Nur Grüne und ein Teil der SPD wollten die Geburtshilfe in Mosbach erhalten (Update)
Im Kreistag gingen die Meinungen zu Konzentrationen an den Neckar-Odenwald-Kliniken trotz Mehrheitsbeschluss auseinander

Von Heiko Schattauer
Neckar-Odenwald-Kreis. Die Richtung war ja bereits seit Ende Januar klar vorgegeben, seit Montagabend ist nun also auch das erste Stück des steinigen Wegs geebnet. Mit einer klaren Mehrheit votierte der Kreistag in seiner außerordentlichen Sitzung in Oberschefflenz für die ersten tief greifenden Umstrukturierungen, die helfen sollen, dass sich das Defizit der wirtschaftlich kaum noch tragbaren Neckar-Odenwald-Kliniken signifikant reduziert. Beschlossene Sache sind damit die Schließung der Gynäkologie/Geburtshilfe-Station in Mosbach (oder anders formuliert: die Konzentration in Buchen) und der Akutgeriatrie-Abteilung in Buchen sowie die Einrichtung einer Wahlleistungsstation am Krankenhaus in Mosbach.
Schon vor der Abstimmung war – wie auch bei der grundsätzlichen Diskussion in der Januarsitzung – klar geworden: Vor allem den Schritt, künftig nur noch eine Gynäkologie/Geburtshilfe-Station im Kreis zu haben, wollen nicht alle Mitglieder des Kreistags mitgehen. Selbst innerhalb der Fraktionen gingen die Meinungen zu diesem Einschnitt im Portfolio der Neckar-Odenwald-Kliniken weit auseinander, wie in den Erklärungen von Kreisräten und Kreisrätinnen vor zahlreichen Zuhörern und der versammelten Presse in Oberschefflenz deutlich wurde.
Für die CDU-Fraktion erklärte Rainer Houck, dass man eben "keine Perspektive für zwei Geburtshilfen im Kreis" erkenne. Und sich daher "um den dauerhaften Bestand" einer Gynäkologie und Geburtshilfe zu sichern, für die von den Klinik-Verantwortlichen und Chefärzten ausgearbeitete Konzentration ausspreche. Auch wenn man darin durchaus einen "schweren Einschnitt in das Versorgungsangebot für unseren Landkreis" sieht. Nachdem die Fragen der Umsetzung geprüft und geklärt werden konnten, war für Houck und seine Fraktion am Montag die "Zeit der Entscheidung" gekommen. Seine Kollegin Sabine Schweiger wollte zudem mit Nachdruck den Blick auf den gesamten Kreis (weg von Mosbach-Buchen-Diskussionen) und eine Gesundheitsversorgung für alle (weg von der reinen Frauenklinik-Diskussion) geworfen wissen – und plädierte dafür, die "Kliniken-Mitarbeiter ihren Job machen zu lassen".
Derweil hat sich auch die Kreis-CDU hinter den Klinikbeschluss gestellt. "Der Erhalt unserer Kliniken an beiden Standorten ist das wichtigste Ziel – mit dem jüngsten Kreistagsbeschluss sind wir einen Schritt weiter", waren sich die Teilnehmer einig. Verständnis herrschte unter den Vorstandsmitgliedern für die Proteste. Diese und die daraus abgeleiteten politischen Diskussionen und Fragestellungen seien Teil der gelebten Demokratie. Und zu dieser Demokratie gehöre es auch, demokratisch getroffene Entscheidungen zu akzeptieren, diese zu gestalten und gemeinsam in die Zukunft zu schauen. Der Kreistag habe dem vorgeschlagenen Konsolidierungskurs mit allen Einschnitten zugestimmt.
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Für die CDU-Fraktion sei dies keine leichte Entscheidung gewesen, gehe es am Ende doch um die existenzielle Frage, ob man die Kliniken in kommunaler Trägerschaft für die Kreiseinwohner erhalten könne. Nun gelte es, die Klinikleitung an ihren Versprechungen zu messen und dafür Sorge zu tragen, die Konsolidierung der Klinikfinanzen voranzubringen. "Dies geht nur, wenn die beiden Standorte gemeinsam für ihre Zukunft arbeiten und hierfür nicht nur von der Kreisspitze, sondern auch von den Kommunen und nicht zuletzt von den Bürgern als Patienten das vollste Vertrauen ausgesprochen bekommen", so die Kreisräte der CDU.
Volker Rohm verdeutlichte, dass man bei den Freien Wählern den Struktur- und Maßnahmenplan als "vielleicht letzte Chance, die Kliniken in kommunaler Hand zu halten" sieht. Zugleich fragte er sich, wer "ernsthaft" behaupten wolle, mehr von der viel diskutierten Materie zu verstehen als die "gedanklichen Väter und Mütter" des Maßnahmenkatalogs. "Penetrantes Bohren in Tiefen von Casemix-Entwicklungen" unterstütze die Bemühungen um eine Verbesserung der Lage ebenso wenig wie das Infragestellen bereits gefasster Beschlüsse. Um den Standort zu kämpfen sei legitim, nahm Rohm Bezug auf den umstrittenen Fragenkatalog aus dem Mosbacher Gemeinderat, "die Wahl der Unterstützer hierbei ist aber höchst zweifelhaft". Nur mittels einer Konzentration von bis dato doppelt vorgehaltenen Fachschaften sei es möglich, eine Privatisierung der Kliniken zu verhindern. "Das muss inzwischen auch der Letzte verstanden haben", so der FW-Sprecher. "Es geht nicht anders", fasste Volker Rohm in Bezug auf Konzept und Einschnitte zusammen.
Bei der SPD ist man sich ob der (möglichen) Wirkung dieser Einschnitte nicht einig, wie Georg Nelius im Kreistag erläuterte. Er hält unter anderem die Problematik der Hebammenversorgung in Mosbach nur für ein "vorgeschobenes Argument". Auch sei die "Explosion des Defizits" nicht durch die Gyn/Geburtshilfe in Mosbach erfolgt. Verlagerung von Abteilungen sieht Nelius nicht als Allheilmittel, der vielmehr das konsequente Abstellen "hauseigener Fehlerquellen" empfahl. Da man den Frauen im Raum Mosbach eine "adäquate Grundversorgung" sichern wolle, votierten er und drei weitere SPD-Fraktionskolleg(inn)en gegen die Umstrukturierungen. Gabriele Teichmann als eine davon bemängelte in Bezug auf die Ergebnisprognosen eine "absolut unzureichende Datengrundlage". Für den SPD-Teil, der für die Maßnahmen stimmte, erklärte Heide Lochmann: "Es geht heute nur um einen kleinen Teil des Gesamtkonzepts."
"Wir werden für die Daseinsvorsorge und gegen das Konzept stimmen", stellte Simone Heitz für die Fraktion der Grünen klar. Eine wohnortnahe Geburtsklinik sieht sie als Standortfaktor, von einer Konzentration erwartet man zudem keinerlei Ergebnisverbesserung. Da die prognostizierte Entwicklung der Abteilung Gynäkologie/Geburtshilfe erst bei der Kreistagssitzung vorgelegt worden sei, habe man zudem keinerlei Möglichkeit gehabt, die Zahlen zu verifizieren. "Allein Vertrauen in die Verantwortlichen reicht uns nicht", so Heitz. Wie ihre Kollegin Amelie Pfeiffer, die auch bei den prognostizierten Geburtenfallzahlen nachhakte, plädierte Heitz abermals für die Einrichtung einer regionalen Gesundheitskonferenz.
Tobias Eckert wertete die Zustimmung des Kliniken-Betriebsrats zum Strukturplan für die AfD als Zeichen dafür, dass die Maßnahmen wohl stimmig sind. Die Schließung der Geburtshilfe sei ein politisch gewollter Skandal, weshalb man sich der Stimme enthalte. Achim Walter (FDP) wiederum lehnte die Umstrukturierungen ab, stellte prognostizierte Positiveffekte in Frage und prophezeite eine nicht ferne Schließung einer konzentrierten Geburtshilfe in Buchen.
Und wie reagiert man in den Kliniken? "Für uns war es wichtig, dass nun weitere der bereits geplanten Schritte getan werden", erklärt Betriebsratsvorsitzender Simon Schreiweis auf RNZ-Nachfrage, "auch wenn die Konzentration der Gynäkologie/Geburtshilfe nun sicher der emotionalste Schritt war." Schreiweis zeigt sich weiter optimistisch, dass man eine signifikanten Defizitreduktion bis zum Ende der Bewährungszeit (im Sommer) erreichen kann. Auch wenn die Zeit knapp und das Ziel sehr sportlich gesetzt ist.
Update: Dienstag, 10. März 2020, 18.40 Uhr