23-Jähriger verfolgte Räuber und half bei Verhaftung
"Das war für mich selbstverständlich": Fabian Ebelle aus Osterburken zeigt im November 2022 Zivilcourage.

Osterburken. (ahn) Als Fabian Ebelle aus Osterburken am Nachmittag des 11. Novembers 2022 gegen 16.30 Uhr die Treppe an der Bahnhofsunterführung hinabgeht, hört er plötzlich, wie jemand verzweifelt nach Hilfe ruft. "Mir war gleich klar, dass das ernst war. Ich bin sofort runter ums Eck", berichtet der damals 23-Jährige.
Unten angelangt, wird er Zeuge eines Raubüberfalls. Der Täter hatte vorher sein Opfer in der Unterführung verfolgt, ihn umklammert und gegen die Wand gedrückt. Dann entriss er ihm den Geldbeutel samt den 200 Euro Inhalt. Als Fabian Ebelle am Tatort eintrifft, sieht er gerade noch, wie der Täter flüchtet, während der Überfallene ihm zuruft, dass der Räuber seinen Geldbeutel gestohlen hat. Ebelle überlegt nicht lange, sondern nimmt die Verfolgung auf und ruft die Polizei.
Er bleibt so lange am Täter dran, bis die Beamten eintreffen und den Räuber festnehmen. Ebelles mutiges und – weil er sich nicht selbst in Gefahr begab – umsichtiges Handeln wurde vor ziemlich genau einem Monat gewürdigt: Da erhielt er nämlich bei der Verleihung des Zivilcouragepreises aus den Händen des Vorsitzenden des Vereins "Kommunale Kriminalprävention – Sicherer Neckar-Odenwald-Kreis", Landrat Dr. Achim Brötel, den Hauptpreis.
"Zivilcourage beweist, wer in Aktion tritt, um anderen Menschen in einer gefährlichen Situation zur Seite zu stehen", lobte Brötel bei der Preisverleihung. "Es geht also um nichts anderes als um Beistand und gesellschaftliche Solidarität für Schwächere, Gefährdete oder Bedrohte."
Denn: "Wer wegschaut, hilft am Ende nämlich immer nur dem Täter." Allerdings bedeute Zivilcourage auch immer, "anderen zu helfen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen". Und Fabian Ebelle, den der Landrat als "sehr couragierten jungen Mann" bezeichnete, habe in einem ganz besonders hohen Maße Zivilcourage bewiesen, wofür Brötel ihm dankte.
Der Hauptpreisträger dürfte vielen aus der Römerstadt als Vorsitzender des Musikvereins Osterburken bekannt sein, in dem übrigens seine ganze Familie Mitglied ist. Fabian Ebelle selbst spielt dort Schlagzeug. In seinem Berufsleben hat er auch schon einiges erreicht: Nach seiner Ausbildung als Betriebselektriker bei der Firma Roto Frank Dachsystem-Technologie in Bad Mergentheim machte er letztes Jahr seinen Meister im Elektrotechniker-Handwerk. Inzwischen ist er Technischer Leiter bei der Firma Lightning Projektierung in Niederstetten und für die Bereiche Elektro- und Veranstaltungstechnik verantwortlich.
Am besagten 11. November letzten Jahres ist er beruflich in Osterburken im Einsatz – und wird zu einem wahren Helden. Nachdem er sich in der Unterführung nach dem Raub davon überzeugt hat, dass das Opfer äußerlich nicht verletzt ist, nimmt er die Verfolgung des Täters auf. "Das war für mich selbstverständlich. Da handelt man automatisch."
Der Räuber "ist normal weitergelaufen, wie wenn nichts gewesen wäre", erinnert sich Ebelle zurück. Er folgt dem Täter in einem Abstand von 15 Metern. Dieser geht von der Unterführung Richtung Sparkasse und biegt dann auf die Holzbrücke in den Stadtgarten ein. "Auf der Brücke ist er stehen geblieben und hat mich angeguckt", berichtet der Osterburkener.
Allerdings hat der Räuber ihn nicht erkannt, denn er räumt in aller Seelenruhe den Geldbeutel seines Opfers aus und wirf ihn anschließend ins Gebüsch. "Das war knapp. Ich stand keine zehn Meter von ihm entfernt, und er hat mich in der Unterführung gesehen."
Nun greift Fabian Ebelle zum Handy und ruft die Polizei. Mittlerweile läuft der Täter durch den Stadtgarten weiter Richtung Baulandhalle. "Ich bin parallel zu ihm gelaufen", erklärt Ebelle. "Dann habe ich ihn kurz aus den Augen verloren." Aber kein Problem, denn er ruft seinen Kollegen an, von dem er wusste, dass er sich in der Baulandhalle aufhält. "Ich habe ihm gesagt, dass er in den Stadtgarten kommen soll."
Und so besetzen die beiden die einzigen zwei Ausgänge des Stadtgartens – einmal an der Baulandhalle und einmal Richtung Sparkasse. Der Täter wählt den Ausgang Richtung Baulandhalle. "Aufgrund seines beschriebenen Aussehens und des Kapuzenpullis hat mein Kollege ihn gleich erkannt", berichtet der Osterburkener.
Als der Räuber wieder Richtung Unterführung geht, kommt endlich die Polizei mit zwei Wagen. "Ein Auto kam von der Sparkasse, und das andere kam durchs Wiesental", erinnert sich Ebelle. "Der Täter hat zuerst ganz unschuldig gefragt, was die Beamten von ihm wollen. Schließlich fanden die Polizisten die 200 Euro Beute bei ihm. Außerdem habe ich ihn dann identifiziert, nachdem ich mit dem Opfer zum Festnahmeort gelaufen war." Und so wurde der Räuber von den Polizisten abgeführt.
Nun hieß es für Fabian Ebelle, seine Zeugenaussagen zu Protokoll zu geben. Im Juni dieses Jahres fand dann die Verhandlung vor dem Landgericht Mosbach statt, wo er noch einmal das Geschehene erklärte. "Im Gerichtssaal hat der Räuber mich noch angegrinst", berichtet der Osterburkener.
Der Täter wurde schließlich freigesprochen und in psychiatrische Behandlung geschickt, da er sich laut einem Gutachter zum Tatzeitpunkt in einem psychischen Ausnahmezustand befand. Diese Ansicht kann Fabian Ebelle nicht teilen: "Der hat genau gewusst, was er macht." Zumal der Räuber erst zwei Tage vor der Tat aus einem Gefängnis in Stuttgart entlassen worden war.
Auch wenn der Täter wegen des Raubs in der Unterführung in Osterburken nicht ins Gefängnis zurückkehren musste – das Gute ist, dass das Opfer seine 200 Euro nicht verloren hat. Dies ist allein dem selbstlosen, mutigen und umsichtigen Einsatz von Fabian Ebelle zu verdanken.
Dies sieht auch Bürgermeister Jürgen Galm so: "Ich bin froh und dankbar, dass wir Menschen und Mitbürger wie Fabian Ebelle unter uns haben. Denn es gehört schon Mut und Courage dazu, in einer solchen Situation einzugreifen. Das ist heutzutage beileibe nicht mehr selbstverständlich, und es wird vielmehr einfach weggeschaut. Dass Fabian Ebelle helfend eingegriffen hat, zeichnet ihn ein weiteres Mal aus, denn er ist auch sonst engagiert im Ehrenamt aktiv. Und schon als Schüler habe ich ihn zupackend erlebt, wenn er seinem Vater in den Ferien bei seiner Arbeit mithalf."
Fabian Ebelle hat an diesem Novembernachmittag im letzten Jahr vorbildlich gezeigt, wie wichtig es ist, im Alltag Solidarität und Zivilcourage zu zeigen – und das nicht nur zum Fest der Liebe ...