Ist das DHL-Paketzentrum Chance oder Belastung für die Region?
Die geplante Ansiedlung eines des Paketzentrums wird kontrovers diskutiert. Sollen die Bürger entscheiden?

Osterburken. (ahn) Mindestens 200 Millionen Euro will die Deutsche Post/DHL Group in ein neues Paketzentrum an der Bundesstraße B292 zwischen dem Industriegebiet RIO und der Autobahn A81 bei Osterburken investieren. 400 Arbeitsplätze sollen dann auf der 17 Hektar großen Fläche entstehen, wie die Deutsche Post/DHL Group bei einer gut besuchten Bürgerinformationsveranstaltung im November letzten Jahres mitteilte. Eine Entscheidung über die Ansiedlung ist indes noch nicht gefallen. Vielmehr steht in der Gemeinderatssitzung am Dienstag ein Antrag der Freie-Wähler-Fraktion auf Durchführung eines Bürgerentscheids in dieser Sache auf der Tagesordnung. Die RNZ hat sich mit Bürgermeister Jürgen Galm sowie Werner Geiger von den Freien Wählern über das Für und Wider einer Ansiedlung des DHL-Paketzentrums sowie eines Bürgerentscheids dazu unterhalten.
Die Position Jürgen Galms
"Zunächst steht in der kommenden Gemeinderatssitzung nicht die Frage im Mittelpunkt, ob man die Ansiedlung eines DHL-Paketzentrum an dem Standort befürwortet oder ablehnt, sondern, ob man diese Entscheidung auf die Bürgerinnen und Bürger überträgt. Erst danach können wir die abschließende Sachdiskussion über die Vor- und Nachteile eines solch bedeutenden Projektes führen.
Grundsätzlich sehe ich in der Ansiedlung des Paketzentrums eine Chance für unsere gesamte Region, die es zu prüfen und meiner Meinung nach auch zu ergreifen gilt. Denn damit wäre die Schaffung einer stattlichen Zahl von Arbeitsplätzen verbunden. Die können wir angesichts anderer nicht so erfreulicher Entwicklungen wie zum Beispiel der Schließung des Hilite-Werkes in Seckach ganz gut brauchen. Daneben schafft ein solch großes Projekt weitere Arbeitsplätze im Umfeld und zieht in der Regel auch weitere Firmen an. Daneben sind weitere positive Auswirkungen zu erwarten, die sich derzeit aber noch nicht bemessen lassen.
Wir müssen uns aber auch bewusst sein, dass eine Zustimmung für das Projekt eine Signalwirkung für etwa ansiedlungswillige Firmen im Bereich des gesamten RIO haben wird, im Falle der Ablehnung natürlich auch in umgekehrter Richtung.
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Bisher habe ich aber durchaus positive Stimmen zum Vorhaben aus Osterburken wie auch unseren benachbarten Kommunen des RIO vernommen, aber natürlich ebenso die Befürchtungen hinsichtlich des Verkehrsaufkommens und etwaiger Belastungen. Hier lässt sich zwar nicht alles, aber doch vieles regeln.
Im Moment sind wir jedoch noch in einem sehr frühen Stadium. Und selbst wenn wir die Grundsatzentscheidung treffen würden, das Projekt positiv zu begleiten, sind im Zuge der notwendigen Planungen auf verschiedensten Ebenen noch ganz viele Fragen zu klären und weitere Entscheidungen zu treffen.
Und gerade vor diesem Hintergrund halte ich den Gemeinderat für das richtige Gremium zu entscheiden, ob wir das Projekt grundsätzlich befürworten und in ein Planungsverfahren gehen. Die Gemeindeordnung sieht für einen Beschluss des Gemeinderats, einen Bürgerentscheid durchzuführen, eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln aller Mitglieder vor. Damit wird verdeutlicht, dass in der repräsentativen Demokratie das gewählte Organ die Verantwortung für die zu treffenden Entscheidungen nur unter besonderen Voraussetzungen an die Bürgerschaft abgeben darf. Schließlich besteht neben dem Recht und der Pflicht des gewählten Organs zur Entscheidung für die Bürgerschaft die Möglichkeit eines Bürgerbegehrens."
Die Position Werner Geigers:
"Ich befürchte nachteilige Auswirkungen bzw. Veränderungen unseres gesamten Raumes und kann keinen Mehrwert erkennen. Wir sind mit Logistik-Unternehmen gut bedient. Unser Augenmerk müssen wir auf mittelständische Betriebe mit überwiegend qualifizierten Arbeitsplätzen richten und auf Betriebe, die weniger Belastungen mit sich bringen.
Als Belastung sehe ich vor allem die zu erwartende große zusätzliche Verkehrsbelastung unserer Straßen und Ortsdurchfahrten. Neben dem überregionalen Lastwagen-Verkehr von täglich 1500 bis weit über 2000 Fahrten in Spitzenzeiten kommt der Regionalverkehr aus beziehungsweise zu den circa 40 Zustellstützpunkten in ähnlicher Größenordnung hinzu.
Die rund 400 genannten Arbeitsplätze hören sich ohne Zweifel gut an. Bei der Einwohnerversammlung wurden hauptsächlich die Qualifizierungsmerkmale von Beschäftigten angesprochen, die aber lediglich ein Viertel der Beschäftigten ausmachen. Wir wissen von den anderen Standorten, dass die restlichen 320 Beschäftigten einfache Tätigkeiten haben. Diese Stellen sind zu einem großen Teil mit fremden Arbeitskräften besetzt. Hier stellt sich die Frage: Können wir diese Arbeitsplätze mit Personen aus unserem Raum besetzen oder läuft es wie bei anderen Paketzentren oder wie bei Kaufland in Möckmühl, wo eine hohe Zahl legaler Arbeitskräfte aus den EU-Ostblockländern tätig sind. Und könnten wir für diesen Personenkreis genügend Wohnraum zur Verfügung stellen? Neben der Erfüllung unserer Pflichtaufgaben für Flüchtlinge und Asylbewerber hätte es dieser Personenkreis sicher auch verdient, Unterstützung zu bekommen.
Bei der für die Ansiedlung angefragten Fläche von 15 Hektar handelt es sich offensichtlich um besten Ackerboden. Eine Anfrage bezüglich der konkreten Bodenmesszahl wurde noch nicht beantwortet. Zusätzlich sei erwähnt, dass aufgrund einer konkreten Anfrage die geplante Versiegelung 13 Hektar ausmachen würde.
Zumindest ein Teil der Probleme könnte durch verbindliche Anweisung zur Nutzung der Autobahn und durch Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur – zum Beispiel Straßenausbau, Bau von Ortsumfahrungen (Transversale) – gemindert werden. Ein weiterer wichtiger Punkt wäre eine verbindliche Zusicherung der Behörden, dass die beantragte Fläche für DHL nicht auf die vom RIO geplante und dringend notwendige Erweiterungsfläche angerechnet wird.
Der Landtag hat in der Gemeindeordnung die Möglichkeiten für eine Bürgerbeteiligung in solchen Fällen geschaffen. In zahlreichen Gesprächen mit unseren Bürgern wurden wir auf diese Beteiligungsmöglichkeiten angesprochen. Es sind vor allem unsere Bürger, die von einem solchem Mammutprojekt nicht nur über Jahre, sondern über Generationen hinweg betroffen wären. Wir erwarten, dass das Interesse sowie die vertiefende Diskussion in der Bevölkerung durch einen Bürgerentscheid weiter gefördert werden und die Entscheidung damit auf eine breite Basis gestellt wird.
Info: Die Gemeinderatssitzung am Dienstag findet um 19.30 Uhr in der Realschule in Osterburken statt.