschiedenen Mehltypen Schrot, Grieß und Dunst. Nudeln, Müsli, Saaten, Backzutaten und weitere Produkte ergänzen das Sortiment.

> Besonderheit: Die Steinemühle ist die letzte noch aktive Mühle in Hardheim. Einst standen dort vier Mühlen, im gesamten Erfatal waren es sogar 17. Sie ist eine von nur noch rund 180 registrierten Mühlen in Deutschland, die jährlich mehr als 1000 Tonnen Getreide vermahlen. jam

Gereinigt wird das Getreide in einer gigantischen Maschine. Foto: Janek Mayer
Müllermeisterin Jasmin Brauch deutet auf eines der sechs Silos der Hardheimer Steinemühle, wo Platz für 5000 Tonnen Getreide ist. Foto: Janek Mayer
Die Müllermeisterin zeigt eines von zehn Sieben mit feinster Maschenweite, die im Plansichter Mehl, Dunst, Grieß und Schrot voneinander trennen. Foto: Janek Mayer
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