Kommt ein Geburtshaus nach der Kreißsaal-Schließung?
Oberbürgermeister Michael Jann will prüfen, ob ein Geburtshaus in Mosbach zu realisieren wäre - Bedingungen müssen erfüllt sein

Von Stephanie Kern
Mosbach. Die Schließung der Gynäkologie und Geburtshilfe in Mosbach ist vollzogen. Bereits seit dem 19. April sind die Türen des Kreißsaals dicht, zum 1. Mai zog die Station dann komplett und abschließend nach Buchen um. In Mosbach soll die bisherige Gynäkologie zu einer Wahlleistungsstation werden. Mosbachs Oberbürgermeister Michael Jann bringt nun eine Alternative zum klassischen Kreißsaal für die Mosbacher ins Gespräch: ein Geburtshaus.
"Eigentlich waren bereits Termine zur Besichtigung zweier Geburtshäuser vereinbart", erklärt Jann. Doch das Coronavirus habe diese Informationstour nun verhindert. "Wir wollten uns erst einmal schlau machen: Welche Räumlichkeiten sind erforderlich? Wie sieht es mit ärztlicher Unterstützung aus? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt werden?", sagt Jann. "Alle diese Voraussetzungen wollten wir vorher klären und uns dann Gedanken über die Organisationsform machen." Die Corona-Bestimmungen haben diese Recherchen erst einmal verschoben. "Aber wenn die Beschränkungen aufgehoben sind, wollen wir weiter machen", meint Jann.
Hintergrund
Gesucht: Ein neuer Weg für die Geburtshilfe in Mosbach
Das Format war neu, das Thema ein altbekanntes: Im Rahmen einer Telefonkonferenz suchte und fand man am Dienstagabend den kontaktfreien Austausch zum Thema Geburtshilfe in
Gesucht: Ein neuer Weg für die Geburtshilfe in Mosbach
Das Format war neu, das Thema ein altbekanntes: Im Rahmen einer Telefonkonferenz suchte und fand man am Dienstagabend den kontaktfreien Austausch zum Thema Geburtshilfe in Mosbach. Unter dem Titel "Nach der Schließung der Gynäkologieabteilung im Klinikum Mosbach: Impulse aus dem Runden Tisch Geburtshilfe im Land" hatte die Grüne Kreistagsfraktion zur Kommunikationsrunde eingeladen. Die war durchaus hochkarätig besetzt, wie Amelie Pfeiffer als Kreisvorsitzende schon eingangs erkannte: Neben Staatssekretärin Bärbl Mielich (Ministerium für Soziales und Integration) waren unter anderem auch Mosbachs Oberbürgermeister Michael Jann und die Bundestagsabgeordnete Charlotte Schneidewind-Hartnagel zugeschaltet, ebenso zahlreiche Expertinnen aus dem Bereich Geburtshilfe.
"Schnell ins Gespräch kommen" wollte dabei Bärbl Mielich, die dementsprechend auf einen Impulsvortrag verzichtete, dafür aber über die Hintergründe des Runden Tischs Geburtshilfe des Landes informierte. Eine an diesem Tisch geborene Idee sind lokale Gesundheitszentren mit dem Schwerpunkt Geburtshilfe, an denen Frauenärzte und Hebammen im Team und in Kooperationen mit einer oder mehreren Kliniken (Erreichbarkeit innerhalb 30 Minuten) agieren. Träger könnten Kommunen oder Vereine sein, so Mielich.
Vier neue lokale Gesundheitszentren mit dem Schwerpunkt Geburtshilfe habe man von Landesseite im Jahr 2019 schon bewilligt (und mit 100.000 Euro gefördert). Das Land wolle sich weiter im Bereich Geburtshilfe engagieren, auch im Jahr 2020 stehen Fördergelder für den Bereich Geburtshilfe bereit.
Sich um die zu bewerben, sei natürlich auch für Mosbach eine "gute Gelegenheit", so Mielich, zumal Mosbachs OB Michael Jann von eigenen Plänen (siehe auch gesonderten Beitrag) und Vorüberlegungen für ein Geburtshaus berichtete. Aufgrund der Corona-Krise seien die Planungen aber ein wenig ins Stocken geraten, vorgesehene Besichtigungen verschoben worden.
An einen lokalen Runden Tisch zur Weiterentwicklung des Themas sollte man, so die Empfehlung der Staatssekretärin, möglichst auch Hebammen, Frauenärzte, Kinder- und Jugendärzte sowie auch Eltern bringen. Auch sie selbst wolle sich – sobald nach Corona möglich – mit an einen solchen Austauschtisch setzen.
Ganz ohne Tisch kamen in der Telefonrunde natürlich auch Fragen zur Finanzierung, Umsetzung und Organisation eines solchen Gesundheitszentrums oder Geburtshauses auf. Charlotte Schneidewind-Hartnagel etwa fragte bei Michael Jann nach, ob Unterstützung von städtischer Seite möglich sei – die grundsätzliche Bereitschaft werde hier mit den Folgen der Corona-Krise wohl aber zunehmend aufgezehrt. Finanzielle Spielräume lässt der Mosbacher Haushalt kaum, erst recht nicht für neue Projekte. Da man mit einer solchen Einrichtung aber den ganzen Mittelbereich anspreche, wären nach OB Jann ohnehin auch weitere Kommunen bezüglich einer Unterstützungsleistung abzuklopfen. "Der Bedarf ist sicher da, die Möglichkeiten der Förderung und Unterstützung müsste man dann abfragen", findet Obrigheims Bürgermeister Achim Walter.
Die Frage nach einem Zeitfenster konnte die Staatssekretärin zumindest grob beantworten: Die Bewerbungsfrist betrage in aller Regel drei Monate, ausgewählte Projekte müssten dann innerhalb von eineinhalb Jahren angegangen werden. Fragen bleiben natürlich auch nach der konstruktiven Austauschrunde am Telefon. Grünen-Kreisrätin Simone Heitz und die Kreisvorsitzende Amelie Pfeiffer waren am Ende dennoch zufrieden mit der Format-Premiere. Und sich einig: "Wir müssen dringend an diesem Thema dranbleiben." (schatt)
Die rechtlichen Voraussetzungen für den Betrieb eines Geburtshauses finden sich im Ergänzungsvertrag der Gesetzlichen Krankenkassen. "Dieser listet genau auf, welche Anforderungen in einem Geburtshaus – also einer Hebammengeleiteten Einrichtung – zu erfüllen sind: Personelle Anforderungen, Strukturqualität, Prozessqualität etc", erklärt Jutta Eichenauer, Vorsitzende des Landesverbands der Hebammen. Neben diesem Ergänzungsvertrag haben Hebammen die Hebammenberufsordnung und verschiedenen Gesetze zu beachten, beispielsweise das Infektionsschutzgesetz, Arzneimittelgesetz, Patientenrechtegesetz, Medizinproduktegesetz und auch die Medizingerätebetreiberverordnung. Aber Jutta Eichenauer sagt auch, was die Entbindung in einem Geburtshaus so besonders macht: "Die Eins-zu-eins-Betreuung unter der Geburt, oft mit einer zweiten Hebamme zur Geburt, die vertraute Atmosphäre, die sich mit Beginn der Schwangerschaft entwickelt."
Beatrice Hamberger ist freiberufliche Hebamme in der Region Mosbach und arbeitete auch viele Jahre im Mosbacher Kreißsaal. "Die Idee an sich ist nicht schlecht. Es gibt aber einige Hürden", gibt Hamberger zu bedenken. Eine davon ist die Besetzung eines solchen Geburtshauses. Der Charme des Geburtshauses liegt vor allem in seiner intimen, familiären und individuellen Ausstattung – und der Eins-zu-eins-Betreuung bei einer Geburt.
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"Um ein Geburtshaus zu betreiben, bräuchte man mindestens sechs Hebammen, besser wären acht", meint Hamberger. Zu bedenken sind aber auch die Versicherungssummen, die diese Hebammen aufbringen müssten. Eine Haftpflichtversicherung für außerklinische Geburtshilfe kostet 10.000 Euro. "Wenn es machbar wäre, wäre es schön", sagt Hamberger. Aber man müsse auch wissen, dass nicht jede Frau in einem Geburtshaus entbinden dürfe. Risikopatientinnen etwa werden abgelehnt. Dazu zählen z. B. auch Frauen, die bereits einen Kaiserschnitt hatten. Hamberger: "Es gibt viele Ausschlusskriterien." Und sie meint auch: "Ein Geburtshaus kann niemals einen Kreißsaal in einem Krankenhaus ersetzen." Man müsse ein solches Vorhaben sehr gut durchdenken, alle offenen Fragen vernünftig beantworten, sonst sei ein Geburtshaus nicht mehr als ein "teures Hobby".
Deshalb steht für Michael Jann nun auch erst einmal "ausreichend informieren" auf dem Plan. Danach könnte man sich dann auch vorstellen, einen Kooperationspartner zu suchen oder konkret auf die Suche nach einer Immobilie zu gehen. "Bis jetzt ist noch nichts spruchreif. Aber es gibt Geburtshäuser, in denen etwa 60 bis 300 Geburten pro Jahr laufen, und ich könnte mir vorstellen, dass wir hier etwas anbieten können", meint Jann.
Neben den Bedingungen sei es aber auch wichtig, die Finanzierung eines solchen Hauses vorher abschließend zu klären. Ganz konkret geht es darum, ob die Krankenkassen das Vorhaben mittragen würden. "Deshalb müssen wir jetzt erst mal Zahlen, Daten und Fakten sammeln", gibt Jann die Marschroute für die nächsten Wochen vor.



